Der neue Sonnenwinkel Box 11 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Box 11 – Familienroman - Michaela Dornberg


Скачать книгу
umgehen, und das freute sie sehr. Jetzt konnte sie alles beiseiteschieben, was nicht so schön gewesen war und sich nur noch an die Zeit ihrer Liebe erinnern, und das war eine schöne Zeit gewesen.

      Sie blickte Tim an, ihr Herz wurde weit, sie wurde von einem Meer von Zärtlichkeit für ihn erfüllt. Sie wünschte sich geradezu inbrünstig, ihn niemals als einen Mann aus ihrer Vergangenheit erleben zu müssen. Sie brauchte ihn, er war ihre Gegenwart, ihre Zukunft, Tim war ihr Leben …

      *

      Noch befand sich das große kardiologische Zentrum in Hohenborn im Aufbau, und Konstantin von Cleven war noch nicht ständig anwesend. Roberta hätte nicht für möglich gehalten, dass sie anfangen würde ihn zu vermissen, wenn er nicht da war, wenn er sich nicht meldete.

      Was sollte das?

      Sie waren doch nur Freunde.

      Auf jeden Fall war sie sehr froh, gerade an seiner Seite um den See laufen zu können, nicht zu langsam, nicht zu schnell, genau in dem Tempo, das einem erlaubte, sich dabei unterhalten zu können. Und das taten sie. Konstantin hatte von den Arbeiten am Zentrum erzählt, was Roberta als Ärztin auch sehr interessierte, jetzt erkundigte er sich: »Wie fühlt es sich für dich an, zu wissen, dass die Tage von Frau Dr. Müller im Sonnenwinkel gezählt sind? Jetzt kommt sie ja nur noch, um sich zu verabschieden und letzte Dinge zu erledigen, und ihr wart ja wirklich ein so großartiges Team, das konnte man euch schon ansehen.«

      Das bestätigte Roberta sofort, weil es ja auch zutreffend war.

      »Weißt du, Konstantin, es wäre eine Lüge, wenn ich jetzt behaupten würde, dass es mir nichts ausmacht. Natürlich freue ich mich für Claire, sie und Piet van Beveren sind ein so großartiges Paar, sie lieben sich, es ist einfach nur schön, sie in ihrem Glück zu sehen. Das ist es, was die Trennung von Claire einfacher macht. Wir arbeiteten ja schon früher zusammen, und als ich sie zufällig traf, sie für die Praxis gewinnen konnte, da dachte ich schon, dass es diesmal eine lange Zusammenarbeit werden würde. Sie hatte eine unschöne Trennung hinter sich, ich hatte meinen Partner verloren, uns stand beiden nicht der Sinn danach, uns in ein neues Abenteuer zu stürzen. Das Schicksal mischt die Karten, hat mit uns seine eigenen Pläne. Claire hat es Piet auf den Wäg geschickt und dann noch einen draufgesetzt, indem es alles ­abbrennen ließ. Ohne dieses schreckliche Ereignis wäre Claire ja geblieben, auch als die Frau an seiner Seite. So kann ich verstehen, dass sie mit ihm geht. Ich würde es ebenfalls tun. Und ich will mich ja auch überhaupt nicht beklagen, es ist alles bestens organisiert. Leni Wendler wächst an ihren Aufgaben, sie nimmt mir immer mehr ab, und das kann sie dank ihrer Qualifikationen auch, und sie hat eine so wunderbare Art, mit den Patienten und Patientinnen umzugehen. Sie ist sehr beliebt. Und ich glaube, Ursel Hellenbrink ist ganz froh, in der Praxis wieder das Regiment übernehmen zu können. Sie und Leni verstehen sich gut, Ursel Hellenbrink hat sie ja auch in die Praxis gebracht. Aber so ist es ihr lieber.«

      Er blickte sie an.

      »Ist das auch der Grund für dich, keinen neuen Kollegen oder eine Kollegin einzustellen? Du bist sehr qualifiziert, in Fachkreisen als eine sehr kompetente Ärztin bekannt. Auch wenn der Sonnenwinkel vielleicht nicht nach jedermanns Geschmack ist, kann ich mir doch sehr gut vorstellen, dass man deinetwegen kommen würde, weil man unendlich viel von dir lernen kann.«

      Roberta antwortete nicht sofort, weil sie fasziniert einen Seeadler beobachtete, der kurz über dem Wasser kreiste, um dann mit kräftigem Flügelschlagen davonzufliegen. Hier und da erblickte man einen dieser wundervollen Vögel, die majestätisch und kraftvoll zugleich wirkten.

      Als der Adler nicht mehr zu sehen war, nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf.

      »Konstantin, ich bin eine Teamplayerin, als ich noch mit Max Steinfeld verheiratet war, beschäftigten wir mehrere Kolleginnen und Kollegen, und ehe ich zufällig Claire auf der Straße traf, weil es wohl so sein wollte, hatte ich einem Kollegen, der übrigens in Hohenborn in der Klinik arbeitet, ein Angebot gemacht. Glücklicherweise war er zögerlich, und dafür bin ich jetzt noch dankbar, einmal hätte es dann mit Claire nicht geklappt, andererseits ist mir klar geworden, dass es mit ihm und mir nicht funktioniert hätte. Die Praxis hier ist zu klein, um sich aus dem Weg gehen zu können, man ist auch auf eine enge Zusammenarbeit angewiesen, weil ich jetzt eine Allgemeinpraxis habe, in der man sich austauschen muss, auch mal Patienten des anderen übernimmt. Da muss die Chemie stimmen, und weil es zwischen Claire und mir so war, bin ich jetzt, wenn man so will, verdorben. Es ist gut, wie es jetzt ist.«

      »Aber für dich hat ein Tag auch nur vierundzwanzig Stunden, liebe Roberta«, erinnerte er sie. »Und jeder Mensch ist nur bis zu einem gewissen Punkt belastbar. Ich mache mir ernsthafte Sorgen um dich.«

      Sie blieb stehen, lächelte ihn an.

      »Danke, Konstantin, doch das musst du nicht. Ich weiß schon, was ich mir zumuten kann. Und ist es nicht so, dass man über sich hinauswachsen kann, wenn man etwas voller Begeisterung und Hingabe tut? Ich wollte immer schon Ärztin werden, und das habe ich niemals bereut. Mein Beruf erfüllt mich mit einer Leidenschaft, die niemals nachlässt, im Gegenteil, sie wird größer. Und dass ich die Praxis von Enno Riedel übernommen habe, den du ja auch noch kennst, das war die beste Entscheidung meines Lebens, das hatte einfach so kommen müssen. Ich bin angekommen in meinem Leben, ich lebe so gern hier. Wenn ich das Doktorhaus sehe, wird mein Herz ganz weit, und ich kann es manchmal noch immer nicht fassen, dass es mir gehört. Eines weiß ich gewiss, ich werde es niemals mehr verlassen, es sei denn …«, sie zögerte kurz, »wenn man mich mit den Füßen zuerst hinausträgt. Doch das, so hoffe ich, wird es so schnell nicht kommen …, doch man weiß ja nie …«

      Sie brach ihren Satz ab, für einen Augenblick herrschte zwischen ihnen Schweigen, doch das war nicht unangenehm, sie hingen einfach nur ihren Gedanken nach.

      Es war Konstantin, der irgendwann anfing mit leiser Stimme zu sprechen. »Du bist in Gedanken bei dem Mann, den du verloren hast, dessen Schicksal noch immer ungewiss ist.«

      Natürlich hatte Roberta ihm von Lars erzählt. Auch Konstantin war Arzt, dennoch sprach er von einem ungeklärten Schicksal, obwohl er doch wusste, dass Lars Magnusson tot war, in der Hölle des ewigen Eises überlebte niemand.

      Irgendwann bestätigte Roberta es leise.

      »Lars war ein so vitaler, ein lebenslustiger Mann, er war jemand, der sich insbesondere dort, wo das Schicksal ihn ereilte, auskannte wie in seiner Westentasche …, seinem Schicksal entrinnt keiner, und man weiß nicht, wann man an der Reihe ist.«

      Er umfasste sanft ihre Schulter, und das war ihr nicht unangenehm, Konstantin war ihr vertraut seit frühen Studentenzeiten, und wer weiß, wie es gekommen wäre, wenn …

      Sie brach diesen Gedanken ab, es war Vergangenheit, es war anders gekommen. Und wenn sie sich jetzt zufällig hier begegnet waren, so hatte das mit nichts etwas zu tun, zufällig! Mehr nicht! Man durfte nicht in alles etwas hineininterpretieren, es sei denn, man hieß zufälligerweise Nicki, die mit dem Begriff Vorbestimmung nur so um sich schmiss.

      »Roberta, ich bin für dich da, wenn du mich brauchst.«

      Er hätte diesem Satz gern noch weitere Worte hinzugefügt, doch das verkniff er sich. Er würde ihr so gern sagen, dass all seine Gefühle wieder da waren wie damals, als sie unbeschwerte Studenten gewesen waren. Er konnte froh sein, dass sie jetzt so entspannt miteinander umgehen konnten. Er konnte nur darauf hoffen, dass die Zeit es bringen würde, denn er liebte Roberta über alles und wünschte sich nichts mehr, als sie als die Frau an seiner Seite zu gewinnen.

      Doch sie hatte klare Grenzen gesetzt, und derzeit konnte er mit nichts auf der Welt gegen den übermächtigen Schatten dieses anderen Mannes ankommen, den sie noch immer über alles liebte, den sie nicht loslassen konnte oder wollte. Es spielte keine Rolle. Solange er da war, hatte er keine Chancen, und er konnte sich nur entscheiden zwischen zurückziehen oder den Kampf gegen diesen Schatten aufnehmen und solange die Ruhe zu bewahren.

      Er entschied sich für die zweite Möglichkeit, denn er wollte sie, die Zeit konnte ihm helfen, und die hatte er, denn die würde in Kürze richtig beginnen, nämlich dann, wenn er die Leitung des Zentrums für Kardiologie aufnahm.

      Konstantin


Скачать книгу