Luisa - Zwischen Puppen und Bomben. Käthi Schneider
den Männer in das Loch hinunterließen, wie konnte ich ihn mit Mama in Verbindung bringen?
Nach der Beerdigung zog mein Vater mit seinen beiden leiblichen Kindern nach Frankfurt am Main zu seinen Eltern. Ich blieb im Dorf zurück bei meinen Großeltern.
Die genauen Daten von der Geburt meines kleinen, verstorbenen Bruders und den Todestag meiner Mutter erfuhr ich erst im Jahre 1998. Meiner Schwester wurde nach dem Tode ihres Vaters das Familienstammbuch ausgehändigt. Sie machte es mir zum Geschenk.
Die Gefühle sind nicht zu beschreiben, als ich das Buch in den Händen hielt, die Unterschrift meiner Mutter unter ihrer Heiratsurkunde las.
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Geborgen
An meine Großeltern kann ich mich zu meinem Erstaunen deutlicher erinnern. Großmutter war eine kleine, dunkelhaarige Frau und Großvater ein großer, kräftiger Mann, mit einem blonden Kranz Haaren und oben auf dem Kopf eine glänzende Glatze, die mich ganz besonders faszinierte.
Großmutter war immer sehr liebevoll, ich bekam heiße Milch und Butterbrote mit selbst gekochtem Gelee. Ein Erlebnis ist mir in Erinnerung geblieben. Ich durfte, was ein ganz besonderer Genuss für mich war, dass Geleeglas auslecken, wenn nur noch ein Restchen darin war. Ich saß eines Tages auf einem kleinen Schemel in der Küche und löffelte andächtig die süßen Reste aus dem Glas. Irgendwie wurde ich unterbrochen und stellte das Glas ab.
Als ich es später wieder hochnahm, hatte sich eine Biene oder eine Wespe unter den Löffelchen gesetzt. Ich steckte den Löffel in den Mund und sie stach mir in die Zunge. Das gab eine ganz schreckliche Aufregung. Meine Zunge schwoll sehr schnell an, ich drohte, zu ersticken. Mama war da, dass weiß ich, und Großmutter, die laut weinte. Was sie taten, weiß ich nicht mehr, jedenfalls habe ich diesen Stich ja überlebt.
Nur durch dieses Erlebnis sind mir Bruchstücke von Großmutters Küche in Erinnerung geblieben. Ich sehe den Tisch vor mir, rechts an der Wand, und das einzige Küchenfenster zur Gartenseite hin, sehr hoch oben, ich konnte nicht hinaussehen. Ich sehe Oma, wie sie mir lächelnd das Geleeglas reicht.
Ihr Haus steht auf der Schönbornerstraße, einer Seitenstraße, die, wenn man in das Dorf hineinkommt, rechts einen Berg hinaufführt. Vor der ersten Kurve, auf der rechten Straßenseite steht es, mit dem Giebel zur Straße. Durch ein Tor betrat ich den Hof. Er war schmal und lang gestreckt und führte weit nach hinten, bis zum Ende des Grundstücks.
Wenn ich hereinkam, lag das Haus zu meiner Linken, nach wenigen Metern stieg ich eine Treppe hinauf, die zur Haustür führte. Auf der anderen Seite konnte ich wieder eine gleiche Treppe hinuntergehen, das machte mir besonders viel Spaß.
Weit hinten im Hof hatte Großvater einen riesigen Schrank, so sah ich es damals. Es gab viele Fächer, jedes Fach hatte ein Türchen, das vorne mit Draht verschlossen war. In diesem Schrank hielt Großvater seine Hasen. Oh wie liebte ich sie, stundenlang konnte ich sie mir ansehen und mit ihnen erzählen. Ich kannte alle mit Namen. Purzel. Dicker, Grauer. Langohr, Oskar, Mucki, so redete Opa sie an.
Ich weiß auch noch, dass ich mit Großvater zu unserem Feld ging. Es war ein weiter Weg dorthin. Was wir anbauten und ernteten, weiß ich nicht mehr.
Sehr viel später, 1982 erhielt ich von Else, sie war Tante Fischers Tochter, einen Brief und eine Kopie von Opas Hof. Ganz hinten, wo meine geliebten Hasen gewohnt hatten, wurde bei Ausgrabungen ein sehr altes, geschichtlich erwähntes Grab entdeckt. Wäre Opa an diesem Montag zum Notar gekommen, statt auf Glatteis zu stürzen, sein gesundes Bein zu brechen und und und…
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