Zero Bone Loss: Knochenerhaltende Behandlungskonzepte. Tomas Linkevičius
soll das Platform-Switching den krestalen Knochenverlust verhindern oder reduzieren26,32–34.
Die positiven Effekte des Platform-Switching auf die krestale Knochenstabilität wurden in vielen klinischen Studien belegt. Die Reduktion des Knochenverlusts scheint mit der Größe der Stufe zwischen Implantat und Abutment zusammenzuhängen. Canullo et al. führten dazu eine prospektive klinische Studie an 69 Implantaten bei 31 Patienten durch. Sie ermittelten an Implantaten ohne Platform-Switching einen Knochenverlust von 1,49 mm, bei Platform-Switching mit 0,2 mm großer Stufe betrug der Knochenverlust 0,99 mm, mit einer 0,5-mm-Stufe betrug er 0,82 mm und mit 0,85-mm-Stufe 0,56 mm. Je größer also die Stufe des Platform-Switching war, umso ausgeprägter war der mittlere positive Effekt auf die Knochenresorption 33 Monate nach der Implantation1 (Abb. 2-20).
Abb. 2-20 Der Unterschied der Durchmesser, also das Ausmaß des Platform-Switching, ist wichtig für die Knochenstabilität. An einem Implantat mit großer Stufe (a) tritt ein geringerer Knochenverlust auf als an einem Implantat mit kleinem Platform-Switching (b).
Daten aus Laborstudien, Tierstudien sowie histologischen und klinischen Studien am Menschen bestätigen die wichtige Rolle des Mikrospalts zwischen Implantat und Abutment beim Remodeling des periimplantären krestalen Knochens. Vela-Nebot et al.35 untersuchten die krestale Knochenstabilität an 30 Implantaten mit einem Platform-Switching von 0,45 mm und 0,5 mm (Test) sowie an 30 Implantaten mit Standardverbindung (Kontrolle). Der mittlere mesiale Knochenverlust betrug bei der Röntgenkontrolle nach einem Jahr in der Kontrollgruppe 2,53 mm und in der Testgruppe 0,76 mm. Die mittlere distale Knochenresorption betrug in der Kontrollgruppe 2,56 mm und in der Testgruppe 0,77 mm. Die Autoren schlussfolgerten daraus, dass der Knochenverlust an Implantaten mit Platform-Switching deutlich geringer ausgefallen war als in der Kontrollgruppe35.
Mikrobewegungen
Die Prävention einer bakteriellen Kontamination des Knochens ist aber nur ein Faktor, der zur krestalen Knochenstabilität beiträgt. Der andere signifikante Faktor ist die Reduktion von Mikrobewegungen. Logischerweise ist zur Reduktion von Mikrobewegungen eine stabile Verbindung zwischen Implantat und Abutment erforderlich – aber wie kann diese erreicht werden? Die einfachste Lösung ist die Wahl der bestgeeigneten Verbindung. Abhängig von Ausrichtung und Länge des Innenkonus am Implantat gibt es verschiedene Verbindungsformen.
Es besteht allgemein Übereinkunft darüber, dass die Verbindung umso stabiler und weniger resistent gegenüber Lateralbewegungen ist, je kleiner der Neigungswinkel ist (s. Abb. 2-10). Die Morse-Taper-Verbindung besitzt einen Winkel von 2 bis 4 Grad. Die bekanntesten Implantatsysteme, die sich diese Verbindung zunutze machen, sind Ankylos (Fa. Dentsply Sirona) und Bicon (Fa. Bicon), aber sie wird auch bei anderen Systemen eingesetzt. Die zweite konische Verbindungsform ist breit und besitzt einen Winkel von 5 bis 20 Grad. Verwendet wird sie von den Firmen Straumann, Nobel, MIS und anderen Implantatherstellern. Die dritte Gruppe weist einen Winkel von mehr als 20 Grad auf und wird nicht mehr als konische, sondern als Innen- oder flache Verbindung bezeichnet (Abb. 2-21).
Abb. 2-21 Die Innenverbindung ist im Außenbereich (Kreis) biologisch versiegelt.
In einer bekannten Studie stellten Zipprich et al.17 fest, dass die Bewegungen des Abutments umso geringer ausfallen, je steiler der Winkel ist. Außerdem sprachen sie sich für Implantate mit Konusverbindung aus, da eine stabile Verbindung der wichtigste Faktor bei der Prävention von Knochenverlust ist. Bewegungen am Implantat-Abutment-Übergang erzeugen einen Pumpeneffekt, durch den Bakterien aus dem Implantat gepresst werden und zum Knochenverlust führen. Außerdem schädigt schon die Bewegung selbst den Knochen, sodass sich die negative Reaktion verdoppelt. Wenn weniger Bewegungen an der Implantat-Abutment-Verbindung auftreten, gelangen weniger Bakterien aus dem Implantat und die Entzündung wird verringert. Andererseits macht eine steile konische Verbindung ein Verblocken der Restaurationen unmöglich, was sich nachteilig auswirken kann (s. Kap. 14).
Schlussfolgerung
Laut dem mechanischen Ansatz, um die Knochenstabilität mithilfe des Implantatdesigns zu erreichen, sind das Platform-Switching und eine konische Implantat-Abutment-Verbindung die wichtigsten Faktoren für ein dauerhaft stabiles Knochenvolumen. Obwohl diese Faktoren zweifelsohne wichtig sind, zeigt die Konzentration auf die mechanischen Aspekte als einzig relevante Faktoren aber nur ein unvollständiges Gesamtbild. Es gibt zahlreiche Belege für den Zusammenhang zwischen der Knochenstabilität und Implantaten ohne Platform-Switching und einer einfachen Innenverbindung.
Abbildung 2-22 zeigt anhand eines klinischen Falls, dass nicht nur mechanische Faktoren des Implantatdesigns für die Knochenstabilität wichtig sind. In diesem Fall wurden Implantate mit Platform-Switching und Morse-Taper-Verbindung verwendet, die als sehr stabil gilt, ähnlich einer Kaltverschweißung. Die Implantate wurden bei klinisch idealer Situation gesetzt: einem breiten Alveolarkamm, mehr als 2 mm befestigter Gingiva und einer leicht subkrestalen Implantatposition. Ankylos-Implantate besitzen ein deutliches Platform-Switching, sodass die Bakterien auf jeden Fall vom Knochen ferngehalten werden sollten. Eine Morse-Taper-Verbindung begrenzt Bewegungen und schließt ein Knochenremodeling aufgrund der Größe des Mikrospalts aus. Die zum Zeitpunkt der Implantation angefertigte Röntgenaufnahme zeigt stabilen Knochen an den gesetzten Implantaten, aber nach 2 Monaten trat eine Knochenresorption auf. Daher verursachen mechanische Faktoren des Implantatdesigns nicht alleine einen Knochenverlust, weil er trotz der idealen Verbindung auftrat. Wegen des breiten Alveolarkamms konnte er auch nicht auf eine ungünstige anatomische Ausgangssituation zurückgeführt werden. Außerdem zeigt die beim Einsetzen der Restauration angefertigte Röntgenaufnahme einen massiven krestalen Knochenverlust, der sich nicht alleine durch das Implantatdesign erklären lässt.
Abb. 2-22 Knochenverlust an Ankylos-Implantaten mit Morse-TaperVerbindung und Platform-Switching (Fa. Dentsply Sirona) als Beleg dafür, dass das Implantatdesign zwar wichtig ist, aber nur teilweise zum Erfolg beiträgt. (a) Ausgezeichnete klinische Situation mit breitem Knochenkamm. (b) Es gibt mehr als genug befestigte bukkale periimplantäre Mukosa, somit bestehen ausgezeichnete Weichgewebebedingungen. (c) Die Implantate wurden korrekt gesetzt. (d) Der krestale Knochenverlust vor der Belastung zeigt, dass noch weitere Faktoren zum Knochenverlust beitragen. (e) Röntgenaufnahme beim Einsetzen der Restaurationen. (f) Die Querschnitte des Implantatdesigns zeigen eine komplett versiegelte und stabile Verbindung.
Was also wurde in diesem Fall übersehen? Die Antwort lautet: die Biologie. Die nachfolgenden Kapitel werden auf die verborgenen biologischen Faktoren eingehen, wie die vertikale Weichgewebedicke und deren Einfluss auf die Knochenstabilität. Abbildung 2-23 zeigt beispielsweise Implantate mit Platform-Switching und Konusverbindung, die auf Knochenniveau gesetzt wurden. Nur bei einem jedoch blieb das Knochenniveau stabil, während am anderen ein Knochenverlust auftrat. Deswegen muss immer das klinische Gesamtbild berücksichtigt werden.