Der neue Sonnenwinkel Box 11 – Familienroman. Michaela Dornberg
nur die Absage, frühere Kollegen, mit denen ich mich ausgetauscht habe, die melden sich nicht mehr, sind nicht mehr erreichbar.«
»Weil sie sich vielleicht ins Privatleben zurückgezogen haben? Vielleicht, weil sie auf Reisen gehen, ihr Privatleben genießen? Für sie war es an der Zeit, sich zurückzuziehen.«
Er nickte. »Und ich tue es nicht, ich hänge an meinem alten Leben …, doch Inge, das ist das, was ich kann, was mich ausmacht. Ich weiß nicht, wie Privatleben und Familienleben gehen, das war für mich immer eine sehr angenehme Randerscheinung.«
Das also war es, Werner hatte Angst.
Angst davor, nicht mehr der bewunderte, verehrte Professor Auerbach zu sein, der sich im Licht seines Erfolges sonnte.
»Werner, lass dich doch von einer Absage nicht so niederziehen, und wen du nicht sofort erreichst, versuche es wieder oder schreib, hinterlasse eine Nachricht, interpretiere bloß jetzt nicht in alles etwas hinein. Du kannst dich noch immer vor Anfragen nicht retten, mehr als nur ein Verlag ist heiß darauf, von dir ein Manuskript in die Finger zu bekommen, und Werner«, ihre Stimme wurde leiser, »man kann alles lernen, auch Privatleben, und glaub mir, das ist ganz wundervoll und erfüllend.«
Er antwortete nicht darauf, sie wusste nicht einmal, ob er ihre Worte überhaupt wahrgenommen hatte. Inge war wirklich sehr besorgt, weil sie ihren selbstbewussten Werner so nicht kannte, Werner, der wie ein Häufchen Elend auf seinem Platz saß und die Welt nicht mehr verstand.
Als das Schweigen anfing sie zu belasten, erhob Inge sich, ging zu ihm, legte ihre Arme um ihn, drückte ihr Gesicht an seines. So verharrten sie eine ganze Weile, ehe sie ganz leise sagte: »Werner, wir sind gesund, wir haben uns, unsere Familie, das ist etwas, wofür wir dankbar sein müssen. Das ist es, was zählt, nicht das, was du bislang gelebt hast. Und wenn du magst, dann helfe ich dir bei deinen Schritten in ein Leben, das du noch nicht kennst …, nur am Rande erlebt hast. Und das tue ich von Herzen gern, weil ich dich liebe, vom ersten Augenblick an geliebt habe.«
Inges Worte hingen im Raum, berührten Werners Herz. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er, der ganze Säle begeistern konnte, etwas sagen konnte, und es war nicht viel, doch es kam vom Herzen.
»Danke, Inge, ich bin so froh, dich in meinem Leben zu haben, du bist ein Geschenk des Himmels.«
Nach diesen Worten war es erst einmal für eine ganze Weile still, denn Inge und Werner küssten sich. Innig und zärtlich wie schon lange nicht mehr. In diesem Augenblick war die Gegenwart ausgeschaltet, sie erlebten die Magie ihrer ersten Begegnung, aus der eine für das ganze Leben geworden war. Eines erfüllten Lebens, in dem es hier und da gehörig gekracht hatte, doch ihre Liebe war daran nicht zerbrochen, und das war ein gutes Zeichen dafür, dass sie jeden Sturm überdauern würde. Daran hatte Inge überhaupt keinen Zweifel. Und Werner? Für den war es schwieriger, denn der musste sein gekränktes Ego beruhigen und im wahren Leben ankommen, in dem man nicht für alles, was man tat, bewundert wurde und in dem man auch nicht fortwährend applaudierte. Es war ein schwerer Weg für den Herrn Professor Werner Auerbach, doch Inge würde alles tun, ihm zu helfen, denn bei all seinen Unzulänglichkeiten, die er vor sich hertrug, besaß Werner einen guten Kern. Er sorgte für seine Frau, wie er es stets für seine Kinder getan hatte, es für Pamela immer noch tat. Irgendwann würde er begreifen, was sie gerade versucht hatte, ihm zu erklären.
Sie schmiegte sich enger an ihn, sie waren sich so nahe, und das nicht nur körperlich, nein, ihre Herzen hatten eine gemeinsame Sprache.
*
Es war ja ein Abschied auf Raten gewesen, sie hatten sich darauf einstellen können, doch Roberta hätte niemals für möglich gehalten, dass der endgültige Abschied ihr so nahe gehen würde, und Claire ging es nicht anders.
Beide Frauen waren emotional sehr berührt, und das war etwas, was zunahm, je näher der Moment kam, in dem sich ihre Wege trennen würden.
Alma hatte sich von Claire verabschiedet, sie hatte sehr geweint, und auch Claires Augen waren nicht trocken geblieben, weil Alma die ganze Gefühlsskala rauf und runter gegangen war. Sie mochte die Frau Dr. Müller sehr, und wenn Alma jemanden mochte, dann musste sie es auch zeigen.
Danach hatte Alma sich diskret zurückgezogen, Roberta und Claire waren allein zurückgeblieben, und weil auch sie mit ihren Emotionen zu kämpfen hatten, unterhielten sie sich zunächst ganz unverfänglich über Allgemeines. Das konnte nicht anhalten, die Zeit eilte ihnen davon, und Claire musste noch an diesem Tag ihren Flieger erreichen, der sie zu Piet bringen würde, der bereits sehnsüchtig auf sie wartete.
Roberta lenkte das Gespräch auf das, was wichtig war, was ihr noch am Herzen lag. »Claire, ich werde dich sehr vermissen, wir zwei sind wirklich ein so gutes Team, das war damals so, und das hat sich hier im Sonnenwinkel ebenfalls gezeigt. Und in die Herzen der Patienten hast du dich ebenfalls geschlichen, nicht zu vergessen in die von Ursel und Leni, so bewegt wie bei eurem endgültigen Abschied habe ich die Damen noch nie zuvor erlebt, die zunächst doch eher einen kühlen, zurückhaltenden Eindruck machen.«
Claire bestätigte, wie nahe ihr der Abschied ebenfalls gegangen war.
»Weißt du, Roberta, ganz richtig kann ich noch immer nicht begreifen, was sich da gerade in meinem Leben abspielt, es überrollt mich ein wenig, zumal es ja auch alles ganz anders gekommen ist als ursprünglich geplant. Dieses Feuer hat nicht nur da oben alles zerstört, sondern es hat auch für uns alles zunichtegemacht. Ganz richtig kann ich noch immer nicht begreifen, was da geschehen ist. Was sind das bloß für Menschen, die eiskalt und skrupellos eine gesamte Anlage, die viele Millionen gekostet hat, zerstören. Nicht nur das, die in Kauf nehmen, dass der wirtschaftliche Aufschwung für eine ganze Region zunichtegemacht wird. Und was ich besonders schlimm finde ist, dass man bis heute den oder die Brandstifter nicht gefasst hat. Wie es scheint, werden diese Verbrecher ungeschoren davonkommen. Aber das ist auch egal«, Claires Stimme klang resigniert, »auch wenn man sie fasst und bestraft, ändert es nichts an der Tatsache, dass nichts als Trümmer zurückgeblieben sind. Piet gehört nicht zu den Menschen, für die eine Bestrafung eine Genugtuung ist, es macht ihn auch nicht glücklich.«
»Aber glücklich macht es ihn, dich in seinem Leben zu haben, Claire. Mit dir an seiner Seite lässt sich alles leichter ertragen.«
»Das sagt Piet mir auch immer wieder«, bestätigte Claire sofort, »doch ich fühle, wie tief Piet in seinem Inneren getroffen ist, und auch wenn es irgendwann verblasst, ein Stachel wird immer bleiben. Und es ist auch nicht damit getan, dass die Versicherung den entstandenen Schaden voll ersetzt. Geld ist nicht alles, Piet hatte eine Vision, und es hätte wirklich was richtig Gutes werden können. Doch die Leute sahen nur die Schönheitsklinik, das Hotel für die Schönen und Reichen und dazu all die Annehmlichkeiten wie halt Golfplatz, Tennisplätze und Spa. Es gab unzählige Voranmeldungen, hätte einen dicken Gewinn eingebracht. Leider hat niemand gesehen, dass dieser einem guten Zweck zugeflossen wäre, dass man damit vielen Menschen hätte helfen können.«
»Leider weiß niemand, welch caritative Ader dein Piet hat, Claire. Äußerlich wirkt er wie der coole Macher, der dynamisch mit seinem teuren Auto angebraust kommt, hier und da seine Anweisungen gibt und dann wieder davonfährt, um als Globalplayer weltweit mitzumischen.«
»Dabei ist Piet so ganz anders«, Claire bekam einen ganz verträumten Blick, »er ist großzügig, warmherzig, und das sage ich jetzt nicht, weil ich ihn liebe und, was ihn betrifft, einen verklärten Blick habe. Frag mal Teresa von Roth, die wird es bestätigen.«
»Hat sie schon, liebe Claire. Sie erzählt jedem, der es hören will oder nicht, was für ein wunderbarer Mensch Piet ist, und wenn jemand etwas Gegenteiliges behauptet, der bekommt ihre spitze Zunge zu spüren, ich finde es großartig, wie Teresa von Roth zu dem steht, wovon sie überzeugt ist. Und von deinem Piet finde ich es noch großartiger, dass er ihr diese Chance gibt. Etwas Besseres hätte er überhaupt nicht tun können, weil er sich auf Frau von Roth voll und ganz verlassen kann, und was noch wichtiger ist, sie mit ihrer ganzen Lebenserfahrung hat nicht nur den Durchblick, sondern sie kann auch als Schlichterin auftreten. Eine der Erzieherinnen dieses neuen Projekts, das ja in Kürze eröffnet wird, ist eine Patientin von mir, und du solltest sie mal hören, sie betet Teresa an und