Option Färöer - Ein Färöer-Krimi. Jógvan Isaksen
Schwingtür: »Aber wenn ich Leute wie diese sehe – ganz zu schweigen davon, sie zu hören –, dann ist es kein Problem, die richtigen Verse für sie zu finden.«
Er drückte seine Zigarette hart und nachdrücklich im Aschenbecher aus.
»Du wolltest mir was erzählen, Christian?« Ich versuchte, das Gespräch wieder aufs richtige Gleis zu bringen.
»Ja, ja, aber hör erst mal, ehe du deine Nase zu hoch trägst:
Wenn die Lehrer Papageientaucher sind, die Studenten
Junge,
die auf den Färöern ausgebrütet wurden und hier wohnen –
dann werden in Dänemark speiende Eissturmvögel gezüchtet,
voller Teufeleien und Unzucht.«
»Wie kannst du deine Arbeit bei einer christlichen Zeitung und Pól F. unter einen Hut bringen?«
»Was die Zeitung meint und was ich meine, das hat nicht viel miteinander zu tun. Ich bin Profi.« Er klopfte seine Taschen auf der Suche nach Zigaretten ab. »Aber wir wollten doch über den Vorfall auf der Polizeiwache reden.«
Ich bot ihm eine von meinen Prince an, die ich fast immer in der Tasche habe, aber selten selbst rauche. Christian nahm sich Feuer und blies den Rauch aus.
»Ich bin in Tórshavn schon länger als du Journalist, deshalb habe ich gute Verbindungen zur Polizei. Zuverlässig unzuverlässige Leute, wenn du verstehst, was ich meine. Also nicht solche Leute wie Karl.« Er lachte kurz. »Und diese Kontakte erzählen mir, dass Petur Kári Magnussen reichlich ängstlich wirkte und dass er nichts sagen wollte. Was ihm gar nicht ähnlich sieht, denn normalerweise verwickelt er sich in Widersprüche, noch ehe fünf Minuten vergangen sind, um dann alles zu beantworten, was man ihn fragt. Aber dem war diesmal nicht so.«
Christian betrachtete sein leeres Glas und bat mich, Nachschub zu holen. Als ich zurückkam, fuhr er fort: »Er hat gar nichts gesagt. Hat immer nur wiederholt, dass er überhaupt nichts wüsste und dass sie ihm etwas zu trinken geben sollten. Das haben sie natürlich nicht getan, aber obwohl er ganz fürchterlich unter dem Entzug litt, haben sie nichts aus ihm rausgekriegt. Gar nichts.«
Christian schwieg eine Weile und ich schaute mich im Lokal um. Es gab inzwischen weitere männliche Gäste, aber es war immer noch ein ruhiger Abend.
»Die Verschwiegenheit des armen Petur Kári ist nicht das einzige Merkwürdige ...«
»Auch die Frage, wer ihn erhängt hat«, warf ich ein.
»Das auch«, bestätigte Christian, ging aber nicht weiter darauf ein.
»First thing first. Warum haben sie ihn überhaupt festgenommen? Ich meine, er war zwar ein Krimineller, aber sicher nicht der erste, auf den die Polizei gekommen ist, als sie nach einem Meisterdieb gesucht haben.« Jetzt sah er mich triumphierend an. »Daran hast du nicht gedacht, was?«
»Nein, habe ich nicht.«
Ich hatte zwar gedacht, dass es für einen neunzehnjährigen Säufer eine stolze Leistung war – wenn er es denn gewesen war –, aber ich war nicht auf die Idee gekommen, zu fragen, wie die Polizei ihn so schnell hatte schnappen können. Und warum.
»Guck mal.« Christian beugte sich über den Tisch vor. »Meine Quelle erzählt, dass irgendjemand die Polizei angerufen und ihr den Tipp gegeben hat, mal mit Petur Kári zu reden. Das war alles. Das war alles. Sie haben keine Ahnung, wer es war, nur dass es eine Männerstimme war.«
»Vielleicht einer seiner feuchtfröhlichen Freunde, der sich für irgendwas rächen wollte?«
»Ist nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich.« Christian war jetzt Herr über seinen Rausch und sprach klar und deutlich: »Der Anrufer muss irgendwas mit Peturs Tod zu tun haben, aber einen Menschen in einer Zelle im Polizeipräsidium aufzuhängen, dazu sind die Kerle, mit denen Petur Kári sich herumtrieb, nicht in der Lage.«
»Wieso bist du so sicher, dass er sich nicht selbst aufgehängt hat?«
»Es gibt nicht den geringsten Zweifel daran, dass ihm sein Gürtel abgenommen worden ist. Im Laufe der Nacht hat sich also irgendjemand in seine Zelle geschlichen und ihn erhängt.«
Wir dachten darüber eine Weile schweigend nach.
»Der Kerl, der angerufen hat«, sagte ich langsam, »der wollte Schaden anrichten. Jedenfalls hat er die Polizei auf die richtige Spur gebracht.«
»Wie kann Petur Kári die richtige Spur gewesen sein? Wir waren uns doch grade einig, dass er gar nicht in der Lage war, etwas, was auch nur annähernd wie ein Bankraub aussieht, zu begehen?«, widersprach Christian mir ungeduldig.
»Das schon, aber es passt zusammen und gleichzeitig nicht.« Ich ließ mir reichlich Zeit. »Die Polizei nimmt Petur Kári fest, der bestimmt nicht den Bankraub begangen hat, aber – und das ist der entscheidende Punkt – er will nichts sagen. Das widerspricht den Erfahrungen, die die Polizei sonst mit ihm gemacht hat. Kurz darauf wird er umgebracht. Summa summarum: Die Person, die die Polizei auf Petur Kári hetzt, weiß, dass Petur Kári etwas weiß. Aber warum ruft er die Polizei an? Und wer hat den armen Tropf unschädlich gemacht?«
In diesem Moment klingelte der Barkeeper, um uns mitzuteilen, dass die Bar in einer Viertelstunde schließen würde. Christian und ich hamsterten Vorräte und unterhielten uns nunmehr über die färöische Fußballmannschaft. Wir fragten uns, ob es wohl klug sei, an den internationalen Meisterschaftskämpfen teilzunehmen. Keiner von uns beiden hatte viel Ahnung vom Fußball, deshalb amüsierten wir uns prächtig.
Gegen ein Uhr trennten wir uns an der Kreuzung von Tróndargøta und Niels Winterhsgøta. Christian war nicht ganz sicher auf den Beinen, als er langsam zum Haus der Heilsarmee ging.
8
Es war nach acht Uhr, als das Telefon mich weckte. Karl war dran.
»Komm zum Krankenhaus, Hannis. Wir treffen uns in einer halben Stunde in der Eingangshalle.«
Ich versuchte zu tun, als wäre ich wach, aber mein Hals war rau wie Sandpapier, deshalb war das Einzige, was ich hervorbrachte, ein heiseres Brummen.
»Gestern Abend wieder im Bierclub gewesen? Das letzte Mal im Polizeirevier hast du doch strahlend gesund ausgesehen, aber ich hätte es besser wissen sollen.«
»Warum soll ich zum Krankenhaus kommen?« Karls Äußerungen über meine Lebensführung kommentierte ich lieber nicht, an sie war ich schon gewöhnt.
»Sieh zu, dass du in einer halben Stunde da bist.« Er legte auf.
Ich lag noch eine Weile mit geschlossenen Augen und dem Hörer in der Hand da. Fast wäre ich wieder eingeschlafen, aber das Tuten des Telefons hinderte mich daran. Schließlich riss ich mich zusammen und stand auf – und ich dachte sogar daran, den Telefonhörer aufzulegen.
Ich zog die Vorhänge zurück und schaute in dem Lichtschacht einen Meter vom Fenster entfernt auf eine Betonmauer, dort, wo der Fußweg der Jóannes Paturssonargøta anfängt.
Auf dieser Seite schien man fast unter der Erde zu wohnen. Aber wenn ich den Kopf schräg legte, konnte ich über den Rand sehen, in den Himmel. Nun ja, Himmel war wohl etwas übertrieben, denn ich schaute in eine dichte, graue Daunendecke. Südwind im Oktober bedeutete oft so dichten Nebel, wie ich ihn auch in meinem Kopf verspürte.
Der Kaffee bereitete sich selbst zu, während ich im Bad war, und ich trank ihn, während ich mich anzog. Ich warf meinen Mantel über und ging los.
Karl wanderte in der großen Eingangshalle bereits auf und ab, als ich ankam. Der Kiosk war noch nicht geöffnet und die Halle wirkte wie ausgestorben. Zwei bleiche Patienten saßen an einem Tisch und sprachen miteinander, aber dieses Zeichen zerbrechlichen Lebens unterstrich nur noch die Leere. Wenn da nicht der ungeduldige Karl gewesen wäre, könnte ein Fremder das Entree als Vorhof der Hölle und nicht als geschäftige Landesinstitution ansehen. Obwohl diese Auffassung vielleicht gar nicht so falsch war.
»Da