Der Engel mit den Eselsohren. Otto Rung
hungrigem Ausdruck und bereitgehaltener Nadel zu umkreisen.
Ejgil ging aus dem Wege; der Stammherr und der Etatsratssohn kamen, um zu sehen, wie der Samtjunge gestochen würde.
Ejgil warnte Petersen. „Wenn du es versuchst, schlage ich!“ sagte er und schwang den rechten Arm.
Petersen warf ihm einen beinahe flehenden Blick zu. Er kicherte albern, geiferte lüstern und versuchte, sich ungeschickt hinter Ejgil zu schleichen, um die weicheren Teile unter der Bluse zu erreichen.
Die Knaben umstanden sie dicht, es war verboten, sich zu prügeln, und hier war Aussicht auf einen grossen Krawall. Der Seeheldenspross Dankvart grüsste die Parteien mit gedämpftem Zungenschnalzen; er trug selbst schon den vierten Tag ein grosses Plakat auf dem Bauche, auf das Herr Bonfils die Worte: „Das Lama spuckt“ geschrieben hatte, weil er einen Kameraden mit dem Munde besudelt hatte.
Ejgil schlug, aber wider Erwarten Petersens mit der linken Hand. Er gebrauchte die Handkante, um alle Knochen mit vollem Gewicht wirken zu lassen, und schwang den Arm ganz vom rechten Fussknöchel aufwärts, so dass sein ganzer Körper bei dem Schlage als Achse wirkte.
Er traf Petersen genau unter dem rechten Ohr. Petersen schnappte nach Luft, setzte sich auf den Asphalt und streckte sich zurück, er röchelte ein paarmal und wurde ohnmächtig. Gleichzeitig kam Herr Bonfils aus seiner privaten Tür mit einer Hälfte des Regierungsblattes in jeder Hand und auf seiner Flöte pfeifend, die er zwischen den Zähnen halten konnte.
Petersen wurde langsam von Sergeant Hansen wieder ins Leben gerufen, der die Anweisung zur Rettung Ertrunkener und anderer Scheintoter anwandte, sein Unterrichtsfach in einer Mädchenschule.
Herr Bonfils zog Ejgil am Haar in die Aula, um ihn dort das spanische Rohr schmecken zu lassen. Die ganze Schule bekam eine Stunde frei und nahm klassenweise im Saale Aufstellung, so dass sie Karree bildete. In der Mitte stand Herr Bonfils mit dem spanischen Rohr.
Herr Bonfils war betrübt, Ejgil war einer seiner Lieblingsschüler, aber es durfte keine Gelegenheit versäumt werden.
„Jeder Schlag trifft mich selbst“, sagte er, „und schmerzt mich im Herzen mehr als dein Rücken, aber du willst ja als Gewalttäter und Verbrecher aufwachsen, um schliesslich im Zuchthaus zu enden!“
Er gebrauchte hierauf dieselben Ausdrücke, die er auf Marat sowie auf Kaiser Nero und Wilhelm von Hohenzollern anzuwenden pflegte, die Ungeheuer in Menschengestalt waren.
Hierauf schlug er, dass das Rohr pfiff und die Oberlichtscheibe der Halle, die auf Eis gestimmt war, mitsang.
Er hatte noch die Augen voller Tränen, gerührt von Ejgils langen gelben Locken und grossen blauen Augen, fand aber im übrigen, dass das Haar des Knaben anfing, dunkler zu werden, seit einem Jahre glich er immer mehr einem aufgeschossenen Bengel in kurzen Samthosen mit langen blossen Beinen (immer mit Rissen und Schrammen am Knie), das schmale, etwas blasse Gesicht schien Herrn Bonfils weit weniger engelrein als früher.
Daher schlug er ohne Zögern zu, geriet in Schweiss, die Tolle sträubte sich ihm, er begann zu schnaufen, der Speichel spritzte um ihn herum, und alle konnten riechen, wie zornig er war, bis er auf einmal sehr müde wurde und sich auf einen Korbstuhl setzen musste, den der Primus der Schule bereit hielt.
Ejgil rieb sich den Rücken und trat ins Glied. Hinter ihm wurde der leere Platz Petersens — auf Befehl von Herrn Bonfils — frei gehalten, um, solange Petersen krank gemeldet war, als Warnung und Erinnerung an diesen Tag zu dienen. Als Petersen aber wiederkam, wagte er nicht mehr zu stechen, obwohl er aus unterdrücktem Gelüst hinsiechte.
Indessen gab diese Begebenheit den Anlass, Herrn Bonfils daran zu erinnern, dass Ejgils Angehörige nie den Taufschein des Knaben vorgelegt hatten.
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