Die gelbe Mafia. Will Berthold

Die gelbe Mafia - Will Berthold


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ein. »Aber die Konkurrenz schläft nicht.«

      »Sag mal, Ralf«, wechselte die Blondine das Thema,»ist der Landeanflug in Hongkong wirklich so gefährlich?«

      »Na ja, er kann dich schon das Fürchten lehren«, versetzte der Wolf im Schafspelz. »Wenn der Pilot die Landeklappen auch nur eine Sekunde zu spät ausfährt, rasiert er mit seinem Fahrgestell die Dächer der Hochhäuser an der Einflugschneise.« Lächelnd fügte er hinzu: »Du kannst ja die Augen schließen, wenn du schwache Nerven hast.« Er griff nach ihrer Hand. »Aber du brauchst keine Angst zu haben, ich bin ja bei dir, und bis zur Landung bleiben uns noch über zwei Stunden Zeit.«

      »Und du? Hast du keine Angst?« fragte Babs und kuschelte sich an ihren Begleiter. Er wußte, daß sie weder dumm noch problematisch war. Sicher hätte sie ohne große Anstrengung einen besseren Gefährten als ihn aufreißen können, aber vielleicht hatte sie längst den Mann fürs Leben und brauchte nur einen Sparringspartner für die Urlaubstage.

      »Ich hab’ keine Zeit für Angst«, erwiderte er. »Glaub mir, man kann sich die Furcht abgewöhnen wie das Rauchen«, stellte er lakonisch fest und gab seiner Eroberung Feuer.

      »Hast du für heute abend schon ein Programm?« fragte die Düsseldorferin.

      »Ein prächtiges«, versprach er. »Zuerst ein Stadtbummel mit Schaufensterbesichtigung, zwischendurch Snacks und Cocktails, dann ein erstklassiges Lokal mit original-chinesischer Küche.«

      »Pekingente?« fragte Babs.

      »Das wäre zu gewöhnlich und zu fett«, erwiderte der geliehene Liebhaber. »Schlangen wären eine Spezialität, zum Beispiel Kobras, Pythons oder Boas.«

      »Besten Dank!« sagte die junge Frau schaudernd.

      »Dann wären da noch Affenhirn, Kamelhöcker, Elefantenfüße, junge Mäuse und Eidechsen als besondere Delikatessen. Auf den Leckerbissen Hundefleisch müssen wir leider verzichten; darauf steht in Hongkong Gefängnisstrafe. In der Volksrepublik China hängen sie mit abgezogenen Fellen an den Verkaufsbuden wie bei uns die Kaninchen.«

      »Ich denke, ich werde nur ein Schinken-Sandwich zu mir nehmen«, sagte die Blondine. »Sag bloß, du machst dir was aus solchen Schweinereien.«

      »Keineswegs«, erwiderte Parker. »Diese Kostbarkeiten essen die Chinesen lieber selbst. Sie wären für die ›Gweilos‹ auch viel zu schade.«

      »Gweilos?« fragte sie.

      »Ein Schimpfwort für die fremden weißen Teufel«, erläuterte der Experte. »Ein Gweilo ist in China so etwas wie ein Gringo in Südamerika.«

      »Du machst mir ja richtig Appetit auf Hongkong …«

      »Die Stadt wird dich überwältigen, und wir werden dort so gut essen wie noch nie«, behauptete der angebliche Geschäftsmann auf Vergnügungsreise. »Der große Konfuzius hat gesagt: ›Die Freude am Essen ist das erste Glück. ‹«

      »Dann setze ich mehr auf das zweite«, antwortete die Mittdreißigerin.

      »Ich auch«, entgegnete ihr Begleiter lachend. »Aber alles der Reihe nach. Und am Ende des Abends eine Flasche Schampus«, setzte er hinzu und hob mit dem Zeigefinger ihr Kinn. »Und dann – husch, husch ins Körbchen!«

      »Du bist ein ganz abgebrühter Bursche«, erwiderte Babs. »Ich weiß nicht warum, aber irgendwie gefällst du mir.«

      »Ganz meinerseits.«

      »Wirklich?« spöttelte sie.

      »So ist es«, versicherte er. »Dabei bin ich wirklich kein Junge für eine Nacht.«

      »Sondern für drei bis vier …«, konterte Babs.

      »Open end«, erwiderte er. »Du bist die Regisseurin. Du bestimmst, wann abgeblendet wird.«

      »Wer sich so bescheiden gibt wie du, muß überheblich sein«, quittierte sie seine Worte. »Oder lügen.«

      Daß sie einmal unbedenklich über die Stränge schlagen konnte, war für die Mittdreißigerin ein ziemlich einmaliges Vergnügen. In ihrer Düsseldorfer Firma galt sie als Eisberg, den keiner zum Schmelzen brachte, und das nicht nur, weil es in ihrem Anstellungsvertrag als Bedingung stand, als eine Art Industrie-Vestalin zu leben. Freilich würde sie nach einem Sündenfall nicht lebend eingemauert, sicher aber mit einigen Monatsgehältern Abfindung gefeuert werden. Jetzt genoß es Babs, nicht als Repräsentantin im strengen Kostüm auftreten zu müssen, stets in Schale und etepetete, sondern kaum geschminkt, in Slacks und Pullover herumzulaufen, Schuhe mit flachen Absätzen zu tragen, nicht dreimal in der Woche zum Friseur zu gehen, zu tun und zu sagen, was sie wollte, und das noch zu einem ziemlich passablen Mann: »Ich bin sonst gar nicht so«, gab sich Babs dann wieder ernsthaft. »Ich weiß nicht, was du Besonderes an dir hast, aber irgendwie machst du mich an wie Cayennepfeffer«

      »Soll das ein Kompliment sein?«

      »Meinetwegen«, erwiderte Babs, »wenn du es nötig hast. Du bist kein Adonis, kein Krösus, keine Sportskanone und bestimmt auch keine Intelligenzbestie. Vielleicht liegt es auch nur an der Urlaubsstimmung, aber irgendwie funkt es bei mir mit dir mehr als bei jedem anderen Mann.«

      »Vielleicht hast du bisher nur die falschen Männer gehabt.«

      »Werd nicht unverschämt!« wies sie ihn zurecht. »Und soll das heißen, du wärst der richtige?«

      »Ich will dir mal was sagen, Kind«, versetzte der Begleiter des 20-Tage-Trips: »Hinterher betrachtet, sind die Liebhaber einer Frau fast immer die falschen gewesen.«

      »Du Philosoph«, erwiderte der Kurschatten. »Vielleicht jag’ ich dich in Hongkong zum Teufel«, drohte sie ihrem Begleiter, der weniger ein Vorzeige-Mann war als ein prächtiger Schlafbursche.

      Ralf Parker stellte die Lehne seines Sessels bequemer, lehnte sich zurück und schloß die Augen. Er redete nicht gerne über Dinge, die er lieber trieb. Außerdem hatte er zur Zeit andere Probleme. Zwischen dem Innendienst und den Spähern, die von ihm ausgeschickt werden, gibt es immer Reibereien. (Originalton Salewsky: »Die einen sitzen, die anderen schwitzen.«)

      Der ›schöne Maximilian‹, Pullachs ältester Azubi, war vor Jahresfrist auf dringliche Empfehlung des übermächtigen bayerischen Landesfürsten Blaurock, dem Leiter des Fernost-Referats I, als Aufpasser vor die Nase gesetzt worden. Nach dem plötzlichen Tod seines Politpaten hatte Salewsky versucht, seinen geschrumpften Einfluß durch mitunter voreilige Aktivitäten wiederherzustellen.

      Roland Blaurock, ein Mann in mittleren Jahren mit einem Gesicht von der Stange, der Entdecker, Förderer und Chef des Kamikaze, konnte Salewsky nicht ausstehen, aber nicht nur deshalb ließ der Intimus des Dezernenten keine Gelegenheit aus, den Azubi zu provozieren, zumal einige Pullacher zu ihm übergelaufen waren, um im Windschatten des Karrieristen voranzukommen.

      Mitunter benahm sich der schöne Maximilian, offensichtlich von seiner Clique gut beraten, weit weniger ungeschickt, als man in der Firma erwartete: er saß am Drücker, auch wenn er mitunter danebenschoß.

      Vor wenigen Tagen hatte Salewsky dem Kamikaze beim Abschied durchschlagenden Erfolg gewünscht und mit einem Glas auf seine glückliche Wiederkehr angestoßen. Vielleicht war es zynisch gemeint gewesen, oder auch nur taktlos oder gar tröstend, wie wenn man einem Mann auf dem Totenbett gute Besserung wünscht. Für den schönen Maximilian gab es handfeste Gründe, keine Tränen zu vergießen, falls der Geheimagent scheitern würde wie seine Vorgänger.

      »Ich weiß, Sie sind Patriot«, war der Aufpasser mit seiner feuchten Aussprache in seine Politrolle verfallen.

      »Ich bin Profi«, hatte Parker geantwortet.

      »Also Profi und Patriot …«

      »Profi genügt mir – das ist mir patriotisch genug«, hatte er dem Scharfmacher das rote Tuch vorgehalten.

      Auch Parker war natürlich bei seiner Untergrundoperation auf Unterstützung angewiesen, doch in der Frontlinie arbeitete er am liebsten allein. Nur mißtrauische Agenten haben


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