Nach mir komm ich. Will Berthold

Nach mir komm ich - Will Berthold


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      Er lächelte mir ohne eine Spur von Zerknirschung ins Gesicht. »Damit Sie sich nicht gleich in die Hose machen, Herr Doppelschmidt‹, erwiderte er. ›Hätte ich ernsthaft gewollt, daß Sie mich nicht erkennen, wäre mir das auch gelungene Er zündete sich eine Zigarette an, blies den Rauch aus wie jemand, der verärgert ist, daß er rückfällig wurde. ›Sicher möchten Sie mit mir nicht viel zu tun haben‹, grinste er frech. ›Aber Ihr Prinzipal denkt darüber vielleicht ganz andes.‹«

      »Sie haben Kronwein gesagt, wer dieser angebliche Müller wirklich ist?« fragt Schmeißer.

      »Das mußte ich tun. Dann habe ich mir im Archiv Material über den Enthüllungsspezialisten besorgt.«

      »Wo ist das Material jetzt?«

      »In meiner Schreibtischschublade.«

      »Und der Optionsvertrag?«

      »Ebenfalls bei mir unter Verschluß.«

      »Und die Kopie des Manuskripts?«

      »Ich habe keine gemacht«, beteuert Doppelschmidt.

      »Lügen Sie mich doch nicht an!« erwidert Schmeißer. »Sie verabschieden sich jetzt von Ihren Kollegen, weil Sie müde sind. Dann fahren Sie im Verlag vorbei, holen sämtliche Unterlagen und kommen damit zu uns ins ›Hilton‹.«

      »Mein Gott, Sie bringen mich um Kopf und Kragen!« Der Mann in der Klemme erfaßt die Situation richtig.

      »Nun hören Sie mir mal gut zu, Doppelschmidt«, entgegnet der Pressechef. »Ihre Mitteilungen bleiben unter uns. Trotzdem sichern wir Sie ab. Falls Sie in Schwierigkeiten kommen sollten, erhalten Sie von uns Ihre Bezüge weiter, und zwar in doppelter Höhe. Und das so lange, bis Sie oder wir in einem anderen Verlagshaus eine mindestens gleichrangige oder bessere Position gefunden haben.«

      Doppelschmidt nickt.

      »Ich werde Ihnen das morgen schriftlich bestätigen.«

      Der Verlagsmann verabschiedet sich offiziell. Lapinsky fordert den Wirt auf, ihm morgen die Rechnung zu schikken. »Ihr könnt noch tagen, so lange ihr wollt«, wendet er sich dann an die feuchtfröhliche Gesellschaft. »Es ist alles erledigt.«

      »Eine verdammte Geschichte«, schimpft Lapinsky auf der Fahrt zum »Hilton‹. »Ein Schlimmerer als Raguse, dieses wildgewordene Trüffelschwein, hätte uns nicht in den Weg laufen können. Dem Kerl ist alles zuzutrauen.«

      »Mir doch auch«, erwidert der Meister der Finten und Finessen.

      Lapinsky lacht, mehr höflich als überzeugt. »Also«, kommt er zum Psychogramm des Verhaßten, »Raguse ist unbestechlich. Geld ist für ihn nur Mittel zum Zweck. Er wird von seinem Anwalt, einem früheren Klassenkameraden, blendend beraten. Zwar hat er bei einigen Prozessen schon Haare lassen müssen, aber aus mehr als einem Dutzend Scharmützeln ist er als der Sieger hervorgegangen.«

      »Ein linker Spinner?« fragt Kamossas Mann fürs Grobe.

      »Viele halten ihn dafür, aber das stimmt nicht. Er hat bei gewerkschaftseigenen Konzernen Mißstände aufgedeckt und ihre Manager rücksichtslos in die Pfanne gehauen. In einigen Großstädten wurde von ihm der Genossen-Filz schonungslos enthüllt. Wenn Sie mich fragen, ist er kein Roter, kein Grüner und schon gar kein Schwarzer.«

      »Was dann?«

      »Ein Jäger«, erwidert Lapinsky. »Und ein Fallensteller.«

      Schmeißer ist längst nicht so optimistisch, wie er sich gibt. Allein was er vom Hörensagen über Raguse kennt, suggeriert ihm schlimme Vorahnungn. Am schwierigsten ist es immer, Kontrahenten hereinzulegen, die sich persönlich nichts aus Geld machen, ob sie nun Hohlköpfe oder Fanatiker sind.

      »Zuerst einmal werden wir Kronwein das Manuskript wegnehmen«, sagt er.

      »Das dürfte nicht schwierig sein.«

      »Als nächstes brauche ich einen Verlag, an dem unser Konzern maßgeblich beteiligt sein müßte, um Raguse ein Superangebot zu unterbreiten.«

      »Auf lange Sicht auch kein Problem.«

      »Die lange Sicht endet morgen früh«, erwidert Schmeißer.

      Noch bevor Doppelschmidt mit den Unterlagen im Hotel eintrifft, ruft Schmeißer in Ascona an und führt ein langes Gespräch mit Michael Budde.

      »Hören Sie gut zu«, endet der Chefmanager des Konzerns schließlich und erteilt dem Spezial-Rechercheur präzise Anweisungen und weitreichende Vollmachten.

      V

      Noch immer ungläubig begreift Carlotta allmählich, daß ihr Mann diesmal nicht streunt, sondern putscht. Er hat es noch nie gewagt, über Nacht wegzubleiben, zumindest nicht ohne eine stichhaltige – oder wenigstens fingierte – Ausrede. Sie erinnert sich an seine Drohungen von gestern, aber sie nimmt sie nicht ernst. Schließlich kennt sie ihn gut genug, um zu wissen, daß er zu feige ist, ihr ins Messer zu laufen.

      Carlotta sitzt mit dünner Bluse und gutsitzenden Shorts auf der Terrasse ihres Gartens, ohne dem strahlenden Morgen etwas abzugewinnen, wiewohl sie sonst eine Naturschwärmerin ist. Der Lago ist fast so blau wie die Azurfarbe des Himmels. Auf seiner Oberfläche betrachtet sich die Sonne eitel wie im Spiegel. Ein Boot schneidet ihren Pausbakkenkopf, die Wellen werden zu Lachfältchen. Die oberen Häuser auf der weit weniger zersiedelten Ostseite des Lago wirken wie Falkennester. Eine Dampflock schnaubt der italienischen Grenzstation Dirinella entgegen.

      Carlotta sieht es, ohne es zu bemerken, heute blicklos für das Spiel der Farben und des Lichts; sie hört nicht das Summen fleißiger Bienen und das Rascheln geschäftiger Eidechsen. Die Dressurleine, an der sie sonst den Eheflüchtling hält, ist gerissen. Die Knute der Dompteuse hängt unbenutzt im Schrank.

      Es ist schon neun Uhr. Ihre Vermutung, Hans-Georg könnte sich nach München abgesetzt haben, verdichtet sich bei ihr zur Gewißheit. Trotz aus Feigheit: Je länger er sich auf Abwegen herumtreibt, desto länger wird er sich winden, seiner Frau wieder unter die Augen zu treten und die Bestrafung auf sich zu nehmen.

      Carlotta kämpft mit sich und ruft dann doch in ihrer Münchener Privatvilla an. Niemand geht an das Telefon, nicht einmal der Hausmeister. Die Wütende wählt den Verlag, verlangt ihre Sekretärin erfährt daß sie sich heute freigenommen hat. Schließlich bekommt sie einen ihrer Hauptspitzel aus der Direktionsetage ans Telefon.

      »Ich ruf gleich zurück«, verspricht der Mann hastig und legt auf. Carlotta begreift, daß er das Gespräch – aus Angst vor Mithörern – außer Haus führen wird.

      »Ich rufe von der Tankstelle aus an«, meldet er sich zehn Minuten später. »Nein, gnä Frau, Ihr Mann ist nicht aufgetaucht. Er wird auch nicht erwartet. Er meldet sich nur ab und zu telefonisch.«

      »Was steckt hinter diesem außergerichtlichen Vergleich mit Frau Melber?« fragt sie ihren Vertrauensmann direkt.

      Er schweigt hörbar. »Es ist so schlimm, daß ich es Ihnen gar nicht sagen möchte«, beginnt er zögernd.

      »Wieso?« fragt die Anruferin mit vibrierender Stimme. »Hört jemand mit?«

      »Das nicht, aber …«Carlottas Günstling weiß, daß es keinEntrinnen gibt, und so schildert er die Szenen nach dem morgendlichen Posteingang.

      »Und warum hat meine Sekretärin gekündigt?« fragt sie erregt.

      »Wohl aus dem gleichen Grund«, antwortet der Spitzel. »Frau Melber hat ihr gezeigt, daß etwas zu holen ist, da ist sie zum gleichen Anwalt gegangen. Den Rest können Sie sich denken, gnä Frau. Es tut mir wirklich leid, aber …«

      »Schon gut«, entgegnet Carlotta schrill. »Rufen Sie mich bitte an, falls mein Mann in München auftauchen sollte.«

      Sie legt auf, starrt blind in die Sonne, bis ihr die Augen tränen. Der Zorn drückt ihr die Kehle zu, sie atmet schwer, entschlossen, sich grausam zu rächen. Einen Moment lang gaukelt ihr die Rachsucht blutrünstige Bilder vor: Sie sieht Hans-Georg auf


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