Chefarzt Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Chefarzt Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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drehte sich um die eigene Achse.

      »Hier brennt irgendwas.« Als er den Rauch bemerkte, rutschte ihm das Handy aus der Hand. Er rannte los.

      »Wie bitte? Deniz? Hallo?«, rief Milan in den Apparat. »Kannst du mich hören? Sag doch was!«

      Doch der Holzboden gab keine Antwort.

      *

      Rebecca saß an einem der Tische unter Palmen und leerte die Tasse Tee. Von der Schönheit um sich herum bekam sie nichts mit. Mit ausdruckslosen Augen starrte sie vor sich hin. Lauschte auf die beängstigenden Fragen, die in ihrem Kopf kreisten wie das Blut in ihren Adern. Wie ging es Moritz? Was würden ihre Freunde zu der abgesagten Hochzeit sagen? War es besser, das Kind abzutreiben? Was war das mit Moritz überhaupt? Fragen über Fragen und keine Antwort in Sicht.

      »Geht es Ihnen besser?« Die Stimme der Bedienung riss sie aus ihren Betrachtungen.

      Rebecca rang sich ein kleines Lächeln ab.

      »Alles gut, vielen Dank.«

      Ein paar Geldstücke klimperten auf der Tischplatte.

      Die Bedienung achtete nicht darauf.

      »So sehen Sie aber nicht aus. Soll ich einen Doktor holen?«

      Rebecca schüttelte den Kopf.

      »Nein, danke. Es ist wirklich alles in Ordnung«, wiederholte sie und stand auf. Mit einem »Stimmt so!« verabschiedete sie sich und machte sich auf den Weg zu Moritz. Hoffentlich war es Dr. Norden gelungen, ihn mit guten Nachrichten aufzumuntern. Tapfer ignorierte sie das Brennen und Stechen, das sie seit Wochen begleitete. Im Augenblick gab es wichtigere Dinge. Wie zum Beispiel Moritz, der ihr auf Krücken auf dem Flur entgegenkam.

      Rebecca rieb sich die Augen. Doch sie irrte sich nicht.

      »Was machst du da?«, rief sie ihm zu.

      Ungeachtet ihrer Schmerzen verfiel sie in Laufschritt.

      »Wonach sieht es denn aus?« Er blieb stehen. Lehnte die eine Gehhilfe an die andere und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. »Ich hätte nie gedacht, dass es so schwierig ist, mit Krücken zu gehen.«

      »Darfst du das überhaupt schon?«

      »Die Nervenenden müssen stimuliert werden, um zusammenzuwachsen. Wenn ich wieder arbeiten will, muss ich üben, üben und noch einmal üben.«

      »Kannst du dir nicht wenigstens ein bisschen Ruhe gönnen? An der Schule gibt es doch bestimmt Lehrer, die deine Stunden übernehmen können, bis du wieder halbwegs fit bist.«

      Moritz griff wieder nach der Krücke. Schritt für Schritt kämpfte er sich vorwärts. Ein Glück, dass sich der Klinikflur um diese Uhrzeit langsam leerte. Die Hindernisse, die umkreist werden mussten, hielten sich in Grenzen.

      »In zwei, spätestens drei Monaten muss ich wieder fit sein, um meine Schützlinge auf das Abitur vorzubereiten. Wenn mir das nicht gelingt, kann ich als Sportlehrer einpacken. Dann bin ich meine Existenz los. Und dann? Wie soll ich dann bitteschön eine Familie ernähren? Mit Hartz IV?« Einem Peitschenhieb gleich knallten seine Worte über den Flur.

      Rebecca duckte sich. Oder war es der Schmerz, der sie zusammenzucken ließ? Das Wasser schoss ihr in die Augen.

      »Glaubst du, ich wollte unbedingt schwanger werden? Ausgerechnet jetzt?« Die Wimperntusche löste sich in den Tränen auf. Schwarze Bäche rannen über ihre Wangen. »Aber falls es dich erleichtert: Du musst dich nicht für mich verantwortlich fühlen. Ich komme schon allein klar.« Ein letzter, verzweifelter Blick. Rebecca fuhr herum und lief davon, so schnell es ihre wackeligen Beine erlaubten.

      Auf Krücken gestützt stand Moritz da und starrte ihr nach. Warum war sie denn plötzlich so wütend? Endlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Natürlich: Er hatte die ganze Zeit nur an sich gedacht. Nur von sich gesprochen. Über seine Probleme nachgedacht. An Rebecca hatte er in dem Chaos keinen einzigen Gedanken verschwendet. Dabei hatte sie ohne mit der Wimper zu zucken ihre Zukunft für ihn aufgegeben. Was war er für ein Idiot!

      Im Normalfall wäre es ein Leichtes gewesen, der Frau seines Lebens nachzulaufen. Sie auf Knien um Vergebung zu bitten. Doch jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr hinterher zu starren, bis der letzte Zipfel ihrer blutroten Strickjacke um die Ecke verschwand.

      *

      Nur mit Mühe gelang es Milan Aydin, den Rollstuhl am Feuerwehrauto vorbei zu zwängen, das halb auf dem Gehweg parkte. Im Normalfall regte er sich fürchterlich darüber auf, wenn die Rechte von Behinderten missachtet wurden. An diesem Tag verschwendete er noch nicht einmal einen Gedanken daran. Er bugsierte den Rollstuhl durch den Hausflur. Die Traube Menschen teilte sich vor ihm. Er sah nicht nach links und nicht nach rechts, als er durch die offene Tür in seine Wohnung fuhr. Zwei Feuerwehrleute kamen ihm entgegen. Dahinter entdeckte er Deniz. Der Anblick seines Bruders traf ihn wie die Banderilla den Stier.

      »Was fällt dir eigentlich ein? Nicht genug damit, dass du mich vor aller Welt zum Hanswurst machst, fackelst du jetzt auch noch meine Wohnung ab!« Seine Stimme überschlug sich. Spucketröpfen flogen durch die Luft. »Hast du im Drogenrausch einen von deinen Joints auf der Couch liegen gelassen? Oder die Wasserpfeife umgeworfen?«

      Ein Glück, dass Deniz weit genug weg stand. Er lehnte in der Tür zum Wohnzimmer und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. Es fehlte nicht viel, und Milan hätte ihm das überhebliche Grinsen aus dem Gesicht geschlagen.

      »Was gibts da zu lachen? Raus mit der Sprache! Wo hat es gebrannt?«

      Deniz grinste.

      »Nirgendwo. Die Feuerwehr war rechtzeitig hier. Außerdem war es nicht meine Schuld.«

      »Ihr Bruder hat recht.« Ein Feuerwehrmann kam ihm zu Hilfe. »Sind Sie der Eigentümer?«

      Milan schluckte die Beleidigung, die ihm auf der Zunge lag, hinunter. Er nickte.

      »Der bin ich.«

      »Sehr schön. Dann kommen Sie mal mit.« Der Mann mit dem Helm winkte ihn mit sich.

      In der Küche machte er Halt. Deutete auf das, was vom Dreifachstecker in der Ecke übrig geblieben war.

      »Wussten Sie nicht, dass Mehrfachsteckdosen nicht beliebig mit weiteren Mehrfachsteckern belastet werden dürfen?«

      »Ähm …« Milans Blick ruhte auf dem Turm an Steckdosen, den er selbst zusammengesteckt hatte. Wie ein Kind eine Fantasiestadt aus Legosteinen. Irgendwie musste er ja all die elektrischen Helfer betreiben, die seinen Alltag angenehm machten. »Ich habe doch eh nur die wichtigsten Geräte angesteckt.«

      Der spöttische Blick des Feuerwehrmannes ruhte auf Kaffeemaschine und Toaster, auf Eier- und Wasserkocher, Standmixer und elektrischem Ice Crusher.

      »Trotzdem haben Mehrfachsteckdosen eine Leistungsgrenze. Allein Kaffeemaschine und Wasserkocher benötigen jeweils eine Leistung von 3500 Watt. Doppelt so viel, wie eine Steckdose leiten kann. Die Folge sind überhitzte Mehrfachsteckdosen, die sich selbst und brennbares Material in Brand setzten können. Da genügt manchmal schon ein bisschen Staub, und die Bude brennt lichterloh.«

      Milan drehte sich zu seinem Bruder um.

      »Dann kannst du ja wirklich nichts dafür.«

      Mit Genugtuung bemerkte Deniz die Schamesröte auf den Wangen seines Bruders.

      »Ganz im Gegenteil. Du kannst froh sein, dass ich noch da war. Sonst wärst du jetzt obdachlos.«

      Milan räusperte sich umständlich.

      »Tut mir leid, dass ich dir die Schuld in die Schuhe schieben wollte.« Er wusste nicht, wo er hinsehen sollte, und entschied sich schließlich für den bunten Schal, der von Deniz’ Schultern baumelte.

      »Schon gut.« Deniz klopfte seinem Bruder auf die Schulter. »Ich schätze, damit sind wir quitt.« Er schulterte seinen Rucksack und winkte. »Mach’s gut, Bruderherz. Bis zum nächsten Mal.«

      »Moment!«,


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