Die gelbe Mafia. Will Berthold

Die gelbe Mafia - Will Berthold


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      Ein Taxi brachte sie nach Aberdeen. Hunderte von Dschunken passierend, schipperte sie ein Sampan zu dem schwimmenden Luxusrestaurant ›Jumbo‹. Die Touristenattraktion war mit Lampen und Lampions prächtig illuminiert, wirkte wie ein Ozeandampfer, auf dem täglich ein Captain’s Dinner stattfand. Zwischen dem Ufer und der Freß-Galeere herrschte reger Pendelverkehr.

      Ein Ober, der aussah wie der Kapitän und eine Art Admiralsuniform trug, empfing die beiden wie Staatsbesucher und geleitete sie an einen Zweiertisch mittschiffs. Sie saßen direkt am Fenster, hatten einen herrlichen Ausblick auf die Wohnboote und die dahinterliegenden Hochhäuser.

      Babs hatte ihren Baedecker gelesen; sie wußte, daß auf diesen schwimmenden Behausungen Siebzig-und Achtzigjährige lebten, die nicht ein einziges Mal das Festland betreten hatten und womöglich mit vier Frauen gleichzeitig verheiratet waren, was das Gesetz in ihrer Jugend noch erlaubt hatte. Zehntausende von Menschen – früher waren es siebzigtausend gewesen, viele hatte die Regierung inzwischen zwangsweise auf dem Festland angesiedelt – waren hier geboren, aufgewachsen, hatten hier Kinder bekommen und waren auf ihren Hausbooten gestorben. Man nennt diese seltsamen Hafen-Insulaner auch ›egg-people‹, weil sie früher ihre Steuern mit Eiern bezahlt hatten.

      Nach pikanten Vorgerichten wählte Parker als Hauptgang ›beggar’s chicken‹.

      »Ein Bettlerhuhn?« fragte Babs.

      »Es ist mindestens so schmackhaft wie eine Pekingente, aber nicht so fett und daher sehr bekömmlich.«

      Gutes Essen braucht Weile. Dann wurde, eingehüllt in einer Lehmkruste, Hongkongs Spezialität aufgetragen. Mit einem Hämmerchen klopfte Parker die Schale auseinander. Dann entfaltete er die Lotosblätter, in denen das mit Pilzen, Weißkohl, Zwiebeln und Kräutern gefüllte Huhn herausgebacken worden war. Dem Topf entstieg ein köstlicher Duft wie einst Aphrodite dem Meeresschaum. Dazu tranken die Genießer, nicht ganz stilecht, eine Flasche Burgunder. Die junge Frau ging ziemlich geschickt mit den Eßstäbchen um. Sie hatte in einem Düsseldorfer Chinarestaurant ein wenig vorgeübt. Sie vergaß alles, was sie über Hundeleber, Affenhirn, Kamelhöcker, Tibetkatzen, Entenfedern und junge Mäuse als Tafelfreuden gehört hatte.

      Bereits beim Betreten des riesigen Speiseraums war dem Kamikaze am Eingang rechts eine Runde vorwiegend chinesischer Geschäftsleute aufgefallen, erkennbar an ihren dunklen Anzügen, die sie immer trugen, auch wenn die Temperatur im Schatten 35 Grad überstieg und die Luftfeuchtigkeit 93 Prozent erreicht hatte. ›Jumbo‹ war in erster Linie ein Touristentreffpunkt. Parker wunderte sich, daß sich so viele einheimische Busineß-Leute hier zum Nachtessen getroffen hatten, vielleicht den Gweilos zuliebe, die an ihren Tischen saßen.

      Er musterte sie in seiner gekonnt unauffälligen Art. Es war nichts Außergewöhnliches an ihnen, aber sie fielen dem Kamikaze auf. Vielleicht war es Einbildung oder der sechste Sinn: das Gespür seines Metiers hatte sich gemeldet.

      Er beobachtete die chinesische Runde mit den zwei europäischen oder amerikanischen Gästen: Offensichtlich war nur, daß sich der Kellner, sogar unter Vernachlässigung der Nachbartische, ständig in ihrer Nähe aufhielt. Entweder erwartete er für seine Aufmerksamkeit ein besonders hohes Trinkgeld, oder aber er interessierte sich über Gebühr für das Gespräch der gemischten Gesellschaft.

      Einer der Geschäftsleute, ein korpulenter Mann, erhob sich und ging mit watschelndem Gang zur Toilette. Er hatte Hängebacken, und seine extrem schmalen Augen standen wie waagerechte Striche in seinem Gesicht.

      Der Chinese passierte achtlos Parkers Tisch.

      Fünf Minuten später kam der Watschelnde wieder zu seinen Gästen zurück. Der Kamikaze konnte ihn diesmal nur von hinten sehen und zog es vor, seiner Reisefreundin tief in die Augen zu blicken, wie Humphrey Bogart in ›Casablanca‹ Ingrid Bergman.

      Die Runde am Eingang bezahlte und verließ das Restaurant. Der Kamikaze registrierte: vier Chinesen und zwei Weiße. Dann gingen seine Augen im Lokal wieder streunen.

      »Wäre es denn wirklich so ein Beinbruch, wenn du einem deiner chinesischen Partner über den Weg laufen würdest?« fragte Babs.

      »Das nicht«, behauptete er. »Aber kannst du dir denn nicht vorstellen, daß ich lieber mit dir zusammen bin?«

      »Wie galant«, entgegnete die Düsseldorferin.

      »Leider nimmt die Zeit unserer Zweisamkeit mit jeder Stunde um sechzig Minuten ab«, stellte der Meister der Verstellung fest und wunderte sich, wie anders es klang, wenn er einmal nicht lügen mußte.

      Er zahlte.

      Sie gingen auf den Ausgang zu.

      Von draußen drängte, acht bis zehn Meter entfernt, ein Kellner heran, den Parker bislang nicht gesehen hatte. Plötzlich hielt der Mann eine Pistole in der Hand.

      Ihr Lauf war direkt auf ihn gerichtet.

      »Achtung!« schrie er, riß Babs zu Boden, warf sich über sie.

      Drei Schüsse peitschten über sie hinweg, trafen den neugierigen Ober.

      Im Restaurant-Schiff brach Panik aus. Die Gäste schrien, warfen Tische um, flatterten wie geköpfte Hühner durcheinander, während der Mörder die Waffe wegsteckte und flüchtete.

      »Hast du dir weh getan?« fragte der Kamikaze und hob seine Begleiterin auf.

      »Mann, hast du Nerven«, erwiderte sie. »Was war denn eigentlich los?«

      »Das weiß ich auch nicht, uns hat es vermutlich nicht gegolten«, erwiderte er. »Aber wir müssen verschwinden, bevor wir von der Polizei stundenlang vernommen werden.«

      Auf dem Weg zum Ufer passierten sie das Polizeiboot. Babs und Parker fuhren mit dem Taxi zum ›Mandarin‹. Im Apartment schalteten sie das englischsprachige Programm ein, aber es brachte nur flotte Musik.

      Am nächsten Tag las Parker in den Hongkonger Zeitungen eine kurze Notiz, daß an Bord des ›Jumbo‹ ein amoklaufender Kellner aus noch ungeklärtem Motiv einen Kollegen erschossen hatte und danach unerkannt entkommen war.

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