Vom selben Blut - Schweden-Krimi. Åke Smedberg

Vom selben Blut - Schweden-Krimi - Åke Smedberg


Скачать книгу

      Anschließend fuhren sie wieder auf die Regionalstraße und warteten dort. Am Straßenrand wuchs noch grünes Gras vom Vorjahr, die grünen Flecken würden sich rasch ausbreiten und weiterwachsen. Sie saßen schweigend da. Die Hände des Mannes auf dem Lenkrad zitterten, als fröre er.

      Es war schon Nachmittag, als Leif Ahrén und Rydalen von der Kriminalpolizei eintrafen. Sie hatten zunächst in Rimbo angehalten und dort mit den Kollegen gesprochen, bevor sie sich auf den Weg zum Fundort gemacht hatten.

      Ahrén hockte sich neben die nackte Leiche und betrachtete sie. Dann blickte er zum Kriminaltechniker auf, der ihr gegenüberstand.

      »Sie heißen Modin? Peter? Stimmt das nicht?«

      »Nordin«, antwortete der andere mit einem schiefen Lächeln. »Und Stefan. Ansonsten stimmt es.«

      Aber Ahrén schien ihn kaum gehört zu haben.

      »Können Sie etwas hierüber erzählen?«, fuhr er stattdessen fort.

      »Ja, Sie sehen ja selbst die Kopfverletzungen«, sagte der Kriminaltechniker. »Wir können wohl annehmen, dass sie die Todesursache sind.«

      Er nickte in Richtung des Kopfes des Opfers. Die Gesichtszüge waren aufgrund der Verletzungen fast völlig unkenntlich.

      Ahrén saß eine Weile schweigend da und musterte die Leiche.

      »Was glauben Sie? Wurde er woanders erschlagen und dann hierhergebracht?«, fragte er.

      Der Kollege von der Spurensicherung schüttelte den Kopf.

      »Das habe ich am Anfang angenommen, aber es scheint nicht so zu sein. Vieles deutet darauf hin, dass das hier tatsächlich der Tatort ist. Wir glauben nämlich, dass wir die Waffe gefunden haben. Oder wie man das nun nennen soll. Diesen Betonklumpen dort. Wir haben Blutspuren gesichert.«

      Er zeigte auf ein Stück Beton ein paar Meter entfernt.

      »Ich glaube, dass es zu dem Bauschutt gehört, den irgendjemand dort weggeworfen hat«, fuhr er fort und machte eine Kopfbewegung in die Richtung. »Jemand hat ihn hierhergeschleppt und auf ihn eingeschlagen, als er am Boden lag. Jedenfalls denke ich, dass das wahrscheinliche Szenario so aussieht. Dann haben sie die Leiche ein paar Meter fortgeschleift und Müll darüber gekippt, in dem Versuch, sie zu verstecken. Aber das haben sie nicht besonders gut hingekriegt. Kopf und Oberkörper liegen frei. Vielleicht waren sie schlampig oder irgendein Tier war hier und hat an ihm gerissen.«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Die Alten, die ihn gefunden haben, haben einen ganz schönen Schreck bekommen.«

      Ahrén hockte immer noch da.

      »Er ist nackt«, sagte er.

      »Ja, aber er scheint nicht misshandelt worden zu sein, falls Sie daran denken. Und auch nicht verstümmelt. Das sehen Sie ja selbst.«

      Der Kriminaltechniker deutete wieder auf die Leiche.

      »Obwohl er gefesselt gewesen ist«, fuhr er fort. »Das können Sie auch sehen, an den Spuren an seinen Handgelenken und seinen Knöcheln.«

      »Was meinen Sie, wie lange hat er hier gelegen?«

      Der Andere machte eine Handbewegung.

      »Ein bis zwei Wochen, würde ich sagen. Aber es war in letzter Zeit kalt, und das wirkt sich sicherlich auch aus. Es kann also auch länger sein, aber nicht viel.«

      Ahrén richtete sich auf, blieb stehen und betrachtete immer noch die Leiche.

      »Er ist fast noch ein Kind«, sagte er nach einer Weile und schüttelte den Kopf. »Zwanzig, zweiundzwanzig?«

      Der Kriminaltechniker nickte.

      »Ja, so ungefähr.«

      Ahrén warf Rydalen einen Blick zu, der etwas weiter entfernt stand.

      »Na, was hältst du davon, Knut?«

      Rydalen wandte ihm sein hageres Gesicht zu.

      »Nichts«, antwortete er. »Noch.«

      Ahrén nickte.

      »Also, ungefähr so viel wie ich.«

      Nielsen sah auf die Uhr. Vier. Die Schmerzen in der Hüfte und das linke Bein hinab weckten ihn immer früher. Eine Weile blieb er noch liegen, vor allem aus Sturheit, dann setzte er sich auf, verließ das Bett, drehte hüpfend ein paar Runden im Zimmer. Meistens half das für den Augenblick, die Schmerzen ließen nach, und er konnte noch eine Stunde schlafen. Aber dieses Mal nicht. Der Schmerz führte ein Eigenleben, kroch nach unten, sandte schreiende Signale von Nervenbahnen aus, die es nicht mehr gab.

      Er setzte sich auf den Fußboden. Dehnte, massierte und begann, das Trainingsprogramm durchzugehen, das ihm sein letzter Krankengymnast zusammengestellt hatte. Das Programm war für ungefähr zwanzig Minuten gedacht, aber er hatte es bereits geschafft, die Zeit auf kaum mehr als fünf Minuten zu senken. Körperliches Training war nie eine seiner großen Leidenschaften gewesen. Er stand wieder auf, hüpfte in die Dusche. Stand eine Viertelstunde dort, bis er wieder ins Schlafzimmer ging, die Prothese nahm, sie befestigte und sich anzog. Die Zeitung war gekommen, er nahm sie und ging in die Küche. Er sah hinein, während der Kaffee kochte.

      Draußen wurde es schon hell. Frostiges Weiß lag auf der Erde zwischen den fünfstöckigen Häusern, der Himmel darüber blassblau. Er hob den Blick zu einem Flugzeugrumpf, der dort oben aufblitzte. Wie immer vermittelte ihm der Anblick das Gefühl, dass er eigentlich irgendwohin unterwegs sein sollte, etwas tun sollte, ja, dass er etwas versäumt hatte . . .

      Als das Telefon klingelte und die wohlbekannte Nummer auftauchte, reagierte er zuerst mit dem Rückenmark, wartete für einen Sekundenbruchteil darauf, Lasses Stimme zu hören, als er den Hörer abhob.

      »Ich muss mit dir reden«, sagte Gisela. »Wir müssen uns treffen.«

      Es war bereits zehn Uhr, als er klingelte, ihm geöffnet wurde und er ihr in die Wohnung folgte. Die Luft darin war stickig. Ein unverkennbarer Geruch von altem Müll drang aus der Küche. Er blieb einen Augenblick stehen, dann ging er zur Terrassentür und machte sie auf. Er ging an Gisela vorbei in die Küche, zur Spüle und kümmerte sich um Berge ungespülten Geschirrs. Spülte es ab und stellte es in die Spülmaschine.

      Gisela war ihm gefolgt und schaute ihn eine Weile an.

      »Was machst du da eigentlich?«, sagte sie, ihre Stimme klang plötzlich wütend.

      Er ordnete schweigend das Geschirr in die Maschine.

      »Versuchst du irgendwie, tüchtig zu sein?«

      Er wandte den Kopf, sah sie an.

      »Das steht hier, seit Lasse gestorben ist, oder? Und du warst seit der Beerdigung auch nicht mehr vor der Tür, nehme ich an?«

      Sie starrte ihn an, dann zuckte sie mit den Schultern.

      »Ich musste nachdenken, allein sein. Ich musste versuchen, das hier zu begreifen, was passiert ist. Ist das so seltsam?«

      »Und du hast hier drin geschlafen?«, fuhr er fort und nickte in Richtung des Zimmers zwischen Wohnzimmer und Küche.

      Durch die halb offene Tür sah er eine Matratze und verstreute Bettwäsche.

      Gisela sagte nichts und nickte nur.

      »Ja. Ich konnte einfach nicht da oben bleiben. Im Bett schlafen. Das ging einfach nicht . . .«

      Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung der oberen Etage, wo sich das Schlafzimmer befand.

      »Ich konnte auch kaum hier unten bleiben«, fuhr sie fort. »Nicht in der Wohnung. Ich habe ihn die ganze Zeit gesehen. Dachte immer nur daran, wie er dort gelegen hat, als ich nach Hause kam. Und wie kalt er war . . .«

      Sie schlang die Arme um den Brustkorb, atmete ein paar Mal tief ein.

      »Ich habe eine Matratze runtergetragen. Habe mich da drinnen eingerichtet. Im Arbeitszimmer. Ich


Скачать книгу