PLATON SIEHT CHEMTRAILS. Kristjan Knall

PLATON SIEHT CHEMTRAILS - Kristjan Knall


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und geistige Benommenheit? Ein Mittel, das gegen Tod und Kater wirkt?«

      »Nein …«

      »Siehst du? Emotion ist nicht gleich ein Freibrief für Schwachsinn. Gelb als Farbe schön zu finden ist eine Emotion, zu behaupten, alle Simpsons seien gelb, eine Idiotie. Es gibt ja schließlich Apu Nahasapeemapetilon. Verschwörungstheoretiker sind emotionale Terroristen.«

      »Aber was bleibt dann noch?«

      »Viele Menschen scheinen Angst zu haben, dass sie zu unwichtig werden. Und sie haben recht. Du bist nichts. Kein Arsch interessiert sich für dich, außer wenn du ausbeutbar bist. Und das bist du immer weniger. Deine Grenzkosten steigen. Die Weltwirtschaft spekuliert mittlerweile nur noch mit unnahbaren Zahlen, niemand braucht den Bäckermeister oder den Klempner noch.«

      »Zumindest niemand, der Geld machen will!«

      »Meine Güte, du gehst ja ab, richtig! Und die meisten Menschen, so hart es klingt, gehören auf das Abstellgleis.«

      »Nee, also das geht gar nicht …«

      »Auf ein gut mit Grundeinkommen abgesichertes Abstellgleis, wo sie das machen können, wozu sie eigentlich arbeiten: Leben.«

      »Achso. Dann doch.«

      »Die Menschen haben Angst, dass die Computer alles besser können. Und es stimmt. Egal, ob sich den Kalendereintrag merken, unser Auto fahren …«

      »Aber die Kunst bleibt menschlich!«

      »Quatsch, Bots können schon lange malen, sodass man den Unterschied zu großen Meistern nicht mehr erkennt (wenn man den je von Kopien unterscheiden konnte), Romane schreiben oder eine Symphonie in c-Moll komponieren.21 Für die Generation YouTube: Sieh dir mal ›Humans need not apply‹ an.«

      Sie holt ihr Handy raus.

      »Nicht jetzt! Und ja, das kann unheimlich sein. Wer weiß, was kommt? Werden die Computer, wenn die künstliche Intelligenz übernimmt, so nett sein, wie wir zu den Tieren bis jetzt? Dann wäre Selbstmord komfortabler. Wir können nur hoffen, dass sie uns in einen schönen Zoo stecken und nicht in die Wurstfabrik. Oder macht Demokratie noch Sinn, wenn die besseren Entscheidungen schon lange von Algorithmen getroffen werden? Wären wir nicht in einer Diktatur der Algorithmen besser dran? Das alles kann man diskutieren, was man aber nicht kann, ist es wegirrationalisieren.«

      »Jetzt bist du der Nazi!«

      »Was? Wieso macht Fragen stellen denn jetzt Faschismus? Irrationalismus und Verschwörungstheorien zu folgen ist das Gleiche, wie auf der sinkenden Titanic noch Geige spielen lernen zu wollen. Dein Aberglaube und krampfhaft positives Denken wird dich nicht retten. Selbst wenn die Erde flach wäre, wärst du immer noch unwichtig. Selbst wenn Homöopathie helfen würde, würdest du eben nicht mit sechzig an Krebs sterben, weil du nur Zucker und Fett frisst, sondern mit achtzig. Weil Milliarden Menschen so denken wie du und ihr die Algorithmen noch nicht darauf angesetzt habt, den Tod zu bekämpfen. Du bist keine Schneeflocke, nur weil du Schwachsinn erzählst. Jeder kann das. Menschen haben das über Jahrtausende getan, es nennt sich Christentum, Feudalismus, chinesisch übersetzte Gebrauchsanweisungen für Videorekorder, mit ganz viel ›Rundkugeln‹ und ›Kirschblüten‹. Sieh dir an, was daraus geworden ist. Ich war dabei, es war keine schöne Zeit. Schon immer galt, dass das einzig Beständige in der Geschichte der Wandel ist. Und wer sich nicht wandelt, geht unter. Vor allem nervst du die Leute, die versuchen, sich von der Titanic zu retten. Du quietschst mit der Geige herum, anstatt es denen zu überlassen, die es wirklich können. Romanautoren, Regisseuren oder Kindergärtnern.«

      »Aber was ist mit der Fantasie?«

      »Wenn du meinst, Fantasie zu haben, dann mach Kunst. Behaupte nicht, irgendeine verschwörungstheoretische Wahrheit gefunden zu haben. Wenn dir Unterhaltung oder Schönheit nicht genug ist, sind deine Ansprüche an Fantasie vielleicht zu hoch. Ich habe über Jahrtausende gesehen, wie Menschen an Idiotie gestorben sind. Aber im Mittelalter hattest du auch nicht viel Auswahl. Dein ganzes Leben spielte sich in einem Umkreis von dreißig Kilometern ab, du konntest nicht lesen und hattest Glück, wenn du nicht von deinen Verwandten oder dem Priester so windelweich gevögelt wurdest, dass dir das Gehirn zu den Ohren herauslief. Aber heute hat jeder die Möglichkeit, Unsinn sofort zu überprüfen.«

      »Aber das Internet vereinsamt uns doch voll. Stichwort: Echokammer.«

      »Schön, das hast du wahrscheinlich im Focus gelesen? Was noch, das Internet ist ein modernes Höhlengleichnis? Im Gegensatz zu der vulgärkonservativen Meinung ist das Internet keine Echokammer. Studien zeigen, dass man dort um einiges wahrscheinlicher mit anderen Meinungen als der eigenen konfrontiert wird.22 Kurz, das Internet macht dich klüger. Es kann dich klüger machen. Es sei denn, du spielst nur Minecraft und hängst auf Chemtrail-Foren ab.«

      »Was?« Sie schaut vom Handy auf. »Sorry, ich muss das hier gerade machen, ganz kurz.«

      Eine Minute vergeht. Zwei. Drei.

      »Sorry, bin gleich fertig.«

      Noch drei Minuten vergehen. Ich höre das konstante Eingehen der Nachrichten, laut und mit voreingestellten Klingeltönen, den Ritterschlag der zukünftigen Nobelpreisträger. So kann man Probleme natürlich auch aussitzen.

      »Gratulation zu deinen Prioritäten.«

      »Boah, weißt du was, du redest immer!«

      »Sollten wir eine WhatsApp-Gruppe gründen?«

      »Du widersprichst immer!«

      »Was soll ich denn darauf antworten können?«

      »Du hinterfragst immer alles!«

      »Und das ist schlecht? Das ist das Gegenteil von glauben.«

      »An irgendwas musst du doch glauben!«

      »Was?«

      Sie zuckt nicht mit der Wimper.

      »Da machst du eine ontologische Frage zu einer ethischen.«

      Sie zuckt mit der Wimper, sagt aber nichts.

      »Was hat eine Frage danach, wie die Welt beschaffen ist, mit dem zu tun, was man tun soll? Ob es Moral aufgrund von Fakten geben kann? Soll ich mich, weil ich weiß, dass es schwarze Löcher gibt, mit Foie Gras einreiben? Wo besteht denn da der Zusammenhang? Ich sage nur, dass, weil wir keine andere Welt haben, wir mit ihr arbeiten sollten, statt mit Märchen.«

      »An irgendwas musst du doch glauben! So ganz tief in dir drin, du musst doch Hoffnung haben.«

      »Ach du meine Güte, wo bleiben die Streicher? Nein, muss ich nicht. Um die zehn Prozent der Bevölkerung sind Atheisten, das sind fünfhundert bis siebenhundertfünfzig Millionen Menschen. Und mindestens eine chinesische Großstadt besteht sicher aus Nihilisten. Haben die eine niedrigere Lebenserwartung? Im Gegenteil.23 Aber es sagt mehr über dich aus, wenn du mir das vorwirfst. Du hast ganz einfach nicht die Chuzpe, eine Welt ohne Ersatzgötter auszuhalten.«

      »Ersatzgötter?«

      »Homöopathie, Flat-Earther, Verschwörungstheorien. Du willst unbewusst nur, dass die Welt nicht mehr so schrecklich kompliziert ist. Das ist menschlich. Wir alle wollen kategorisieren. Aber dabei von Fakten zu Märchen zu schlittern, ist idiotisch.«

      »Ihr immer mit euren Kategorien! Die Welt ist bunt und divers und das ist auch gut so! Das könnt ihr einfach nicht ab!«

      »Wo ist denn das ein Gegensatz? Für jede Unter- und Entscheidung brauchst du eine Kategorie. Falsch oder richtig geschrieben bei deinem Hasspamphlet. Nuklearer Holocaust oder Gewitter für den Spaziergang. Käselust oder keine Käselust für die Stulle …

      Du bist doch voll auf Käsomorphin!« Da ist er wieder, der Veganer.

      »Was?«, fragt sie.

      »Ein Morphin im Käse, dass durch deine Blut-Hirn-Schranke geht, dich schlapp und stullig werden lässt und dir Käse-Cold-Turkey nachschiebt!«24

      »Allerdings«, sage ich. »Und was soll bitte


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