Der neue Sonnenwinkel Box 11 – Familienroman. Michaela Dornberg
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Inhalt
Julia fragte sich, warum es in die Köpfe vieler Menschen einfach nicht hineingehen wollte, wann der ›Seeblick‹ Ruhetag hat. Immer wieder tauchten Leute war und waren verärgert, warum sie nicht essen konnten. Mit einem Klick würden sie sich den unnötigen Weg herauf ersparen.
Gut, wer jetzt auf dem Parkplatz angekommen war, dem konnte man zugutehalten, dass er oder sie, sie konnte nicht sehen, wer da angekommen war, weil niemand ausstieg, dass die Gepflogenheiten, somit auch der Ruhetag, nicht bekannt waren.
Julia blieb stehen, wenn sich die Person endlich aus dem Auto bemühen würde, wollte sie mit freundlichen Worten auf den Ruhetag hinweisen, und wenn sich das jetzt noch lange hinziehen würde, war sie fest entschlossen, wieder ins Haus zu gehen, die Tür abzusperren. Draußen war deutlich zu lesen, dass heute Ruhetag war.
Schon wollte Julia ihren Vorsatz in die Tat umsetzen, als sich an dem fremden Fahrzeug, einem silberfarbenen SUV, etwas tat. Jemand stieg aus. Es war zu erkennen, dass es sich um einen Mann handelte, eine Einzelperson, mehr nicht, denn im Gegenlicht war das Gesicht nicht zu erkennen.
Der Fremde schloss sein Auto ab, kam auf das Restaurant zugelaufen, und Julia spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte.
Das konnte jetzt nicht wahr sein!
Sie konnte das Gesicht nicht erkennen, doch den Gang, den kannte sie. Und das irritierte sie jetzt vollkommen, denn diesen charakteristischen Gang hatte nur einer und das war … Daniel, ja, Daniel Sandvoss, ihr Ex.
Nein, das konnte doch nicht sein, sie musste sich irren. Der Gang eines Menschen war nichts Einmaliges, außerdem hatte sie ihn seit geraumer Zeit nicht gesehen, nur noch sehr selten, wenn überhaupt, an ihn gedacht. Musste es sie jetzt nicht nachdenklich machen, dass ihr beim Anblick eines Fremden direkt Daniel in den Sinn kam? War da doch noch etwas? Nein, das konnte sie direkt verneinen, mit Daniel, das war Vergangenheit, Tim war ihr Leben, und das, was sie mit Tim verband, daran kam das, was mal mit ihr und Daniel war, nicht annähernd heran.
Während sich ihre Gedanken überschlugen, kam der Mann langsam immer näher. Und dann gab es keinen Zweifel mehr, sie hatte sich nicht geirrt.
Es war Daniel Sandvoss!
Und das steigerte ihre Verwirrung jetzt nur noch mehr.
Weswegen war er hier?
Sie hatte nach der Trennung alles versucht, sich mit ihm zu versöhnen, doch er hatte sein Handy abgestellt oder sich eine neue Nummer zugelegt, und ihre Briefe waren mit dem lakonischen Vermerk – Annahme verweigert – zurückgekommen. Und dann hatte sie es schwarz auf weiß gelesen, dass Daniel nicht nur für seine journalistische Arbeit einen Preis bekommen hatte, sondern dass er mit einer anderen Frau verbandelt war, die er in Kürze heiraten wollte, was mittlerweile gewiss geschehen war, denn der Artikel war vor einer ganzen Weile erschienen. Es hatte ihr ganz schön den Boden unter den Füßen weggezogen, zumal diese Frau zu den Reichen und Schönen gehörte und in einer ganz anderen Liga spielte als sie.
Das alles ratterte durch ihren Kopf, und dann stand er vor ihr, und wie es schien, war auch er nicht ganz unbefangen, was für einen Journalisten ziemlich ungewöhnlich war, die preschten in der Regel doch immer nach vorne, um die beste, die richtige, die ultimative Story zu ergattern.
Sie standen sich gegenüber, beide stumm, sie sahen sich an.
Für Julia hatte sich einiges, wenn nicht sogar alles verändert, sie konnte ihn betrachten wie einen freundlichen, angenehmen Fremden. Ihr Herz hüpfte nicht voller Entzücken, doch ein angenehmes Gefühl war schon da. Und das war nicht verwunderlich, schließlich hatten sie sich mal geliebt und eine schöne Zeit miteinander verbracht.
»Hallo, Julia«, er machte noch einen Schritt auf sie zu, überlegte, ob er sie jetzt umarmen sollte. Schließlich ließ er es bleiben. Und das war gut so.
Julia wirkte plötzlich sehr angespannt. War er gekommen, um alte Zeiten heraufzubeschwören? Hatte es mit der anderen Frau doch nicht geklappt? Sie hatte es nicht weiter verfolgt, weil die Glanzzeitschriften nicht zu ihrer bevorzugten Lektüre gehörten, und selbst wenn es so wäre, hätte sie überhaupt nicht die Zeit, sie regelmäßig zu lesen.
Ihr Blick fiel zufällig oder war es bewusst? Wie auch immer, das festzustellen, war jetzt nicht nötig. Ihr Blick fiel auf jeden Fall auf den Ringfinger seiner Hand, und dort entdeckte sie, nicht zu übersehen, einen schmalen goldenen Ring. Da war er übrigens seinem Geschmack treu geblieben, schmale goldene Ringe wollten sie beide haben, als sie noch geglaubt hatten, für immer auf eine gemeinsame Lebensreise zu gehen, als sie geglaubt hatten, mit ihrer Liebe alles überwinden zu können, als sie von Kindern geträumt hatten …
Julia schloss für einen Moment die Augen.
Ein Stückchen gemeinsame Reise hatte es gegeben, doch dann waren ihre Züge auseinandergedriftet, und es gab nicht einmal irgendwo auf einem Bahnhof einen gemeinsamen Halt.
Sie riss sich zusammen, weil sie sich nicht ewig stumm gegenüberstehen konnten.
»Daniel, weswegen bist du hier?«
Diese Frage schien ihn zu beruhigen, denn er atmete tief durch, und dann erzählte er ihr, dass die Redaktion ihn vorgeschickt hatte. Man wollte erneut einen Artikel über sie schreiben, diesmal allerdings einen langen Bericht. Und da er bereits den ersten Artikel geschrieben hatte, da sie sich kannten, war die Wahl auf ihn gefallen.
»Julia, bitte glaub mir, dass ich alles versucht habe, das zu verhindern, ich weiß doch, wie schäbig ich mich dir gegenüber benommen habe. Es tut mir leid, doch die verletzte Eitelkeit eines Mannes lässt ihn kopflos werden. Danke, dass du mich nicht sofort zurückschickst, dass du mit mir redest.«
Deswegen war er hier?
»Daniel, du weißt, dass ich nicht gern was über mich in der Zeitung lese …, im Gegensatz zu dir. Da hat sich offensichtlich etwas geändert, ich habe zufällig das mit der Preisverleihung gelesen, und ich habe das Bild gesehen von dir, dieser anderen Frau, mit der du offensichtlich mittlerweile verheiratet bist, Daniel«, sie deutete auf seinen Ehering, »herzlichen Glückwunsch, ich hoffe, du hast jetzt die Richtige gefunden. Mit dir und mir, das war …, das hat …«
Julia beendete ihren Satz nicht, winkte ab.
»Ach, was soll es, jetzt die ollen Kamellen hervorzukramen, wir haben unsere Beziehung krachend gegen die Wand gefahren, und ehrlich mal, du traust dich ganz schön etwas, hier aufzutauchen. Ich schiebe dir nicht die Schuld zu, dass unsere Beziehung gescheitert ist, unsere Interessen gingen einfach zu sehr auseinander, ich war mit dem Aufbau des Restaurants beschäftigt, dann kam dieses große Fest für das Tierheim hinzu, etwas, worin ich überhaupt keine Erfahrung in dieser Hinsicht hatte. Ich habe die geschäftlichen Belange vorangestellt und all die Warnsignale übersehen, und das tut mir wirklich sehr leid. Doch Daniel, auch wenn ich die meiste Schuld am Scheitern unserer Beziehung trage …, du hättest mit mir reden müssen und nicht einfach gehen. Es war sehr verletzend, nichts weiter als einen Zettel auf meinem Kopfkissen vorzufinden. Und ebenso verletzend