Nach mir komm ich. Will Berthold

Nach mir komm ich - Will Berthold


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ich noch englisch und französisch und sogar ein bißchen spanisch –, Reisesekretär, Gesellschafter und Leibwächter.«

      »Und als Schlafbursche.«

      »Das geht gratis«, erwidert Giorgio. »Das ist eine Sonderleistung des Hauses Marazzo.«

      »Im Massagesalon von Bangkok?«

      »Auch da. Ich bin ein Mann mit großem Bildungsinteresse. Das ist doch nichts Schlechtes, oder? Ich habe vielleicht. schon mehr von der Welt gesehen als Sie und Ihr Mann, Madame«, stellt er unverfroren fest. Bevor sie auf seine Unverschämtheit erwidern kann, setzt Giorgio hinzu: »Ist denn der Streit mit Ihrem Mann so schlimm?«

      Carlotta nickt.

      »Aber da gibt es doch ganz andere Möglichkeiten, sich an ihm zu rächen«, sagt er, geht auf sie zu, betrachtet sie mit Augen, die sie ausziehen. Sie spürt es, aber es ist ihr nicht unangenehm; vielleicht hätte sie sich nur einen Morgenmantel überwerfen sollen.

      »Was ist jetzt mit Ihrem Starkstrom?« Carlotta versucht auf Distanz zu bleiben.

      »Ich stehe immer unter Starkstrom«, antwortet der Adonis lächelnd. »Und eine Reise um die Welt kann man auch ohne Fahrkarte machen, ohne Hotelbuchung und ohne Massagesalon«, sagt er und geht auf sie zu.

      Carlotta will ihm ins Gesicht schlagen. Giorgio fängt ihre Hände auf, öffnet sie, küßt die Innenflächen. Er versteht sein Fach, zieht sie an sich. Er merkt, daß sie zittert und ihr Atem sich beschleunigt, der Blick sich verschleiert und die Nasenflügel beben – und er ist ein erfahrener Diagnostiker.

      »Ich tue alles für Sie, Madame«, beteuert Giorgio und strampelt sich aus seinen Jeans.

      »Was fällt Ihnen ein?« fragt sie außer Atem.

      »Das gleiche wie Ihnen, Madame«, erwidert er.

      Er reißt Carlotta an sich und läßt sich mit ihr vornüber auf das antike Bett fallen. Der Mann unter ihrem Niveau ist auf einmal über ihr, streichelt sie mit kundigen Händen, so daß sie erst nicht merkt, daß er ihr dabei die Bluse abgestreift hat, als seine Zunge über ihre Haut gleitet. Sie versucht, ihn wegzuschieben und gießt dabei Öl ins Feuer, von dem sie erfaßt wird.

      »Geh zum Teufel, aber komm!« stöhnt Carlotta.

      »Gleich«, erwidert er »Nichts überstürzen, wir haben doch Zeit.« Sie kann nicht mehr antworten. Giorgios Lippen versperren ihren Mund. Er küßt sie, und Carlotta beißt ihn in die Unterlippe, aber der Verführer spürt es nicht. Ihre Nägel krallen sich in seine Haut, ziehen blutige Spuren. Ihr Atem geht stoßweise.

      »Komm doch endlich!« Sie bäumt sich auf.

      Er verzögert das Eindringen in ihren Körper, um das Verlangen noch mehr anzuheizen. »Ich war schon immer wild auf dich«, raunt er ihr zu. »Gleich muß ich explodieren, ich …«

      »Du kannst mich haben«, keucht sie. »Nun nimm mich doch endlich. Bitte – ja – ich, ich halt das nicht länger aus.« Sie greift nach seinem Glied, zieht Giorgio an sich heran, ist nahezu besinnungslos, als sein Maskulinum in ihren Sog gerät. Sie schreit auf, vergißt das Hausmädchen und den Gärtner. Sie schluchzt und keucht im Hin und Her und Auf und Ab, bald unter ihm, bald über ihm. »Jetzt – ja«, stöhnt Carlotta mit verzerrtem Gesicht. »Mach mich fertig. Jetzt. Gleich.«

      Giorgio verzögert den Höhepunkt.

      »Fuck me, fuck me, son of a bitch«, treibt sie ihn an, aber ein Profi wie Giorgio läßt sich ihren Rhythmus nicht aufdrängen und sie mit ihrem ersten Orgasmus ins Leere laufen, wartet, bis sie sich einigermaßen abgeregt hat, erschöpft und stumm in den Kissen liegend.

      »Das war keine Weltreise, Madame«, tadelt er. »Wir sind noch nicht einmal in Locarno eingetroffen.« Er lacht. »Aber gleich fährt der Zug weiter.«

      Und dann wird Giorgio wild, reißt sie mit, dreht sich selbst im Strudel, raunt ihr auf italienisch Zoten zu, die zärtlich klingen. Ein Virtuose, der seinem Instrument die höchsten Töne entlockt, bis zum Fortissimo.

      Er beginnt das alte Spiel, zieht Carlotta an sich, schiebt sie wieder weg. Seine Hände erschließen Zone um Zone ihres Körpers, dabei ist ihm, als würden halb erfrorene Hände in kochendes Wasser tauchen. Er balanciert am Rande des Abgrunds, spürt, wie sich die Poren seiner Haut öffnen wie platzende schoten. Während er ihr heiße Worte zuraurit, kriecht Carlottas Mund wie eine Schnecke über seinen Körper. Die Partitur, nach der er dirigiert, verschwimmt vor seinen Augen, er verliert den Taktstock. Ihre Körper verkeilen sich ineinander, treiben auseinander. Giorgios Hände pressen sich auf ihren Körper. Ihre abgewinkelten Beine nehmen den trainierten Body in die Zange.

      Die beiden rasen aufeinander zu wie zwei Schiffe, die zusammenstoßen müssen. Dann dreht sich der Ozean im Orkan, immer schneller, immer stürmischer. Der Drang nimmt ihnen das Gehör, in ihren Köpfen rauscht das Blut, Carlotta bläst dem Mann die schweißnassen Haare aus der Stirn. Crash.

      Die Explosion zerreißt sie in kleine Stücke. Dann erst merken sie, daß sie überlebt haben.

      »Du hast geschrien, daß man es drei Häuser weit hören mußte«, sagt Giorgio belustigt. »Bist du erotisch so unterernährt?«

      »Wir müssen verrückt sein«, erwidert sie lachend.

      Er betrachtet ihre zerzausten Hare, den verschmierten Lippenstift, das aufgelöste, verschwitzte Gesicht. »Mit deinem Mann ist wohl nicht viel los?« fragt er.

      »Ein Schlappschwanz in jeder Hinsicht«, entgegnet Carlotta. »Dafür ist mit dir etwas los. Leider bist du viel zu jung für mich.«

      »Nur einer Stradivari kannst du solche Klänge entlokken«, entgegnet Giorgio lächelnd. »Außerdem bist du sechzehn Jahre jünger als Olga.«

      »Wenn sie es erfährt, bist du deine Aufträge los.«

      »Und wenn schon«, erwidert Giorgio. »Wir haben Hochkonjunktur. Ich muß so viele Absagen erteilen, weil meine Kapazität nicht ausreicht.« Mit dem Zeigefinger fährt er an Carlottas Lippen entlang. »Wirst du deinem Mann etwas erzählen über unsere Kissenschlacht?«

      »Das wird schon das Hausmädchen besorgen, falls er sich hier noch einmal blicken läßt.« Carlotta macht sich von ihm frei, steht auf. »Und was sagst du deiner Glitzer-Olga?«

      »Weiß ich noch nicht«, erwidert er unbekümmert. »Vielleicht, daß sie mir zu geizig ist oder zu dick.«

      Sie geht ins Bad. »Wenn du duschen willst, Giorgio« –, sie deutet auf die andere Seite –, »dort ist eine Kabine.«

      Er läßt den kalten Strahl auf die Haut prasseln und lächelt dabei wie ein Kater, der ein ganzes Mäusenest ausgehoben hat. Er trocknet sich ab, legt sich ein Handtuch als Lendenschurz um, kommt zurück.

      »Laß dich einmal richtig ansehen«, sagt Carlotta bewundernd. »Du bist wirklich gut gewachsen. Warum bist du so stark, so männlich?«

      »Ich rauche nicht, ich trinke nicht. Ich brauche keinen Joint und keine Droge. Ich hab nur eine Leidenschaft, l’unica passione«, fällt er ins Italienische, »Chiavare …«

      »Chiavare?« fragt sie.

      »Fare l’amore«, erwidert er, »faire l’amour, making love.« Er bläst ihr die Haare aus der Stirn. »Zu deutsch: Bummbumm machen.«

      Er steht vor einem großen Wandspiegel, legt die Arme um Carlotta, zieht sie an sich. Sie stellt fest, wie sein Verlangen zurückkehrt.

      »Bist du verrückt, Giorgio?« fragt sie. »Wir haben einen halben Wald gefällt, und du greifst schon wieder nach der Axt.« Carlotta wehrt ihn ab und deutet auf das Bett. »Nach dem Vergnügen an die Arbeit.«

      »Und wo sollen wir künftig unsere Weltreise fortsetzen?«

      »Es gibt noch genug Betten im Haus.«

      »Aber kein so herrliches«, versetzt er.

      »Heißt das, daß du wiederkommen willst?«

      »Heute


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