Die gelbe Mafia. Will Berthold

Die gelbe Mafia - Will Berthold


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chinesische Wirte in Deutschland. In München gibt es zum Beispiel kaum ein China-Restaurant, das nicht Schutzgebühren an die »Kofuns« (Soldaten) der »Oyabuns« (Paten) in Hongkong zahlen würde. Der Handel mit exotischen Schönheiten wird weitgehend von der britischen Kronkolonie aus organisiert. Mindestens ein Drittel allen Kokains, das den Westen überschwemmt, kommt via Hongkong. Schiffsversenkungen, Versicherungsbetrügereien großen Ausmaßes gehen ebenso auf das Konto der Triaden wie Markenfälschungen von Rolex-Uhren oder Lacoste-Hemden.

      Auch bei der sizilianischen Mafia gilt das Gesetz des Schweigens, trotzdem ist es – vor allem den Italienern – immer wieder gelungen, Abgefallene zum Reden zu bringen. Während eines Mammutprozesses in Turin sind zwar in jüngster Zeit sieben wichtige Zeugen ermordet, doch auch an die 130 Täter verurteilt worden, unter ihnen auch Richter und Staatsanwälte. Und einige sogar lebenslänglich.

      »Wie viele Chinesen leben eigentlich in Deutschland?« fragte Salewsky.

      »Vierzehntausend legal, dazu kommen Tausende illegaler Zuwanderer, von denen die meisten sicherlich nichts mit den Triaden zu tun haben. Wir haben schon Täter gefaßt, überführt und verurteilt, doch im Gegensatz zu den Italienern hat nicht ein einziger Chinese jemals etwas über die Geheimorganisation ausgesagt. Es gibt leider keine Zeugen, keine Geständigen, keine Überläufer«, stellte Kudemann fest.

      »Das deckt sich mit unseren Erfahrungen im Ausland, Doktor«, bestätigte Blaurock. »Die Schwierigkeiten sind immens. Allein die Sprache, das Aussehen, die Denkweise dieser Leute stellen uns vor schier unlösbare Probleme.«

      Sie hatten das Bundeskriminalamt in Wiesbaden erreicht und fuhren mit dem Lift in das Büro des HOKO-Chefs hoch. Salewsky stand offensichtlich noch unter dem Schock, in den ihn der Anblick der beiden Mordopfer am Tatort versetzt hatte. Kudemann ging an einen Wandschrank und schenkte Cognac ein; sie hatten alle drei einen nötig, am dringendsten Salewsky, der ihn auch als erster austrank.

      »Ich wollte Ihnen den Tag wirklich nicht durch Horror vergällen«, behauptete Kudemann, »aber doch einmal vor Augen führen, wie es jedem von uns ergehen kann, so ihm ein Fehler unterläuft.«

      »Ich hab’ schon viel gesehen und erlebt, aber so etwas …«, erwiderte Salewsky.

      »Die grausamsten und gefährlichsten Gegner, die wir je hatten«, stellte der HOKO-Chef fest. »Über fünfzig Beamte, verteilt auf die ganze Bundesrepublik, habe ich an die Aufklärung dieser Verbrechen gesetzt. Sie sammeln Steinchen für Steinchen, ohne zu wissen, um welches Mosaik es sich dabei handelt. Ohne absolute Geheimhaltung scheitern wir kläglich. Deshalb«, wandte er sich direkt an seinen unebenbürtigen Stellvertreter, »darf die Gelbe Mafia auch in Pullach kein Thema sein.«

      »Aber das ist doch selbstverständlich, Herr Dr. Kudemann«, beteuerte der Großsprecher ziemlich kleinlaut.

      »Auch für die Sicherungsgruppe«, ergänzte der Top-Kriminalist. »Wir hatten heute morgen einen Zusammenstoß. Ich möchte nicht, daß er sich wiederholt.« Er deutete den Blick des schönen Maximilians richtig und goß ihm ein zweites Glas Cognac ein. »Auf unser Teamwork, Herr Salewsky, anders geht es nicht. Ich nehme zur Kenntnis, daß sich Taifun II nicht mehr abbrechen läßt. Aber ich werde den Kamikaze unverzüglich auffordern, jede Aktivität zu unterlassen, bis wir den Flop Taifun I bis ins letzte geklärt haben.«

      »Muß das sein?« fragte Salewsky, schon auf dem Rückzug.

      »Sollen wir riskieren, daß der Mann im gleichen Zustand aufgefunden wird wie die beiden Opfer von der Zeil?«

      »Um Gottes willen«, entsetzte sich der Karrierist aus Pullach. »Aber Parker ist sehr schwierig.«

      Blaurocks Gesicht wirkte belustigt.

      »Treten Sie dem Kamikaze ordentlich in den Hintern«, versetzte der Kriminaldirektor. »Wenn er dann nicht spurt und deshalb hopsgeht, sind wir wenigstens nicht schuld daran.«

      »Das mag sein«, warf der Ostasien-Dezernent ein, »aber das bringt uns auch keinen Schritt weiter.«

      »Sie sind damit einverstanden, daß künftig ausschließlich Kollege Blaurock nach meinen Direktiven die Vorgänge um Latzke, Liebkind und Babinsky untersucht?« schloß Kudemann die Debatte.

      »Ja, schon – aber wie lange kann das dauern, wir wollen doch nicht so viel Zeit …«

      »Das weiß ich nicht«, unterbrach der HOKO-Chef. »Vielleicht nur ein, zwei Tage. Es soll keine Angeberei sein«, fuhr er versöhnlicher fort, »aber wir haben nun mal die größere Erfahrung.«

      »Sicher«, räumte der schöne Maximilian ein, »aber ich habe im Entwicklungsdienst bereits in Indien und Indonesien mit Pullacher Agenten nachrichtendienstlich zusammengearbeitet«, entgegnete Salewsky. »Ich bin nicht so unbeleckt, wie Sie annehmen.«

      »Das ist mir neu«, antwortete Kudemann überrascht.

      »Mir auch«, sagte Blaurock.

      »Dann werden wir künftig keine Schwierigkeiten mehr miteinander haben«, konstatierte der HOKO-Chef mit einer Spur von Spott.

      Die Besprechung zog sich in die Länge. Der schöne Maximilian sah immer wieder auf seine Armbanduhr.

      »Sind Sie in Eile?«

      »Ja, ich werde heute noch bei einem Empfang im Aquarium der Münchener Residenz erwartet.«

      »Gehen Sie meinetwegen ruhig schwimmen«, versetzte Kudemann, »aber nicht baden«, verabschiedete er Salewsky lachend. »Roland Blaurock und ich haben noch eine lange Nacht vor uns.«

      Salewsky verabschiedete sich.

      »Den hast du ja ganz schön kleingekriegt, Felix«, sagte Blaurock lachend.

      »Wenn du willst, kann ich ihn ablösen lassen.«

      »Das will ich nicht – zumindest so lange nicht, bisich mit Latzke gesprochen habe.«

      Kudemann betrachtete ihn fragend.

      »Ich habe Taifun I in den Anfängen mit vorbereitet«, erklärte er. »Dann fuhr ich fünf Wochen in Urlaub – mußte einmal sein nach drei Jahren – als ich zurückkam, hatte Salewsky den großen Macher gespielt und die Operation anlaufen lassen.«

      »Eine Art Ejaculatio praecox«, erwiderte der Kriminalist sarkastisch.

      »Deshalb wurde ich bei der Untersuchung des Falls nicht eingeschaltet. Vermutlich hätte sich im Handumdrehen herausgestellt, welchen Mist der schöne Maximilian gebaut hat. Übrigens höre ich zum erstenmal von dieser angeblichen Zusammenarbeit mit unseren Leuten im Entwicklungsdienst. Ich werde dieser Behauptung nachgehen, sobald ich im Camp bin.«

      »Tu das, Roland«, antwortete Kudemann.

      Seine Sekretärin stellte am späten Nachmittag einen Anruf der Frankfurter Mordkommission durch.

      »Was Neues, Müllner?« fragte er den Hauptkommissar und drehte am Gerät den Lautsprecher auf, damit Blaurock das Gespräch mithören konnte.

      »Ja«, erwiderte Müllner. »Sind Sie eigentlich Hellseher, Herr Kriminaldirektor?«

      »Lassen Sie es mich versuchen«, ging der HOKO-Chef auf den Ton des Anrufers ein. »Sie haben Dschingis-Khan gefunden. Und zwar verstümmelt.«

      »Richtig. Der Chef einer Privatklinik hat sich an das Polizeipräsidium gewandt, weil ihm die Sache faul vorkommt: Ein Chinese, der radebrechend angab, ihm sei bei einer Schlägerei das linke Ohr abgerissen worden, liegt bei ihm auf der Station. Es handelt sich bei der Verletzung einwandfrei um eine Schnittwunde.«

      »Und an die Kneipe, in der ihm das Malheur passiert ist, erinnert sich Dschingis-Khan auch nicht mehr.«

      »Sie werden mir langsam unheimlich, Herr Kriminaldirektor«, stellte Müllner fest. »Der Verdächtige hat sich zu spät in ärztliche Behandlung begeben. Inzwischen ist eine handfeste Infektion eingetreten. Sollen wir den Mann vernehmen und …«

      »Auf keinen Fall«, entschied der HOKO-Chef. »Lassen Sie den Burschen rund um die Uhr beschatten, und verständigen Sie mich, wenn


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