PLATON SIEHT CHEMTRAILS. Kristjan Knall

PLATON SIEHT CHEMTRAILS - Kristjan Knall


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ignoriere die Scheißer.

      »Was ist denn ›Excrementum caninum‹ sonst?«

      Ihre Pupillen schlagen panisch von rechts nach links aus und versuchen aus dem Kopf zu fliehen. Würde ich genau so machen.

      »Und wenn ab und zu ein Dutzend stirbt, wie mehrere Patienten nach einer Behandlung in einem alternativen Krebszentrum am Niederrhein, waren es ein trauriger Einzellfall, kein wahnsinniges System?8 Als wenn ein Deutscher mit einem Dachboden voll Gewehre nur ein ›Waffennarr‹ ist, ein Moslem aber schon bei einem Klappmesser ein Terrorist?«

      »Komm mal runter, ey, du redest viel zu schnell.«

      »Ach, macht der Rhythmus jetzt die Musik? Wie genau soll ich dir den vorsingen, dass du nur Blech erzählst? Wäre eine Arie genehm?«

      Sie rollt in bester Britney-Spears-Manier mit den Augen.

      »Und das ist nur die Angebotsseite, wie der gute Kapitalist es sagen würde.«

      »Kapitalismus ist schlimm!«

      »Genau, warum machst du dann mit? Deine Kritik ist so flach, dass sich Marx nicht mal mehr darin ertränken könnte. Auf der Nachfrageseite herrscht ebenso viel Unwissenheit. Wenn man sich mit bockigen privaten Krankenversicherungen herumschlagen muss, ist es kein Wunder, dass man das billigste Medikament sucht. Und was ist schon billiger, als ein Placebo? Die Wirtschaft optimiert die Medizin nicht, sondern macht sie zu Schamanismus. Du bist nichts als eine moderne Schamanin.«

      »Ja und, wir haben zu wenig Gefühl in der Welt! Der Mensch zählt!«

      »Ja, du laufendes Drama, aber Gefühl bedeutet nicht blinde Affirmation! Die Esoteriklehre von Heilpraktikertum bis Homöopathie sagt: Du hast Krebs? Selbst schuld, würdest du mal eine bessere Lebenseinstellung gehabt haben oder wirklich dran glauben, dass die potenzierte Hundescheiße hilft, wäre das nicht passiert. Du Wurm. Smile or Die.«9

      »Das ist jetzt aber übertrieben.«

      »Ja? Ist alles übertrieben, was nicht die Norm ist? Wo setzt man denn da an? Ist es nicht übertrieben, Menschen falsche Hoffnungen zu geben, sich dafür aus Staatsmitteln bezahlen zu lassen, nur damit sie Hundescheiße fressen und verrecken können?«

      »So kann man das nicht sagen.«

      »Nein? Was habe ich dann gerade getan? Schlechtes Juju heraufbeschworen? Kennst du ›Smile or Die‹? Dachte ich mir. Frustrierend akkurat, aber gibt es leider nicht als YouTube-Video oder ›für Dummies‹. Da beschreibt die Kolumnistin Barbara Ehrenfeld, wie der Zwang zum Fröhlichsein uns verdummt. Besonders in den Vereinigten Staaten, aber auch hier.«

      »Das ist doch völlig wirr! Was hat das mit Verschwörungstheorien zu tun?«

      »Eine ganze Menge. Nur, weil du nicht folgen kannst, heißt es nicht, dass es keinen Sinn hat. Newsflash, du bist nicht klüger als eine der berühmtesten Kolumnistinnen Amerikas. Verschwörungen sind auch Wirtschaft. Max Weber, der alte Grantler, beschrieb eindrücklich, wie der Kapitalismus aus den freudlosen Calvinisten hervorging. Freude war für den guten Kapitalisten kein Maßstab, als ich noch die Kinder durch die Kohleminen kriechen sah.«

      »So alt bist du nun auch wieder nicht!«

      »Hast du eine Ahnung. Erst als die überdrehte Konsumgesellschaft im zwanzigsten Jahrhundert aus den Trümmern der Industrieproduktion auftauchte, war Freude auf einmal das Nonplusultra. Mit nichts kann man besser verdienen. Auch wenn man sein Unternehmen anpreist, muss man immer in den höchsten Tönen lügen. Smile or Be Bankrupt.«

      »Ja also, Kapitalismus eben.«

      »Schön, dass du das Wort kennst. Der erste Grundsatz der Rhetorik: Redundanz macht Argumente sinnvoller. Macht Argumente sinnvoller. SINNVOLLER.« Ich zappele mit der herausgestreckten Zunge und genieße den Bastard aus Trotz, Ekel und Angst, der über ihr Gesicht huscht.

      »Wenn also nicht nur Gier und Ruchlosigkeit in der Gesellschaft propagiert werden, sondern auch zwanghafte Fröhlichkeit, nimmt sich dies das verarmte und vergessene Individuum natürlich zu Herzen. Die Rhetorik ist: Sei glücklich, dann wirst du reich. Oder eben ›die trying‹.« Ich lege den Ring über den Zeigefinger und schenke wissend ein »West-Side«. »Der Soziologe William H. Whyte sah darin eine ›geistestötende Kollektivierung, ähnlich wie in der Sowjetunion‹, und das schon 1956.«

      »Schön für dich, Fifty. Aber ich sehe immer noch nicht, was das mit mir zu tun hat.«

      »Dein Heilpraktikerismus ist Optimismusquacksalberei. Wer zu blöd ist, da selber drauf zu kommen, kann zum Glück jetzt Studien dazu einsehen.10 Nach Operationen gibt es keinen Unterschied, ob du glaubst, nach einem Tag wieder laufen (oder fliegen) zu können. Ganz im Gegenteil, (negative) Realisten packen Probleme eher an. Ebenso, wie Studien belegen, dass Religion die Menschen nicht netter, sondern erbarmungsloser macht, ist die zwanghaft positive Autosuggestion schlicht und einfach ein Zeichen von Schwäche.«11

      »Glaube ich nicht!«

      »If you believe in something that is not proven you do not improve. Schwäche an sich ist kein Problem, wenn man sie zugibt. Sich von Leuten beraten lässt, die wirklich helfen könnten. Aber wenn man nicht die Anstrengung aufbringen will, sich zu bessern, sondern die Abkürzung über Wahrsager sucht, dann geschieht es einem recht, wenn man die volle Packung Unglück serviert bekommt. Du schickst dich sogar an, einer dieser Wahrsager zu werden!«

      »Hast du mal mit Leuten Musik gemacht?«

      »Was? Was ist das für …«

      »Halt die Fresse, antworte!«

      »Ja«, antworte ich genervt und versuche, die Widersprüchlichkeit zu ignorieren.

      »In einer Gruppe?«

      »Ja.«

      Sie ist erstaunt. Du-warst-nicht-Bundeskanzler-also-kannst-du-den-Bundeskanzler-nicht-kritisieren läuft wohl nicht. »Hast du nicht gefühlt, dass da was Größeres ist, zwischen euch? Man kann nicht alles mit der Wissenschaft erklären!«

      »You don’t know what it’s like? Natürlich. Das lässt sich auch mit der Messung der Gehirnströme feststellen. Viele Musiker agieren wie ein großes Bewusstsein. Wir wissen bis heute fuck all, was Bewusstsein überhaupt ist oder ob es existiert. Das beweist aber nicht, dass die Wissenschaft falsch ist. Dass unser Gehirn aber das einzige Organ ist, das nicht auf Autopilot fliegen soll, legt zumindest nahe, dass Verschwörungstheorien eine Art eingebauter Bug sind. Oder, dass unser Bewusstsein eine Illusion ist. Klar kann man deswegen wimmern, dass man nicht anders kann. Das ist aber auch nicht mehr als das You-Don’t-Know-What-It’s-Like: ein Fatalismus-Fehlschluss. Nur weil du manchmal auf deine eigene Mechanik reinfällst, heißt das nicht, dass Denken unmöglich ist.«

      »Oder die Schwarzen Löcher! Die kann keiner erklären. Ich meine ja nur, die Wissenschaft ist auch nur ein Glaube.«

      »Nur weil wir nicht alles beweisen können, heißt das nicht, dass nichts stimmt. Das ist ein Denkfehler, das ›Versetzen des Zaunpfahls‹! Nimm den am besten mal aus deinem Auge! Wissenschaft ist eben nicht das Gleiche wie ausgedachte Märchen. Sonst könntest du alles mit dem Islam begründen. Was genau haben Märchen uns denn außer gesellschaftlichen (meinst schlechten) Veränderungen gebracht? Historisch exakt nichts!«

      »Aber das weißt du ja gar nicht! Vielleicht existiert die freie Energie ja!«

      »Natürlich, und die Zeitreisemaschine, Beamen und ein Echsenmenschenbordell exakt unter uns. Hör mal, Einsteinin, du siehst die ganze Geschichte vor dir und kein einziges Ereignis, in dem sich eine unwissenschaftliche Verschwörung als wahr heraus gestellt hat. Du nimmst aber an, du weißt es besser. Genau wie Religiöse. Wenn Gott nicht im Wald lebt, lebt er in den Wolken, im Schwarzen Loch. Du meinst, du bist klüger als alle Wissenschaftler und Historiker die leben und je gelebt haben?«

      »Naja, so kann man das …«

      »Und trotz zweihundert Jahren Homöopathieforschung, in der absolut nichts herausgekommen ist, glaubst du immer noch daran?«


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