Nach mir komm ich. Will Berthold

Nach mir komm ich - Will Berthold


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      Carlotta lacht ihm ins Gesicht.

      »Ich werde auch Mittel und Wege finden, dich aus meiner Verlagsgruppe zu entfernen, selbst wenn ich unsere Häuser bis unters Dach belasten und den letzten Stuhl verpfänden muß.«

      »Besser würdest du wohl einen Irrenarzt in Mendrisio aufsuchen«, entgegnet sie kalt und tippt sich mit dem Finger an die Stirn. »Das ist billiger und nützlicher. Du willst dich von mir trennen? Du bleibst an mich gebunden, solange du lebst, du Schlappschwanz!«

      »Ich werde dir ein faires Angebot machen«, antwortet Kronwein, mühsam beherrscht. »Ich möchte die Sache so lautlos wie möglich regeln. In deinem wie in meinem Interesse.«

      »Du bist ja wirklich verrückt«, versetzt Carlotta.

      »Wenn du im Gerichtssaal mit Dreck um dich werfen willst – na bitte, ich halt’s aus.«

      »Über Leichen vorwärts!« spottet sie. »Gerichtssaal? Du bist wirklich ein Dummkopf. Meinst du, ich habe deine krummen Touren vergessen? Das gefälschte Testament? Den Steuerbeschiß? Die fingierten Anweisungen? Die manipulierten Abrechnungen?«

      »Du willst mich also erpressen«, erwidert der Verleger.

      »Nenn es, wie du willst. Zunächst möchte ich nur dein Gedächtnis auffrischen. Und dann wirst du bei mir zu Kreuz kriechen, und zwar auf dem Bauch.« In der Tür bleibt Carlotta stehen, dreht sich noch einmal um. »Mich loswerden?« höhnt sie. »Da müßtest du mich schon umbringen. Aber dazu bist du ja wohl zu feige.« Sie wirft die Tür zu.

      Der Geschmähte droht k.o. zu gehen durch den Schlag unter die Gürtellinie. In Gedanken hat er Carlotta schon hundertmal ermordet, was nichts daran ändert, daß sie noch lebt. Er muß ihr alles zutrauen. Sie ist tatsächlich in der Lage, ihn ins Gefängnis zu bringen. Kronwein faßt sich mit der Hand in den Kragenausschnitt, als spüre er das Dressurband um den Hals.

      Er geht an sein Versteck in der Schreibtischschublade, holt die Flasche Cognac heraus, gießt sich einen ordentlichen Schluck ein, kippt ihn in einem Zug. Der Alkohol wattiert seinen Zorn, aber er weiß nur zu gut, daß er sein Problem weder durch Alkohol noch durch Streit oder Haßausbrüche lösen kann. Es macht wenig Sinn, der Schlangengrube für Stunden oder Tage zu entgehen.

      Er muß sie sprengen. Das ist ihm bisher immer mißlungen, weil er es nie ernsthaft gewagt hat.

      Viel zu früh fährt Kronwein ins Dorf, versucht sich auf Kamossa einzustellen, aber seine Gedanken taumeln immer wieder zu Carlotta zurück. Er ist ein schlechter Fahrer und zudem zerstreut. Er bremst im letzten Moment, Beinahe hätte er eine Fußgängerin überfahren. Das hätte ihm an diesem Tag gerade noch gefehlt – es sei denn, die Frau hieße Carlotta.

      Er findet eine Parklücke, zwängt mit großer Mühe seinen Jaguar hinein, steigt aus und durchschreitet die hübsche Parkanlage zwischen dem › Ascolago‹ und dem Schloßhotel, dem alten ›Castello dei Grilioni‹, dem falsche Zinnen aufgepfropft wurden wie dem Garten Eden die Steuerflüchtlinge.

      Kronwein passiert blicklos die leuchtenden Blumenrabatten. Fast ganzjährig blüht und grünt die Tessiner Landschaft. Den frühen Mimosen und Forsythien folgen die Kamelien, Magnolien, Azaleen und der Rhododendron, der Ginster und im späten Sommer noch die Glyzinie.

      Wenn die kalte Jahreszeit der Flora zusetzt, blüht zumindest noch der Klatsch, und der nicht nur zur Winterszeit. Die Wahlbürger der Prominenten-Oase begrüßen einander mit ›Buon Giorno‹ oder ›Buona Notte‹, aber – so spotten die Eingeweihten – die echte Ascona-Floskel müßte lauten: ›Wie geht’s mir?‹, da der Gesprächspartner immer besser weiß, wie es um den Begrüßten steht.

      Ascona ist zu klein für Diskretion oder Geheimnisse. Die ausländischen Privilegierten der schweizerischen Sonnenstube – neben Nordschweizern, Italienern, Deutschen und Amerikanern, Engländern und Schweden auch ein paar Exoten – verkehren in den gleichen Cafés, speisen in denselben Restaurants und amüsieren sich in den nämlichen Nachtklubs. Wie in den Salons und in den Betten, bei den Friseuren und in den Schönheitswerkstätten so werden auch in den Lokalen Tag und Nacht Gerüchte gargekocht, Beobachtungen weitergegeben, ausgeschmückt oder erfunden – die Fama als Tausendfüßler.

      Der Verleger schlendert unter den Platanen entlang. Er sieht, wie ihn in den Straßencafés auf der anderen Seite die Gäste erkennen, die Köpfe zusammenstecken und tuscheln. Kein Wunder. Die Szenen einer Ehe, die sich Carlotta und er ständig liefern, sind für die Tessiner Neubürger von höchstem Unterhaltungswert. Kronwein denkt an Carlotta, und der Magensaft gärt ihm im Mund.

      Seiner Frau gegenüber ist er ohnmächtig, und das macht ihn rasend. Erstmals ist er entschlossen, den gordischen Knoten um jeden – fast um jeden – Preis zu zerschlagen. Er überlegt seine nächsten Schritte, erwägt, nach München zu reisen, um sich mehr um seinen Verlag zu kümmern und dabei die Scheidung vorzubereiten. Dann begreift er, wie nutzlos das wäre; Carlotta, die ihre Spitzel im Haus hat, würde es sofort erfahren, ihm nachfolgen, überall herumschnüffeln und dabei womöglich noch auf ganz andere Dinge stoßen als diese lästige Melber-Affäre.

      Was tun? Der Verleger bleibt ratlos, sicher nur in einem: Daß er heute nicht in die häusliche Schlangengrube zurückkehren wird.

      »Hallo, Kronwein!« ruft Grevenich über die Straße. Der frühere Abgeordnete des Bundestags erhebt sich und winkt: »Keine Lust auf einen Frühschoppen?«

      Der Verleger sieht auf die Uhr. Er hat noch reichlich Zeit bis zu seiner Verabredung mit Henry Kamossa. »Keine schlechte Idee«, entschließt er sich und geht auf die andere Straßenseite.

      Die Piazza ist bereits seit Stunden überfüllt. Im ›Al Pontile‹ sitzen die Gäste dicht gedrängt, aber für einen Mann wie Kronwein wird immer ein Stuhl herbeigeschafft. Sie sitzen in der letzten Reihe, mit dem Rücken zur Wand, abgeschirmt gegen den Straßenlärm, sicher vor Zuhörern.

      »Was trinken Sie?« lädt ihn Grevenich ein.

      »Zunächst einmal einen ›Rémy-Martin«, erwidert der Verleger.

      »Cognac am Morgen, Kummer und Sorgen«, albert der Frankfurter Rechtsanwalt. »Wie kann man nur an einem solchen Tag eine so saure Miene zeigen?« bemerkt der Ex-Politiker.

      »Ich hab einen fürchterlichen Auftritt mit meiner Frau hinter mir«, versetzt der Verleger nach kurzem Zögern.

      »Das Allerneueste«, erwidert der massive Mann mit der fettigen Stimme lachend. Im Parlament war er ein Hinterbänkler, der über Nacht bekannt wurde, als er von der Regierungspartei in die Opposition übertrat und ihr dadurch in einem Länderparlament die knappste Mehrheit verschaffte. Man munkelte hinter vorgehaltener Hand, daß bei dem politischen Gesinnungswandel Kamossas Geld die Hauptrolle gespielt habe, aber es gab keine Beweise dafür, auch wenn sich Grevenich ein Jahr später eine Tessiner Villa leisten konnte.

      »Wollen Sie sich wieder mal scheiden lassen?« fragt der Anwalt belustigt.

      »Diesmal ist es mir ernst«, erwidert Kronwein. »Ich muß sehen, wie ich das schaffe.«

      »In Ihrem Fall geht das natürlich nicht auf Armenrecht«, spottet Grevenich. »Wenn Sie sich wirklich schlüssig sind, rufen Sie mich an. Ich berate Sie gern. Kostenlos. Nichts ist aussichtslos«, tröstet er seinen Vielleicht-Mandanten. »Etwas geht immer.«

      »Sie haben Erfahrung mit schwierigen Scheidungsprozessen?«

      »Wovon lebte ein Anwalt Ihrer Meinung nach, bevor er Abgeordneter wurde?« entgegnet der Rundliche.

      »Sagen Sie mir bitte, wie man eine Frau los wird, die man zu zwanzig Prozent am Unternehmen beteiligt hat?«

      »Da gibt es schon Möglichkeiten«, versetzt der Jurist. »Sie könnten zum Beispiel Ihre Verlagsgruppe umgliedern und Ihrer Frau dabei ein Fünftel als selbständigen Teil abtreten.«

      »Dazu bräuchte ich ihr Einverständnis – aber daran ist nicht zu denken.«

      »Dann müssen Sie eine saftige Kapitalerhöhung vornehmen, bei der Ihrer Geschäfts- und Ehepartnerin, die Luft


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