PREDATOR X. C.J. Waller

PREDATOR X - C.J. Waller


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man sich versieht, wird man unter Hunderten Tonnen davon zerquetscht – ein noch triftigerer Grund ist die Atmosphäre. Die ist nämlich heavy, aber nicht im Sinn von »echt heavy, Mann«, sondern buchstäblich, eine wirkliche körperlich wahrzunehmende Schwere. In der Tiefe kann es passieren, dass man Atemprobleme bekommt. Gott (oder jedenfalls jenen netten Technikern der Fujiyama Corporation) sei Dank hat jemand ein anständiges Gerät auf kinetischer Basis entwickelt, das Luft filtert und zugleich als Lichtanlage dient. Diese spielt wiederum wegen der zweiten Eigenart von Höhlen eine wichtige Rolle, denn sie sind dunkel, und damit meine ich rabenschwarz oder so finster, dass man die Hand vor Augen nicht mehr sieht. Da unten gibt es keinerlei Lichtquelle; hat es nie gegeben, was aber nicht bedeutet, dass dort nichts lebt.

      Das war eine ziemliche Überraschung. Wir erwarteten schon, auf das eine oder andere Anzeichen von Leben zu stoßen, Sie wissen schon, Algen und so weiter. Die schiere Vielfalt der Arten allerdings – alle bislang nicht von der Wissenschaft entdeckt, oder zumindest gehen wir davon aus – ist wirklich atemberaubend. Zu schade, dass es sich ausschließlich um verdammt gruseliges Getier handelt: Spinnen, Tausendfüßler, seltsame Würmer mit Mäulern voller Haken und andere Schönheiten, doch das beweist nur einmal mehr, dass das Leben in der Tat stets einen Weg findet.

      »Um Himmels willen, Meg!«, flüstert eine Stimme in der Dunkelheit. Ich schaue mit einem Stift in der Hand auf. Es ist Marcus, der mir wieder einmal auf die Nerven fällt. Oh Wunder. »Ständig musst du irgendetwas schreiben. Wir haben Kameras, um diesen Scheiß aufzuzeichnen, du brauchst deine Finger nicht zu bemühen.«

      Er grinst. Auch wenn er oft wie ein ausgemachtes Arschloch klingt, ist Marcus in Ordnung, sobald man sich erst einmal an ihn gewöhnt hat. Er gehört zu der Mannschaft, die für den Umgang mit Notsituationen geschult worden ist, und hätte sich eigentlich Team Alpha anschließen sollen, doch eine Verletzung hinderte ihn daran, und so lautstark er sich auch dagegen ausspricht, kann er meiner Meinung nach recht froh darüber sein, dass er hier ist, wenn man die gesamten Umstände betrachtet.

      Wir sind schon ein paar Stunden hier. Es gilt, in ein gefährliches Loch zu steigen, wozu sich Nik und Janos als Vorhut angeboten haben. Natürlich hat das Alpha-Team den Weg bereits vorgegeben, aber die beiden wissen, dass niemand von uns auf diesem Feld erfahren ist, also gehen sie sicherheitshalber voraus.

      Langsam mache ich mir doch ein wenig Sorgen. Wir mussten schon mehrmals stehen bleiben und warten, aber noch nie so lange. Ich ertappe mich dabei, wie ich in die unendliche Finsternis des Abgrunds vor uns schaue, und gerne wissen würde, ob das schwache Licht dort von ihren kinetischen Fackeln ausgeht oder ob meine Augen vielleicht versagen, sodass das Gehirn einfach die Leerstellen ausfüllt.

      Selbst Marcus schweigt jetzt. Fi hat die Augen geschlossen; wie kann sie so schlafen? Ich brauchte ewig, um mich zu akklimatisieren. Sie hat vermutlich einfach mehr Erfahrung. Brendan andererseits hält es wie ich, er schreibt in einem fort und lässt nichts aus. Womöglich ist er sogar noch schlimmer als ich. Hier unten erleben wir den feuchten Traum jedes Ökologen. Ich glaube, falls wir noch eine weitere Spezies entdecken, wird er vor Aufregung explodieren.

      Von unten ertönen leise Echos. Obwohl ich weiß, dass es nur Nik und Janos sind, die zurückkommen, habe ich plötzlich Herzklopfen. Niemand spricht darüber, aber dass sich jeder in Gedanken mit dem Verschwinden von Team Alpha beschäftigt, ist offensichtlich. Keiner weiß, was gerade mit ihnen geschieht. Wir hoffen, dass ihnen bloß die Ausrüstung hinuntergefallen ist … aber wieso sind sie dann bis jetzt noch nicht zurückgekehrt? Nein, ich will gar nicht weiter darüber nachgrübeln. Noch nicht, nicht eher, bis …

      Ich kneife die Augen zusammen und schlucke angestrengt. Warum verschwende ich auch nur einen Gedanken daran? Konzentriere dich doch einfach auf das, was ansteht. Es gibt schließlich genug, worüber ich mir Gedanken machen müsste, ohne … all das.

      Jemand streckt gerade seinen Kopf über die Kante der Felszunge: Janos. Er schaut ziemlich düster drein, aber das macht mir keine Angst, denn er sieht immer so aus, ungefähr so, wie ein abgebrühter Hollywoodheld. Als ich ihn kennenlernt habe, habe ich fast erwartet, dass er klischeehafte Phrasen dreschen und wie Dirty Harry reden würde, aber in Wirklichkeit ist er ein sehr ernsthafter Mensch, der nur viel spricht, wenn es nötig wird.

      »Nikolay ist noch unten geblieben, um das Seil festzuhalten«, erklärt er. Es klingt, als verlese er gerade eine Totenanzeige. »Der Abstieg wird nicht leicht werden, aber immer noch besser als geahnt.« Er wendet sich an Marcus. »Sie sollten zuerst gehen, dann der Forscher oder die Forscherin, hinterher Fiona und zuletzt der oder die andere. Ich komme dann hinterher.« Nach diesen Worten nickt er und lässt sich am Rand des Schachts nieder. Er weiß, dass niemand ihm widersprechen wird, nicht in diesen Belangen. Janos mag sich zwar manchmal wie ein elender Hurensohn benehmen, verfügt aber, wenn es um Höhlen geht, über einen Instinkt, dem zu vertrauen wir mittlerweile alle gelernt haben.

      Marcus hat nichts dagegen, sich als Erster abzuseilen, und schlägt mich als Nächstes vor. »Ich werde Brendan bestimmt nicht auf dem ganzen Weg nach unten auf den Arsch starren«, meint er grinsend. Normalerweise hätte ich mich über seine Sticheleien aufgeregt, aber jetzt nicht, denn er ist harmlos.

      Mir wird flau im Magen, als mir Janos hilft, mich über die Kante zu schwingen. Abgesehen von Marcus' Kopflampe zehn Fuß unter mir gibt es kein Licht, ich könnte ebenso gut einen Schritt ins Leere machen. Nachdem mir Janos gezeigt hat, wo ich mich festhalten kann, lege ich los, während ich mich an den mit Bedacht platzierten Führungsleinen orientiere.

      Er hat nicht übertrieben, dieser Abstieg ist wirklich eine heftige Angelegenheit. Ich höre, wie Marcus unter mir vor sich hinmurmelt. Wenn ich hinunterschaue, blicke ich selten direkt in den Strahl seiner Lampe. Vermutlich ist der Witz, dass er es bevorzugt, lieber meinen als Brendans Arsch zu sehen, längst vergessen, nun da er so sehr darauf achten muss, wohin er seine Füße setzt.

      Meine Beine tun mittlerweile so weh, dass ich schreien könnte. Ich bin zwar fitter denn je, doch das bedeutet nichts; jeder Schritt ist trotzdem eine Qual. Mann sollte eigentlich meinen, irgendwo hinunterzusteigen sei leichter als rauf, aber Pustekuchen. Denn Hochklettern heißt, dass man weiß, wohin man gelangt, aber die Gegenrichtung? Das ist größtenteils Spekulation oder kommt mir zumindest immer so vor.

      Ich hole tief Luft und halte einen Moment lang inne, bevor ich meinen Sicherheitsgurt aushake, um mich an der nächsten Reihe von Seilen einzuklinken. Obwohl es nur eine Sekunde dauert, werde ich das Gefühl nicht los, genauso schnell abrutschen zu können. Erst als der D-Ring hörbar einrastet und ich ihm einen Ruck gebe, atmete ich aus. Wieder sicher … na ja, wenigstens ein bisschen.

      Ich schaue nach oben. Drei kleine Lichtpunkte tänzeln über mir, nachdem sich die anderen auf den Weg nach unten gemacht haben. Die Luft hier schmeckt eigenartig: kalt und metallisch. Die Wände sind trocken. Wir befinden uns zu tief in der Erde für Grundwasser, weshalb uns die vorausgegangene Nachricht über den unterirdischen See umso mehr verblüfft hat. Ich meine, wie zur Hölle konnte er entstehen, wenn kein Wasser durch das Gestein sickern konnte? Ebendies ist das Aufregende daran: Es sickerte wirklich nicht.

      Es war schon immer da!

      Ich arbeite mich Stück für Stück tiefer nach unten. Mein Bauch kribbelt mittlerweile. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, ob wir bald da sind. Wir berufen uns stets zum überwiegenden Teil auf Mutmaßungen. Als Wegweiser dienen uns die Markierungen von Team Alpha, aber das war es im Grunde genommen auch schon. GPS funktioniert hier unten nicht, denn die Felsen sind zu dick, und es herrscht eine unterschwellige Strahlung, die zwar relativ ungefährlich für uns ist (ich würde trotzdem ungern Monate hier verbringen, wenn ich irgendwann einmal Nachwuchs zeugen möchte), aber die meisten elektrischen Geräte, die wir dabeihaben, verrückt spielen lässt, was mich leicht beunruhigt.

      »Okay, wir nähern uns nun dem Boden«, ruft Marcus nach oben. Gut, denn meine Arme tun jetzt schon genauso weh wie meine Beine, weshalb ich noch lauter schreien könnte und am liebsten loslassen würde.

      »Unten!« Ein weiterer Ruf, gefolgt von lautem Wispern, das sich in der stehenden Luft viel leichter trägt. »Wo zum Teufel steckt Nik?«

      Mein Magen dreht sich fast um. Wir


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