Mein geniales Leben. Jenny Jägerfeld

Mein geniales Leben - Jenny Jägerfeld


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getan hatte oder dass ich irgendwie bescheuert aussah. Aber trotzdem. Interesse hatte ich geweckt. Jetzt fehlte nur noch die Begeisterung.

      Ich beschloss, Lehren aus meiner bisherigen Schulzeit aufzuschreiben. Dinge, die nicht gut ankamen:

      –Beim Reden auf keinen Fall mit Armen und Händen herumfuchteln. Beim Gehen nicht trippeln. Alle Körperteile unter Kontrolle haben! Sich langsam und ein bisschen steif bewegen.

      Eventuell mit der ganzen Hand auf etwas deuten.

      –Nicht schreien oder hüpfen, auch wenn man sich noch so sehr freut. (Sich am besten vielleicht gar nicht erst so sehr freuen?) Cool bleiben.

      –Nicht verraten, dass man Eiskunstlauf toll findet.

      Okay. Damit hatte ich drei Dinge aufgeschrieben, die ich nicht tun sollte. Das war an und für sich gut, half mir aber nicht dabei, herauszufinden, was ich eigentlich tun sollte. Ich kaute so lange am Bleistift, bis ich Bleigeschmack in den Mund bekam. Ich zwinkerte in die Sonne. Die Sonne war gelb wie Eigelb und heizte das Dach so auf, dass ich mir fast meine Schenkel verbrannte. Nächstes Mal musste ich daran denken, eine Sitzunterlage mitzunehmen.

      Um hinter das Geheimnis zu kommen, wie ich mich verändern sollte, musste ich Informationen sammeln. Ich konnte googeln, andere beobachten (so wie neulich mit Majken und dem Waschbären) und Leute interviewen, die beliebt waren oder gewesen waren. Und dann brauchte ich bloß anzufangen und an Sigge 2.0 zu arbeiten!

      Ich rief Google auf und suchte unter Wie wird man beliebt? WOW! Ich war offensichtlich nicht der Einzige, der das hatte wissen wollen! Es gab eine wahre Flut von YouTube-Clips und Texten! Alle mit den verschiedensten Tipps. Manche waren echt krass. Zum Beispiel, um beliebt zu werden, solle man sich mit nacktem Oberkörper und nur mit einer Lederhose bekleidet auf die Straße setzen und um Geld würfeln. Also echt. Das konnte doch wohl nicht wahr sein???

      Wenn ein Tipp öfter als fünfmal bei meiner Google-Suche vorkam, nahm ich ihn als allgemeingültig in meine Liste auf. Folgende Ratschläge müsste ich demnach befolgen:

      –Mich gut anziehen. Am besten mit Markenklamotten.

      –Eine coole Frisur haben. (Vielleicht sollte ich trotz allem zulassen, dass Oma mir die Haare schnitt. Mir war nicht so ganz klar, was eine coole Frisur eigentlich war, aber jedenfalls waren das nicht Haare, die einfach so auf dem Kopf wuchsen. Nein, das waren irgendwie gestylte Haare. Hoffentlich durfte es auch zu einer coolen Frisur gehören, dass einem lange Stirnfransen übers Auge fielen.)

      –Keine Brille tragen. (Kontaktlinsen anschaffen und bis dahin Sonnenbrille tragen, um das Schielen zu verbergen.)

      –Durchtrainiert aussehen.

      –Schlechten Mundgeruch vermeiden. Die Zähne sorgfältig putzen und Kaugummi benutzen. (Kaugummikauen hatte auch den Vorteil, dass man damit cool aussah, außerdem konnte man den anderen Kaugummi anbieten und auf die Art beliebt werden.)

      –Sozial sein! Fragen stellen und alles Mögliche über sich selbst erzählen. Mit Leuten reden, mit Lehrern und mit anderen Schülern. Witzig sein und die andern zum Lachen bringen. (Aber gleichzeitig nicht vergessen, immer schön cool zu bleiben.)

      Ein Problem bei all diesen Punkten war ja ganz klar das Geld. Wie kauft man Markenklamotten, wenn man eine Mutter hat, die als Krankenschwester arbeitet und drei Kinder hat? Antwort: Man kauft keine, weil sie es sich nicht leisten kann. Und jetzt gerade war sie außerdem arbeitslos.

      Als ich jünger war, hatte ich solche Wünsche manchmal geäußert. Aber in letzter Zeit habe ich gemerkt, dass Mama davon nur traurig und mitunter auch verärgert wird. Außerdem führte es sowieso fast nie dazu, dass ich das bekam, was ich brauchte. Einmal kaufte sie mir eine Adidas-Jacke, aber danach mussten wir einen halben Monat lang Haferbrei essen, weil die Jacke so teuer gewesen war, und dadurch ging es mir noch schlechter.

      Oma würde ich auch nicht überreden können. Im Supermarkt kaufte sie uns gern alles, was wir wollten, aber Markenklamotten kaufen, das war in ihren Augen idiotisch. »Warum willst du Klamotten anziehen, die fünfmal so viel kosten, wie sie wert sind, und die außerdem alle anderen auch anhaben?« war ihre Frage.

      »Gerade weil sie fünfmal so viel kosten und weil alle anderen sie haben!« war meine Antwort.

      Nein. Dieses Problem würde ich alleine lösen müssen.

      NOCH 49 TAGE

      EIN JONGLIERENDES ÄFFCHEN

      Ich hatte soeben meine Inliner angeschnallt und die Hundeleine vom ausgestopften Zebra in der Eingangsdiele runtergeholt und um Einsteins breite Brust festgemacht. Einstein kläffte ungeduldig und schnupperte eifrig an der Tür.

      »Gleich, mein Braver! Warte noch kurz!«

      Sicherheitshalber band ich mir die Hundeleine um den Bauch, für den Fall, dass ich Einstein nicht würde festhalten können. Er wog immerhin über fünfzig Kilo und ich knapp fünfunddreißig, eigentlich müsste es eine Kleinigkeit für ihn sein, mich zu ziehen. Hauptsache, ich konnte ihn dazu bringen, das auch zu tun. Und außerdem in die Richtung, die ich selbst wollte.

      Kurz vorher hatte ich einen Hallenhockeyschläger mit einer Schnur versehen, an die ich eine Wurst gebunden hatte. Den Schläger hatte ich vor die Tür gestellt. Der war jetzt so was wie eine Angel, nur ohne Haken. Diese Angel würde ich Einstein vor das gefräßige Maul halten. Eine bombensichere Technik, meiner Meinung nach! Einstein liebte Wurst nämlich über alles.

      Ein paar Extrawürste hatte ich mir auch noch für alle Fälle in die Jackentasche gestopft.

      Plötzlich ging die Haustür auf und Einstein begann wild zu bellen. Krille Marzipan trat ein, ganz in Beige gekleidet, von dem perfekt gebügelten Hemd bis hinunter zu den Bootsschuhen mit Troddeln. Hilfe!

      »Hallo, Sigge! Hast du Charlotte irgendwo gesehen?«

      »Ja, sie ist oben und repariert die Treppe. Schon gut, Einstein, alles gut, braver Hund!«

      Einstein überschlug sich fast vor Begeisterung, die rosa Zunge hing ihm aus dem Maul, und vor lauter Freude machte er kleine Luftsprünge auf der Stelle. Krille streichelte ihn unbeholfen, und Einstein nahm die Gelegenheit wahr, ihm die Hand zu lecken.

      »Aha. Du willst mit dem Hund raus, wie ich sehe. Tja, ich glaube fast, ich selbst könnte auch einen Spaziergang brauchen.«

      Oh Mann! So hatte ich mir das ganz und gar nicht vorgestellt. Mein Plan war, mich von Einstein auf den Inlinern ziehen zu lassen. Einerseits, weil es Spaß machte, und andererseits, um zu üben, bevor ich Arrow sparrow testete. Ich musste erst lernen, das Gleichgewicht auf den Inlinern zu halten, wenn der Hund mich zog. Und dann, wenn die Leine eines Harpunenpfeils mich mit rasender Geschwindigkeit einholen würde.

      Ich trat an Krille vorbei auf den Treppenabsatz hinaus und hielt den ungeduldigen Einstein dabei immer ganz kurz an der Leine.

      »Oma freut sich bestimmt über Besuch. Geh einfach rauf!«

      »Bewegung soll ja angeblich so gesund sein«, meinte Krille Marzipan.

      »Oma braucht bestimmt auch Hilfe. Du kannst doch garantiert supergut schreinern und so?«

      Krille schien mich nicht zu hören.

      »Es heißt, man soll zehntausend Meter täglich gehen«, sagte er nachdenklich.

      »Mama hat Kaffee gekocht. Der steht in der Küche. Hol dir doch eine Tasse und bring Oma auch gleich eine mit.«

      »Oder waren es vielleicht Schritte? Hm, waren das jetzt zehntausend Meter oder Schritte?«

      Ich gab’s auf.

      »Kannst du das hier mal halten? Aber versuch die Wurst so zu verstecken, dass Einstein sie nicht sieht.«

      Ich gab Krille den Hockeyschläger.

      »Kein Problem! Bei der Gelegenheit kann ich dir von einer Filmidee erzählen, die


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