Winterzeit im Wichtelwald. Tania Eichhorn

Winterzeit im Wichtelwald - Tania Eichhorn


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ist sie wieder eingeschlafen.“ Die Wichtelmama ging hinüber in die Kammer ihrer Tochter.

      Das kleine Wichtelmädchen saß mit rotem Kopf und Tränen in den Augen auf seinem Bett. „Er ist so dumm. Und blöd ist er auch!“, schimpfte sie vor sich hin. „Ich mag ihn nicht mehr!“

      „Aber, Flora, was ist denn los mit dir?“, wunderte sich Pjnka.

      „Immer nimmt er mir alles weg! Nie hab ich meine Ruhe! Und alle sind immer soooo gemein!“

      „Komm, das ist doch gar nicht wahr. Was war denn los? Warum ist das Buch kaputt?“, fragte die Wichtelmama.

      „Ich ... ich hab es gestern Abend geholt.“

      „Von wo geholt?“

      „Aus Phios Kammer. Er hat schon geschlafen und mir war langweilig. Da wollte ich ein bisschen lesen“, stotterte Flora. „Und heute in der Früh, da kommt er in meine Kammer gestürmt und nimmt es mir einfach weg.“

      „Ja, aber habt ihr beiden denn nicht miteinander gesprochen?“

      „Worüber hätten wir denn reden sollen?“

      „Na ja, vielleicht darüber, dass du das Buch genommen hast und ihn nicht fragen konntest, weil er schlief? Und er hätte natürlich auch dich heute fragen können, warum du das Buch genommen hast. Ihr solltet miteinander reden und nicht sofort schreien und streiten!“

      „Ja, ich weiß, Mama. Es tut mir leid“, schniefte Flora. „Und jetzt ist es kaputt, dein schönes Buch ... es ist einfach kaputt.“

      „Ja, Flora, ich weiß. Aber das werden wir reparieren. Jetzt beruhigst du dich erst mal und kommst mit mir zum Frühstück. Danach machen wir vier einen schönen Schneespaziergang. Das wird uns allen guttun.“

      Flora hüpfte vom Bett und wischte sich schnell die Tränen aus dem Gesicht. „Oh ja, das klingt gut!“

      Da steckte Phio den Kopf zur Tür herein. „Flora, es tut mir leid.“

      Ein zaghaftes Lächeln erschien auf den Lippen des Wichtelmädchens. „Ähm ... ja ... mir tut es auch leid, Phio. Und, Mama, es tut mir wirklich leid. Schließlich ist es dein Buch.“

      Die Wichtelmama nahm ihre beiden Kinder in den Arm und zusammen marschierten sie in die Küche, um ein gutes Frühstück zu genießen.

      „Fein, dass ihr jetzt alle da seid“, sagte der Wichtelpapa. „Ich habe euch schon Brote gestrichen und den Tee mit Tannenwipfelhonig gesüßt. Lasst es euch schmecken, Kinder!“

      „Mahlzeit, Mama und Papa!“

      „Mahlzeit, Liebling.“

      Für ein paar Minuten war es ziemlich ruhig in der Wichtelhöhle. Nur die kleinen Füßlein der Wichtelhöhlenzwergmaus, die wie jeden Morgen unter dem Frühstückstisch hin und her lief, um die Brösel der Kinder zu fressen, waren zu hören.

      „Wisst ihr, Kinder“, begann Pinka, „eigentlich geht es mir gar nicht so sehr um das Buch.“

      Die Wichtelkinder schauten sie mit großen Augen an und Phio fragte erstaunt: „Nicht?“

      „Mir ist es einfach wichtig, dass ihr miteinander redet, anstatt sofort zu streiten“, erklärte die Wichtelmama und fuhr fort: „Manchmal geht es leider nicht, ohne sich in die Haare zu kriegen. Aber glaubt mir, ein Streit hat auch etwas Gutes. Man kann sich entschuldigen und wieder versöhnen und danach sieht die Welt gleich besser aus.“

      Flora und Phio nickten zustimmend mit ihren Köpfen.

      „Und jetzt vergessen wir das Ganze, ziehen uns an und wandern durch den Schnee hinüber zur Futterstelle der Rehe.“

      „Oh ja!“, riefen die Kinder begeistert.

      „Wunderbar!“, freute sich auch Lux, der Wichtelpapa. „Und wenn wir wieder da sind, dann helft ihr beiden mir, das Buch zu reparieren.“

      „Ja, Papa, das machen wir“, versprachen Flora und Phio zugleich.

      Nach dem Frühstück standen die vier Wichtel dick eingepackt vor der Höhle. Phio betrachtete staunend die kleine Rauchwolke, die bei jedem Atemzug plötzlich vor seinem Gesicht erschien. Doch Pinka war so voller Vorfreude, ihre Eltern endlich wiedersehen zu können, dass sie sein Unverständnis gar nicht bemerkte.

      „Lasst uns als Erstes zu Omama und Opapa gehen und nachsehen, ob es ihnen gut geht“, schlug sie vor und stapfte prompt los durch den tiefen Schnee.

      „Und wir müssen zu Margarita“, warf Flora ein, doch Lux dämpfte ihre Erwartung sofort.

      „Du siehst doch, wie hoch der Schnee ist. Ich glaube, wir können froh sein, wenn wir es hinaus aus dem Garten schaffen.“

      Damit hatte der Wichtelpapa recht. Schon nach wenigen Schritten schnaufte Pinka angestrengt und lockerte ihren Schal. „Na gut, aber morgen möchte ich unbedingt ins Wichteldorf.“

      So verbrachte die kleine Wichtelfamilie endlich wieder einmal einen Tag draußen in der Natur. Während Pinka und Lux mit ihren Holzschaufeln einen Weg hinüber zum Waldpfad, der ins Wichteldorf führte, gruben, bauten die Kinder eine Schneewichtfamilie im Garten. Sie bemerkten gar nicht, wie die Stunden verflogen, und erst als ihnen die Mägen knurrten, sahen sie, dass die Sonne schon hinter den Baumwipfeln verschwand.

      „Was für ein toller Tag!“, sagte Flora, als sie wenig später vor einem Teller mit dampfender Suppe saß. „Endlich dürfen wir wieder hinaus.“

      „Ja, endlich!“, stimmte Phio ein und schlürfte zufrieden seinen Löffel leer.

      „Ja, die letzten Tage haben uns gezeigt, wie sehr wir unseren Wald, die Tiere und natürlich all die anderen Wichtel vermissen“, meinte Pinka.

      Am darauffolgenden Tag war es dann so weit. Die vier Wichtel stapften durch den tiefen Schnee ins Wichteldorf. Sie besuchten Omama und Opapa und wurden herzlich begrüßt.

      „Schön, dass ihr da seid! Ich bin froh, dass es euch gut geht“, sagte Omama und half den Kindern aus den Jacken.

      „Kommt herein, es gibt viel zu erzählen.“ Und dann berichtete Opapa, dass es allen Wichteln in den letzten Tagen gleich ergangen wäre und dass Herr Direktor Leonard sicherheitshalber die Schule geschlossen hätte. Außerdem war der ganze Marktplatz mitsamt der Feuerstelle unter einer dicken Schneeschicht begraben.

      „Aber bis zum Lichterfest werden wir sicherlich alles ausgegraben haben, oder, Mama?“, erkundigte sich Flora vorsichtig.

      „Natürlich, meine Kleine“, beschwichtigte Pinka ihre Tochter, denn sie wusste, dass diese jedes Jahr sehnsüchtig auf den Tag wartete, an dem alle Wichtel gemeinsam um das Feuer saßen und die Geschichte von der Entstehung ihres Wichteldorfes erzählt wurde.

      Der Nachmittag bei Omama und Opapa verging wie im Flug und man merkte, dass die Angst vor dem vielen Schnee nachgelassen hatte und das Leben wieder in den Wichtelwald zurückkehrte.

      Nach einigen Tagen hatten alle Wichtel wieder in ihren gewohnten Alltag gefunden. Die Schule hatte wieder geöffnet und alle erfreuten sich am herrlichen Schnee.

      *

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      Spuren im Wichtelwald

      An jedem Nachmittag stapfte Pinka gemeinsam mit Phio und Flora zur nahen Futterstelle der Rehe, um sich zu erkundigen, wie es den Tieren im Winter so ging.

      „Oh, ich liebe es,


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