Die gelbe Mafia. Will Berthold

Die gelbe Mafia - Will Berthold


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er endlich in sie eindrang, schluchzte Babs: »Ja, Ralf, komm, mach mich fertig …«

      Aber er blieb der Dirigent, ließ sich das Tempo nicht vorschreiben. Wiewohl er nun selbst zu zerspringen drohte, trieb er die Selbstbeherrschung auf die Spitze. Nur wenn man eine Partnerin begehrt, aber doch nicht wirklich liebt, kann man mit dem Körper einer Frau so virtuos spielen – wenigstens so lange, bis der Brandstifter selber Feuer fängt.

      Ihre Körper peitschten einander in ein furioses Finale hinein. Sie erreichten gemeinsam den Gipfel, hielten sich noch kurze Zeit – und stürzten ab. Sie hatten einander schachmatt gesetzt. Aber sie landeten weich, und auf dem Bodensatz der Erfüllung trieb schon wieder neues Verlangen.

      Sie atmeten schwer.

      »Wir müssen verrückt sein, Ralf«, flüsterte die junge Frau.

      »Vielleicht hast du recht«, antwortete er und sah einen Moment lang ins Leere. Er wollte sich nicht anmerken lassen, daß es mit seinem Haut-Schach nicht mehr weit her war und ihm Babs bereits mehr bedeutete, als sie sollte. »Weißt du«, fragte der Kamikaze mit rauher Stimme, »daß du ganz schön ordinär werden kannst? Du hast mich einen Mistkerl genannt.«

      »Entschuldige bitte«, erwiderte Babs. »Ich war nicht mehr ganz bei mir. Ich kann nichts dafür, wenn du mich um die Zurechnungsfähigkeit bringst.«

      »Ein Mann, der das nicht tut, ist ein Stümper«, erwiderte Parker großsprecherisch.

      »Du hast wohl zuviel Erfahrung«, konterte die nackte Schöne. »Du möchtest wohl allen Frauen verführen, welche Versager deine Vorgänger gewesen waren, stimmt’s?«

      »Waren sie denn das bei dir?«

      »No comment«, antwortete die Düsseldorferin. »Bist du eigentlich verheiratet?« fragte sie übergangslos.

      »Diese Inquisition erfolgt aber reichlich spät«, entgegnete der Begleiter lachend.

      »Weil es mir ziemlich egal ist – schließlich sind wir ja nur ein Paar auf Ferienzeit«, repetierte Babs. »Doch warum weichst du mir aus?«

      »Deine Frage bringt einen Mann ins Dilemma«, entgegnete Parker. »Sagt er nein, hält ihn die Fragestellerin für einen Lügner …«

      »Also, ja oder nein?« unterbrach sie ihn.

      »Nein«, antwortete er.

      »Also Lügner«, versetzte sie lachend.

      »Falsch. Ob du es glaubst oder nicht, ich bin wieder Junggeselle.«

      »Ich hab’ nichts dagegen«, erwiderte sie. »Wir machen uns noch ein paar schöne Tage, hier, in Manila und weiß Gott wo überall. Dann«, setzte sie hinzu, »kehrst du wieder in deine Textil-Import-Firma nach München zurück, und ich in mein Stahlkontor in Düsseldorf. Dort esse ich mit Geschäftsfreunden des Hauses, nicht ohne Ermahnung der Direktion, mich nicht mit ihnen einzulassen.« Sie drückte ihre Zigarette aus. »Als ob das nötig wäre bei diesen Typen.« Sprunghaft, wie Frauen manchmal so sind, fragte Babs: »Aber du warst schon einmal verheiratet?«

      »Ja«, erwiderte Parker. »Zweimal geschieden.«

      »Da hast du mich schon wieder um eine Länge geschlagen«, antwortete sie lachend. Sie sprang aus dem Bett. »Los! Ich nehm’ die Wanne und du die Brause.« Mit federnden Schritten ging sie ins Badezimmer, drehte sich noch einmal um: »Gibst du mir zwanzig Minuten, Ralf?«

      »Dreißig«, räumte er ein. »Wenn du willst, kannst du dir auch noch Zeit zum Ausruhen nehmen.«

      »Dafür ist sie mir hier viel zu kostbar. Hongkong prickelt mir auf der Haut«, versetzte die Düsseldorferin. »Ich fühle mich frisch wie die Forelle in einem Gebirgsbach.«

      »Dann paß auf, daß dich hier keiner angelt«, erwiderte Parker lachend und ging unter die Dusche, trocknete sich ab, schlüpfte in einen Rollkragenpulli und trug darüber ein gutsitzendes Sportjackett. Er verabredete sich mit Barbara an der hoteleigenen Tagesbar.

      Sie stand am Fenster, wiederum überwältigt von der Mammonopolis-Silhouette. Ein solcher Schauplatz forderte seinen Tribut; sie wollte sich heute abend einmal richtig landfein machen, und das hieß: kein überweites T-Shirt, keine ausgebeulten Jeans, keine flachen Schuhe, keine nachlässige Frisur.

      Sie ging in das Bad, duschte warm und kalt, setzte sich vor den großen Spiegel und beschäftigte sich mit ihrem Gesicht. Große Korrekturen waren nicht nötig, kleinere erledigte sie mit geschickten Händen. Mit der Frisur war es schon etwas schwieriger, doch zum Glück hatte sie am Morgen vor dem Abflug in Bangkok noch die Haare gewaschen; sie ordnete sie asymmetrisch an, so daß ihre Schokoladenseite voll zur Geltung kam. Etwas mehr Lidschatten, ein intensiveres Rouge, die neuen Pumps mit den hohen Absätzen und vor allem das spezielle Parfüm mit der herben Duftnote.

      Babs überprüfte sich noch einmal sorgfältig: Mehr konnte man nicht aus sich machen – und mehr hatte sie auch gar nicht nötig. Eine Frau im besten Alter, eher jünger aussehend; sie wirkte wie eine dieser glücklichen Schönen, die offensichtlich den richtigen Mann mit dem rechten Bankkonto geheiratet haben.

      Der Kamikaze saß an der noch schwach besetzten Bar wie einer dieser Männer, die an allen Theken der Welt anzutreffen sind, sich langweilen und dann zielstrebig vollaufen lassen, was an einem Ort mit dem höchsten Branntweinkonsum der Welt ohnedies angebracht ist.

      Der Barkeeper hieß – laut Namensschild an seinem Revers – Charly. Er sah aus wie ein Hollywoodstar, der einen Barchef spielt, ein junger Clark Gable; er war gebürtiger Engländer, in Hongkong hängengeblieben, wo er mehr verdiente als ein Bankdirektor in seiner Heimatstadt Liverpool.

      »Was darf es sein, Sir?« fragte er höflich.

      »Ich denke, es ist Zeit für einen Gin and Tonic«, orderte der Gast.

      »Falls Sie bei uns im Haus wohnen, dürfte ich Sie dann um Ihre Zimmernummer bitten?« bat Charly freundlich. »Ich setze dann alles auf die Rechnung.«

      »1514«, erwiderte der Kamikaze und schob dem Keeper als Einstandstrinkgeld einen größeren Geldschein zu, den Charly so behende verschwinden ließ wie eine Nonne einen Liebesbrief.

      »Sie sind nicht zum ersten Mal in Hongkong, Sir?« fragte er, als er den Drink servierte.

      »Und auch nicht zum letzten Mal«, versetzte der Neuankömmling, und Charly lächelte, denn diesen Satz hörte er mindestens hundertmal am Tag.

      Der Raum füllte sich rasch mit neu hinzukommenden Gästen, Chinesen in der Überzahl, offensichtlich vor dem Sprung in das abendliche Vergnügen. Zum Fünf-Uhr-Tee waren sie bereits angezogen wie zu einem mitternächtlichen Galadiner. Trotz der Klimatisierung und der milden Außentemperatur legten die Damen ihre Chinchillas oder Zobels nicht ab. Ihre Juwelen signalisierten einander ihre Karate zu, nicht selten zweistellige. Nirgendwo prostituierte sich das große Geld schamloser als in Hongkong, dem Schauplatz eines ständigen Narrentreibens der Neureichen.

      Hier gibt es kaum gewachsenen Wohlstand. Die meisten der hunderttausend Millionäre waren oft erst vor fünfzehn, zwanzig Jahren nur mit dem Hemd auf dem Leib schwarz über die grüne Grenze gekommen und hatten ihren Aufstieg als Rikschafahrer, Pfannenflicker, Gemüseputzer, Scherenschleifer, Entenschneider und Straßenkehrer begonnen, die Abfalltonnen nach Brauchbarem durchwühlt, aus den Mülleimern um die Garküchen herum Speisereste gesammelt. Manche von ihnen waren und sind noch Analphabeten und sitzen nunmehr in der obersten Direktionsetage der Skyscrapers, verwalten Milliarden, und ihre Handlanger sind Wirtschaftswissenschaftler, Doktoren und Professoren. Und hier, ganz oben, scheffelt auch der kriminelle Tycoon der Triaden-KK Milliarden von Geldern, erbeutet von einem Heer hartgesottener Verbrecher, das er auf die ganze Welt losgelassen hat.

      Ralf Parker hatte eine meisterliche Art, Desinteresse für seine Umgebung zu zeigen und sie dabei scharf zu beobachten. Siebzehn Jahre Geheimdienst hatten den Vierzigjährigen empfindsam für Schwingungen gemacht, für die andere gefühllos sind. Immer wenn sich Parker beobachtet wähnte, spürte er eine Art innerer Spannung. Sicher gab es im Barraum mindestens einen Mann, der ihn beschattete, und das bereits


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