Geist Gottes - Quelle des Lebens. Heinrich Christian Rust

Geist Gottes - Quelle des Lebens - Heinrich Christian Rust


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empfangen und konnte vielen Menschen und Gemeinden damit dienen. In den Toronto-Versammlungen waren die Offenbarungen bei mir nun verstärkt und außergewöhnlich klar. Ich erfuhr, wie Gott mir zum Teil sehr konkrete Einzelheiten über Menschen offenbarte, die ich niemals in meinem Leben zuvor gesehen hatte. Ich empfing klare Zusprüche und prophetische Worte, die ich weitergab und die in ihrer Wirkung und Treffsicherheit nicht nur die Empfänger verblüfften, sondern auch mich selbst. Schließlich erfuhr ich bei einem Segnungsgebet am eigenen Leib, wie der Geist Gottes mich in einer starken Kraft berührte und ich die körperliche Beherrschung verlor und zu Boden sank. In diesen Momenten erlebte ich einen ganz tiefen inneren Frieden und es umgab mich so etwas wie ein helles, wohltuendes, fließendes Licht. Es waren kurze, aber sehr schöne Augenblicke, an die ich mich heute noch gern erinnere. Wieder in Deutschland angekommen, berichtete ich von meinen Erfahrungen. Aber ich teilte auch die Auffassung, dass es sich bei den Toronto-Phänomenen nicht immer um vom Geist Gottes gewirkte Manifestationen handeln müsse. Bei all den ekstatischen Äußerungen war wohl auch viel Manipulatives und Menschliches im Spiel. Ich versuchte einerseits, die Kritiker der Toronto-Bewegung zu gewinnen, indem ich ihnen darlegte, wie auch die ekstatischen Erfahrungen hier und da vom Geist Gottes genutzt oder auch initiiert werden können. Es gab hierfür genügend Beispiele im AT oder ich erinnerte an Petrus, der betete und dabei in Ekstase war (Apg 10,10). Andererseits versuchte ich meine charismatischen Freunde zu besänftigen, die meinten, dass dieser „Toronto-Segen“ der Start für eine weltweite geistliche Erweckung sei. Nein, diese Auffassung konnte ich nicht teilen, zumal es doch sehr „menschelte“ in dieser Bewegung. Nach zum Teil heftigen Debatten und Urteilen ebbte diese Toronto-Welle wieder ab.

      Ich selber erfahre heute immer wieder einmal ähnliche ekstatische Augenblicke, wenn ich im Geist bete. Aber es sind nicht diese Phänomene, die ich suche, sondern ich suche meinen Herrn und Gott. Ich würde diese Erfahrungen auch niemals als den entscheidenden Schlüssel für einen geistlichen Aufbruch sehen.

      Der Toronto-Welle folgten noch andere Bewegungen des Heiligen Geistes. Da pilgerte schon bald die charismatische Jüngerschaft zur Brownsville Assembly of God in Pensacola im US-Staat Florida. Der Geist Gottes wirkte hier seit dem 18. Juni 1995 in einem kontinuierlichen starken missionarischen Aufbruch11. Tausende Menschen wurden vom Geist Gottes ergriffen und von Sünde überführt. Der Akzent in dieser Geistesbewegung lag auf der Buße. Zwar gab es auch hier und da ekstatische Erfahrungen, sie standen aber keineswegs im Mittelpunkt. Vielmehr war das Wirken des Geistes in der Pensacola-Bewegung an einzelne Verkündiger (Steve Hill, John A. Kilpatrick u. a.) geknüpft. Als ich wenige Jahre später Pensacola besuchte, war es um diese starke Bußbewegung sehr ruhig geworden. Ich fragte den Taxifahrer, der mich zur Erweckungsveranstaltung fuhr, wie sich denn dieser starke geistliche Aufbruch in der Stadt niedergeschlagen habe. Er schaute mich verdutzt an und fragte mich zurück, von welchem Aufbruch ich denn sprechen würde, er hätte davon noch nichts gehört. Nach wenigen Jahren des Aufbruchs in dieser Gemeinde erlebte ich nun Gottesdienste, die von einer eher klassischen pfingstlich-spirituellen Kultur geprägt waren. Im Anschluss an die Veranstaltungen sprach ich mit geistlichen Vätern und Müttern der Brownsville-Assembly-of-God-Gemeinde, die mir unter Tränen mitteilten, wie viele Fragen sie umtrieben. War es wirklich alles so vom Geist Gottes gewollt und initiiert? Niemals werde ich diese fragenden und enttäuschten Gesichter der Frauen und Männer vergessen, die über viele Jahre diese Gemeinde begleitet und geleitet haben. Hatte diese Erweckungswelle auch Schaden angerichtet?

      Immer, wenn in der Folgezeit von einer neuen „Welle des Geistes“ die Rede war, hörte ich deshalb nicht nur mit Freude und einer inneren Hoffnung zu, sondern auch mit Skepsis. Da wurden wir von unseren Mitchristen in Uganda aufgefordert, eine starke Freisetzung des Geistes durch das Gebet zu bewirken. Da riefen uns geistliche Leiter aus Kanada auf, die Generationen in einer neuen Väterbewegung zusammenzubringen. Da legten wir immer wieder die „Kronen des konfessionellen Stolzes“ vor dem Thron des Lammes Gottes nieder und erhofften so einen neuen Durchbruch zu einer geistlichen Einheit. Wir bekannten ungezählte Male unsere nationale Schuld, die wir gegenüber dem Volk der Juden auf uns geladen haben, gingen Wege der Versöhnung und suchten die Gemeinschaft mit der immer stärker werdenden Gruppe der messianischen Juden. Wir reichten uns im ökumenischen Chor neu die Hände und sind nun „Miteinander für Europa“ unterwegs. Doch die Kraft der geistlichen Erneuerung, der Geist des Aufbruchs, wich immer mehr einem Lazarettdenken. Das Lamento über den beklagenswerten Zustand von Kirchen und Freikirchen, immer noch steigenden Austrittszahlen und zahme neue charismatische Gemeinden und Gemeinschaften konnten die vielen dunklen Wolken am Himmel Gottes nicht vertreiben.

      Hier und da entdecken wir ein blaues Loch und ein Sonnenstrahl der Herrlichkeit Gottes erwärmt uns – und schon pilgern alle wieder hin zu diesem Sonneneinfall, um zu partizipieren, um zu lernen, um ihn „mitzunehmen“. Doch was tut sich wirklich in der geistlichen Welt? Ich kann inzwischen jene Mitchristen gut verstehen, die es leid sind, auf immer neue Wellen des Geistes zu achten; die kein Interesse mehr daran haben, immer neu auf die schon lang verheißene geistliche Erweckung im Land zu hoffen. Da helfen dann auch keine noch so profilierten prophetischen Worte. Ist die charismatische Bewegung am Ende? Die Zahl derer, die sich mehr oder weniger frustriert von ihren Gemeinden verabschieden, nimmt zu.12 Der Weg zurück in die verfassten Kirchen und Freikirchen wird jedoch nur selten gefunden. Unzählige bleiben auf der Strecke, formieren sich in kleinen Gemeinschaften oder auch in Hauskirchen. Andere zählen sich zu den „entkirchlichten Christen“ und erklären das bestehende Gemeinde- und Kirchensystem für ein gescheitertes Modell.13 Haben die charismatischen Erneuerungsbewegungen in den verfassten Kirchen und Freikirchen, die starken geistlichen Aufbrüche der vergangenen 50 Jahre ihre Blütezeit schon hinter sich? Müssen wir von einer „postcharismatischen Depression“14 reden? Wo ist die Kraft, die Dynamik, die einst diese Bewegungen geprägt hat? Ich frage mich: Warum haben diese Wellen des Geistes nicht zu einer umfassenden Neubelebung unserer Kirchen beigetragen? Oder war das womöglich gar nicht das Hauptziel, das der Geist Gottes mit dem neuen Pfingsten hatte? Es ist unbestritten, dass die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen starken Niederschlag in der weltweiten Pfingstbewegung und in ihren kirchlichen Gruppierungen gefunden hat. Ebenso haben auch die charismatischen Erneuerungsbewegungen ihren positiven Beitrag zur Belebung der bestehenden Kirchen geleistet. Die pfingstlich-charismatische Bewegung zählt zu den stärksten christlichen Reformbewegungen, die wir in der Welt wahrnehmen können. Etwa 730 Millionen Christen sind davon in den Pfingstkirchen, in den Erneuerungsbewegungen innerhalb der bestehenden traditionellen Kirchen und Freikirchen sowie in den neuen charismatischen Gemeinden und Gemeinschaften erfasst.15 Und so beschäftigt mich die Frage: Ist damit das Ziel dieser neuen Ausgießung des Geistes Gottes erreicht? Haben wir die Impulse, die der Geist Gottes setzen wollte, wirklich verstanden und erfasst? War es nicht derselbe Geist Gottes, der parallel auch andere Reformbewegungen auslöste? War es nicht derselbe Geist Gottes, der die Sicht für die Weltmission am Ende des 18. Jahrhunderts neu bewirkte? Man denke nur an Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf und die Herrnhuter Bewegung16; man denke an die großen Weltmissionskonferenzen17, die zeitgleich mit dem Aufbruch der Pfingstbewegungen ihren Lauf nahmen. Sind nicht die Reformbewegungen des Pietismus des 18. und 19. Jahrhunderts, die Erweckungs- und Gemeinschaftsbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts ebenso Wirkungen des Heiligen Geistes?18 Wie verhalten sich diese Bewegungen zum pfingstlich-charismatischen Aufbruch der letzten 100 Jahre? Ist der Geist Gottes ein Geist der Mission, der uns hier neu ergreifen will? Ist es der Geist Gottes, der zeitgleich ein neues Bewusstsein für die Einheit der Kinder Gottes schafft und die Einheitsbewegungen der Ökumene19 und der Evangelischen Allianz20 auslöste? Wie steht es um die Einheit der Christen heute? Ist es der Geist Gottes, der das auserwählte Volk der Juden zurückführt in das Land Israel und somit sammelt und eint? Wie steht es um die Einheit des Gottesvolkes der Juden und des dazugenommenen Gottesvolkes aus den Nationen? Ist es der Geist Gottes, der als Geist der Erbarmung, als Geist der Gerechtigkeit und Freiheit hinter den Befreiungsbewegungen steht, die sich zum Teil in der Befreiungstheologie21 oder auch der feministischen Theologie22 äußern? Warum geschieht es, dass sich die Vertreter dieser unterschiedlichen Bewegungen zum Teil bitterlich bekämpfen und behindern, wenn der Geist Gottes hier initiativ ist? Warum isolieren sich die einzelnen Bewegungen und erstarren in ihren dogmatischen Wahrheiten und Überzeugungen? Warum wird diese gebeutelte


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