Wikinger - Die Entdecker Amerikas. Knut Lindh
daß es sich um ganz besonders schön geschnitzte Exemplare handelte.
Thorgest hatte danach offenbar genug vom Blutvergießen und brachte den Fall vor das Ting. Die Sache endete damit, daß Eirik und seine Männer für vogelfrei erklärt wurden. Das bedeutete, daß sie ihr Eigentum verloren und daß wer immer wollte sie töten durfte, ohne Strafe befürchten zu müssen. Wer ihnen half oder ihnen Unterkunft gewährte, galt danach ebenfalls als vogelfrei.
Es war ein hartes Urteil und Eirik wußte, daß Thorgest ihn überall in Island suchen ließ. Er mußte Island also verlassen, wenn ihm sein Leben lieb war, und er versteckte sich bei seinem Freund Eyolf auf Sviney, während in aller Heimlichkeit sein Schiff seefest gemacht wurde.
»Ich will die Gunnbjörnsschären finden«, vertraute er Eyolf an. »Wenn mir das gelingt, komme ich zurück.«
Eirik bezog sich auf einige Inseln, die Gunnbjörn Ulvssohn einige Jahre zuvor entdeckt hatte, als er den Kurs verloren hatte und nach Westen getrieben worden war. Vermutlich handelte es sich dabei um Inseln in der vor der grönländischen Südküste gelegenen und heute Ammassalik genannten Gegend.
Als das Schiff bereit war, hißten sie die Segel und hielten Kurs nach Norden. Einige von Eiriks Freunden begleiteten ihn bis hinter die Inseln vor Eiriksvåg. Als sie sich trennten, sagte Eirik: »Ich werde euch eine ebenso große Hilfe sein, wenn ich eine Gelegenheit dazu finde und ihr mich brauchen solltet.«
Eirik fand, wonach er suchte, ein Stück Land, das er Midjøkel nannte. Er segelte Richtung Süden an der Küste des neuen Landes entlang und untersuchte, ob es bewohnbar war.
Den ersten Winter verbrachten Eirik und seine Männer auf einer Insel vor der grönländischen Südküste. Das Land war kalt – ein großer Gletscher bedeckte damals große Teile des Binnenlandes. Doch an den Fjorden herrschte ein milderes Klima, und hier gab es ausgedehnte Weidegründe. Die Insel kam denen, die im Sommer vom offenen Meer aus auf sie zuhielten, wirklich grün vor.
Als der Frühling kam, segelten Eirik und seine Männer um die Südspitze des neuen Landes herum und fanden einen geeigneten Wohnplatz an einem Fjord, den sie Eiriksfjord nannten. Es war sehr schön dort, ein Grasteppich breitete sich zu Füßen des schneebedeckten Berges aus und erstreckte sich hinunter bis zum Fjord. Das Wasser war dunkel und tief und verbarg große Fischbestände. Hier war es möglich, sich niederzulassen und zu leben.
Das Wetter wurde wärmer und Eirik segelte ein Stück weit die Westküste hinunter. Unterwegs gab er den Orten, die sie passierten, Namen. Später erforschte er die Küste bis hinauf zum Snæfellsjökull im Norden. Den dritten Winter verbrachte er auf Eiriksinsel in der Mündung des Eiriksfjordes, und als dann der Sommer kam, kehrten sie nach Island zurück.
Die Sagas berichten, daß Eirik das neue Land Grönland nannte, um durch diesen schönen Namen neue Siedler anzulocken. Aber das muß nicht die zutreffende Erklärung sein. Anderen Quellen zufolge hat bereits 831 Papst Gregor in einem Brief an Ansgar, den Apostel des Nordens, der damals als päpstlicher Nuntius für die nordischen Länder fungierte, den Begriff »Groenlandia« benutzt. In diesem Brief teilt der Papst mit, Groenlandia solle dem Bistum Hamburg unterstellt werden. Wenn das zutrifft, dann waren vermutlich schon lange vor Eirik dem Roten Europäer auf Grönland.
Doch Eirik und seine Männer fanden bei ihrer Ankunft in Grönland weder Menschen noch Siedlungen vor – sie fanden nur Spuren der Inuit, die viel früher dort eingewandert waren. Die Vorfahren der heutigen Inuit, das Thule-Volk, erreichten die nordgrönländische Küste ungefähr zur selben Zeit, als Eirik der Rote sich im südlichen Teil des Landes niederließ. Das Thule-Volk kam aus Alaska, und die nordischen Siedler trafen sie später jedes Jahr auf der Jagd in einem Gebiet, das sie Norðrseta nannten, und das vermutlich in der Nähe der Diskobucht an der grönländischen Westküste gelegen hat.
Eirik besaß keinen Hof mehr auf Island, konnte aber den Winter bei Ingolf auf Holmlåt verbringen. Als der Frühling kam, wollte er mit Thorgest abrechnen. Es kam zum Kampf, Eirik wurde besiegt, kam jedoch mit dem Leben davon. Nach diesem Kampf, so heißt es, haben die beiden dann Frieden geschlossen.
Doch Eirik hatte nicht vor, auf Island zu bleiben. Er wollte zu den reichen Weidegründen am Eiriksfjord zurückkehren und er fuhr nicht allein. Insgesamt stachen in diesem Sommer fünfundzwanzig Schiffe von Island aus in westlicher Richtung in See. Vielleicht hatten sich bis zu dreihundert Menschen von Eiriks wunderschönen Beschreibungen von Grönland verlocken lassen. Sie mußten alles mitbringen, was sie im neuen Land für ihren Lebensunterhalt brauchten – Ziegen und Kühe, Pferde, Schweine und Proviant.
Die isländischen Neusiedler begaben sich auf eine gefährliche Reise, und das war ihnen auch bewußt. Im »Königsspiegel«1 wird vor vielen Gefahren im gröndländischen Meer gewarnt. Die nordischen Seeleute waren angeblich dort auf einen Troll gestoßen, den sie havstramb nannten, den Meermann. Es handelte sich um einen riesigen Seetroll, der vor hohem Wellengang und harten Stürmen senkrecht aus dem Wasser auftauchte. Er hatte Schultern, Hals und Kopf eines Mannes, sein Unterleib jedoch wurde von seinen Hüften abwärts immer schmaler. Die einen behaupteten, das Ungeheuer habe einen Fischschwanz, die anderen wollten wissen, daß sein Körper unten spitz zulaufe wie ein Pfahl.
Andere Seefahrer wollten auf margyger gestoßen sein, die im »Königsspiegel« als Meerfrauen beschrieben werden: »Sie waren vom Gürtel nach oben beschaffen wie Frauenzimmer, denn sie hatten große Brustwarzen wie eine Frau, dazu lange Arme und lange Haare, und Hals und Kopf waren in jeglicher Hinsicht denen der Menschen gleich. Die Hände dieses Trollwesens schienen groß zu sein, doch ihre Finger konnten sie nicht trennen, sie waren verbunden durch eine Art Schwimmhaut, wie sie zwischen den Zehen der Seevögel sitzt. Unterhalb des Gürtels sahen diese Wesen aus wie Fische, mit Schuppen, Fischschwanz und Flossen.«
Diese Variante der Meerfrauen hat sich angeblich so verhalten wie der Meermann und ist fast nur vor großen Stürmen aufgetaucht.
Der »Königsspiegel« beschreibt auch die havgjerdinger, die »aussehen wie alle Meeresstürme und alle Wellen, die es in diesem Meer gibt, sie treffen sich an drei Stellen, und dabei entstehen drei Wellen. Diese drei sperren das ganze Meer ab, die Menschen sehen nirgendwo eine Öffnung, und sie sind höher als große Berge und ähneln meist steilen, spitzen Berggipfeln«.
Wir wissen nicht, ob Eirik der Rote und die anderen Auswanderer sich diesen Wesen stellen mußten. Wir wissen aber, daß nur vierzehn Schiffe Grönland erreichten, die anderen erlitten Schiffbruch oder mußten umkehren. Doch die, die Grönlands Küsten erreichten, fanden, was sie gesucht hatten – saftige Weiden, Fjorde voller Kabeljau, Flüsse und Seen reich an Saibling, zeitweise wimmelte es nur so von Vögeln und in Eiriks Land gab es mehr Wild, als sie zu träumen gewagt hatten: Wal, Seehund, Walroß, Rentier und Eisbär. Die Walroßjagd gewann schließlich große Bedeutung – die langen Walroßzähne waren in Europa ebenso begehrt wie Elfenbein und aus der Haut stellten die Siedler Schiffstrossen von hoher Qualität her.
Grönlands neuer Bevölkerung fehlte es nur an einem, nämlich an Holz. Schon damals gab es auf Grönland keine Wälder, nur Weidengestrüpp und vereinzelte Birken, weshalb sie ihre Häuser aus Steinen und Grassoden bauen mußten. Holz für Dachstühle und Pfosten lieferte ihnen vermutlich Treibholz, das an den Stränden angeschwemmt wurde. Der einzige Brennstoff, den sie hatten, war ebenfalls Treibholz, das sie auf ihren Jagdausflügen entlang der Küste sammelten.
Sie ließen sich in der Ostsiedlung im Süden und in der Westsiedlung im weiter nördlich gelegenen Fjordgebiet nieder. Die Siedler wollten am liebsten im Fjordinneren wohnen. Dort herrschte ein milderes Klima als am offenen Meer und es gab die besten Weidegründe. Doch nicht alle dachten so. Einige siedelten sich trotzdem an der Küste an, und auch oben unter dem Eis im Binnenland sind Hausruinen gefunden worden.
In den folgenden Jahren stieg die Bevölkerung an, bis schließlich zwischen dreitausend und sechstausend nordische Siedler dort hausten, verteilt auf etwa dreihundert Gehöfte. Dänische Archäologen haben Überreste von fast all diesen Höfen und außerdem die Ruinen von neunzehn Kirchen und zwei Klöstern gefunden.
Auch Brattahlið, der Hof Eiriks des Roten, und die Kirche, die Thjodhild der Saga nach errichten ließ, nachdem sie