Option Färöer - Ein Färöer-Krimi. Jógvan Isaksen

Option Färöer - Ein Färöer-Krimi - Jógvan Isaksen


Скачать книгу
ich aß, blätterte ich die Zeitungen durch und hörte die Nachrichten im Radio. Alles war wie gehabt, Zeitungen wie Rundfunk.

      Nach den Nachrichten, als die Musik wieder das fast vollständig besetzte Lokal durchströmte, schaute ich mich diesseits und jenseits des Fensters ein wenig um. Um diese Zeit gab es draußen nicht besonders viel zu sehen und in der Konditorei gehörten die meisten Gesichter zu Stammgästen, die hier regelmäßig verkehrten.

      Ein paar ältere Männer, die sich jeden Tag in der Mittagspause trafen. Geschäftsleute und Unternehmer, die einander schnell über irgendetwas informieren mussten, bevor das nächste Treffen von Rotary oder Lions stattfand. Alle trugen sie graue Anzüge; die Grauschattierung der Anzüge wechselte mit den Jahreszeiten. Goldene Abzeichen blinkten auf den Revers.

      Und dann waren da die Junggesellen, von den Dreißigern aufwärts bis ins Pensionsalter. Sie waren nicht so gut gekleidet wie die Direktoren, trugen oft ihre Arbeitskleidung, aber einige auch Anzüge, die jedoch selten frisch gebügelt waren. Wenn man diese Herren näher betrachtete, wurde deutlich, dass das Hemd auch nicht den ersten Tag in Gebrauch war.

      Einige verheiratete Männer im besten Alter wurden während der Mittagspause ebenfalls regelmäßig in der Konditorei gesehen. Das waren Männer, denen nicht im Traum einfallen würde, ihre Frauen irgendetwas zu fragen oder ihnen irgendetwas zu erzählen. Sie taten, was sie wollten. Sie waren nach der letzten Mode gekleidet, und wenn man unter die Tische guckte, konnte man feststellen, dass ihre Schuhe frisch geputzt waren. Sie dachten nicht an ihre Ehefrau, sondern an das Mädchen, das sie als Nächstes verführen wollten. Diese Männer waren oftmals Vertreter, Handelsreisende oder Geschäftsleute, die mit dem Allerneuesten vom Neuen handelten. Sie blieben nur selten lange an einem Ort, lebten ein abwechslungsreiches Leben, und es schien immer, als würden sie ökonomisch keine Sorgen haben.

      Abgesehen von den Kellnerinnen waren fast keine Frauen zu sehen. Ausgenommen eine Gruppe Schulmädchen und hier und da eine Frau, die von einem der männlichen Gäste mitgebracht worden war. In der Mittagspause waren die Männer absolut in der Überzahl. Zu anderen Tageszeiten war es gerechter verteilt.

      »Was starrst du denn so vor dich hin?«, donnerte ein Orkan von einer Stimme über meinem Kopf, und als ich gleichzeitig einen kräftigen Schlag auf die Schulter bekam, hatte ich keinen Zweifel mehr, wer der Neuankömmling war.

      Es war Haraldur, der Wirt des Eyskarið, der im blauen Overall dastand und auf mich herabschaute. Er war ein breitschultriger, kräftiger Mann von Ende vierzig mit einem rotbäckigen Gesicht und Augen, die wie gefrorenes Wasser funkelten. Dunkles Haar und ein Bart, in dem einzelne graue Haare zu finden waren, umrahmten sein Gesicht.

      »Ich suche Antwort auf die tiefsten Geheimnisse des Lebens«, erklärte ich ironisch.

      »Na, dann bist du hier ja an der richtigen Stelle«, nickte Haraldur und ließ sich von oben auf einen Stuhl fallen.

      »Die Konditorei bietet dir ein komplettes Abbild des Lebens, dargestellt als eine eintönige Wüstendurchquerung, bei der sich wie die Jahreszeiten alles wiederholt.«

      Ich warf ihm einen Blick über den Tisch zu. Er kugelte sich vor Lachen.

      »So drückt ihr Journalisten euch doch immer aus, wenn ihr einen Leitartikel schreibt, oder?« Er erstickte fast an seinem Lachen.

      Ich antwortete nicht, schaute nur auf die Sverrisgøta hinaus. Keine Menschenseele.

      »Immer mit der Ruhe, nun sei mal nicht beleidigt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, deine Frau hat dich verprügelt. Aber Duruta ist immer noch in Dänemark, oder?«

      Ich nickte. Ja, Duruta war in Dänemark und das ließ meine Laune nicht gerade besser werden. Duruta und ich waren seit ein paar Monaten zusammen und jetzt machte sie einen Kursus an der Polizeischule in Kopenhagen. Sie war nämlich Polizistin. Sie würde erst zu Weihnachten wieder zurückkommen.

      »Hast du nichts anderes im Kopf als Selbstmitleid?« Haraldurs Stimme klang immer noch spöttisch, aber ich hörte eine Spur Ungeduld heraus.

      »Ich denke nicht an Duruta. Und was das Selbstmitleid angeht, so solltest du mich besser kennen.«

      »Ja, ja. Aber wie du hier sitzt, siehst du aus wie ein zerlegter Dorsch mit Seeteufelvisage, also muss was los sein.«

      »Ich weiß nicht. Vielleicht ist es das Wetter ... Und dann die Sache mit Páll Hansen. Ich war bei seiner Witwe, aber da habe ich nichts rausgekriegt. Heulen und Zähneklappern. Doch, etwas habe ich erfahren. Páll hat eine Zeit lang für Gaia International gearbeitet, aber das hat sicher nichts mit seinem Tod zu tun.«

      »Nee, sicher nicht«, stimmte Haraldur geistesabwesend zu.

      »Weißt du was über Gaia International?«, fragte ich.

      »Wie bitte, über Gaia?« Haraldur warf den Kopf nach hinten und war wieder voll da. »Nein, nicht viel. Es stand damals eine ganze Menge in der Zeitung, aber ich habe nicht alles gelesen. Wenn man so blöd und gierig ist, in ein Schiff zu investieren, nur um Steuern zu sparen, darf man meinetwegen gern Bankrott gehen. Das nenne ich selbst schuld.«

      »Und was ist mit den staatlichen Zuschüssen? Schließlich müssen du und ich dafür geradestehen.«

      »Ja, aber ist es nicht immer so? Ich meine, wenn es um Bestechung und Vetternwirtschaft geht, da könnten unsere Politiker noch die sizilianische Mafia beraten.« Haraldur breitete die Arme aus, als wolle er das ganze Lokal umarmen. »Aber weißt du was, lass uns zum Fischen rausfahren. In anderthalb Stunden ist Gezeitenwechsel. Wenn wir wollen, dann jetzt.«

      3

      »Verflucht, du fasst den Fisch an, als wäre er eine kränkelnde Jungfrau.« Haraldur klemmte seine Angel fest und nahm mir den Schellfisch ab. »Hier, so geht das!«

      Er griff mit einem Finger ins Auge, mit dem anderen hinter die Kiemen und dann schnitt er. Er machte das mit einer einzigen Handbewegung, dann warf er den Fisch zu den etwa zwanzig Dorschen und Schellfischen, die wir bereits gefangen hatten. Ein Lengfisch befand sich auch in dem Haufen.

      Wir hatten verschiedene Stellen ausprobiert. Wir waren bei Borðan gewesen, um einen Platz zwischen Holið und Kirkjubønes zu finden, doch die Ausbeute war mager. Nur zwei Fische unter der Mindestgröße, die wir wieder ins Wasser warfen; das war alles. Dieser großartige Fang kostete uns zwei Haken, die an dem schorfigen Meeresboden hängen geblieben waren.

      Aber jetzt waren wir hier und warfen unsere Angeln aus, was das Zeug hielt. Wir brauchten den Köder nur auf den Grund sinken zu lassen und wieder raufzuziehen. Mehrere Male hatten wir zwei, drei Fische dran. Sie schluckten die Haken und die Köder, ohne zu zögern. So macht das Angeln wirklich Spaß.

      Die Stelle war nicht unbekannt. Einige hundert Meter vom Land entfernt in gerader Linie zwischen der Spitze von Kirkjubønes und Glyvursnes. Man wusste nur nie, wann es sich bezahlt machte, es hier zu versuchen.

      Eine Viertelstunde später war Schluss mit dem Fangglück. Wir fuhren zurück und versuchten es noch einmal, aber der Fisch war weg, also fuhren wir heim.

      Nachdem wir die Rani II in Bakki festgemacht hatten, lud Haraldur mich zu sich ein, damit wir frischen, gekochten Dorsch und Leber zum Abend essen konnten. Er erwähnte auch, dass er Bier und Schnaps im Haus hatte.

      Wie die meisten Bewohner der Färöer aßen wir bei laufendem Radio und hörten schweigend die Nachrichten. Eine alte Tradition. Neben den üblichen Berichten über das Elend im Lande und in der Welt war Hauptthema ein Banküberfall oben im Norden, bei Streym. Die Diebe waren durch ein Fenster eingestiegen, und da es keine Alarmanlage gab, konnten sie in aller Seelenruhe den Tresor mit einem Schneidbrenner aufschweißen und sich mit zwei Millionen Kronen wieder davonmachen.

      Aus einem Gespräch mit dem Bankdirektor ging hervor, dass man am Sicherheitssystem gespart habe, man jetzt aber in allen Abteilungen Alarmanlagen installieren wolle. Hier hätte ein gewisses Sprichwort gut gepasst, aber der Interviewer meinte vielleicht, dass man lieber kein Salz in die Wunde streuen sollte, deshalb begnügte er sich damit, das Mikrofon zu halten und zu schweigen.


Скачать книгу