PREDATOR X. C.J. Waller

PREDATOR X - C.J. Waller


Скачать книгу
die Stelle, an der sie waren – was wiederum weitere Fragen aufwirft, angefangen bei: Wo zum Henker kommt dann der Fußabdruck her?

       Unser Problem besteht jetzt darin, dass wir nirgendwo anders mehr hingehen können, außer ins Wasser.

      Ersten Gesteinsproben zufolge datieren viele Felsen in diesem Bereich aufs Paläozoikum zurück, was bedeutet, dass er schon verflucht lange mehr oder minder geologisch stabil ist. Falten haben sich dabei so gut wie gar nicht gebildet, und ich freue mich sehr, ein paar bestens erhaltene Fossilien von Trilobiten gefunden zu haben, über die sich die Paläontologen unter meinen Kollegen bestimmt nicht mehr einkriegen werden, falls mir ein Vorwand einfällt, um sie aus diesem System schleusen zu können. Auch Brendan springt vor Freude im Dreieck, nimmt Proben der Bakterien und stellt kleine Fallen in den Pfuhlen auf, die sich hier und dort zwischen den Felsen am Rande des Wassers gebildet haben.

      »Begreifst du das denn nicht?«, fragt er mit fasziniertem Blick. »Das heißt, hier herrschen Gezeiten vor. Es handelt sich also tatsächlich um ein Meer.«

      Trotz allem quittiere ich das mit einem Grinsen. Ja, Brendan, schon kapiert, dieser Ort als solcher stellt den Inbegriff des Unglaublichen dar.

      Nach mehreren Stunden sind wir wieder alle zusammen und besprechen unseren nächsten Schritt. Schon seltsam, jetzt wo wir hier sind, wissen wir nicht mehr genau, was wir eigentlich tun sollen. Wir können sozusagen bestätigen, das Alpha-Team gesichtet zu haben, falls der Fund einer einzelnen Fußspur als Sichtung zählt … aber was dann?

      Fi versucht, unseren Bericht zurückzuschicken, aber beim Übertragen hapert es. Vielleicht ist dem Team genau das Gleiche passiert, aber auch das zieht wieder mehr Fragen als Antworten nach sich. Schön und gut, wenn sie nichts übertragen konnten – doch wo stecken sie dann?

      Ich lasse den Blick über das kalte, schwarze Wasser dieses unterirdischen Meeres schweifen. Obwohl es windstill ist, kräuselt sich die Oberfläche. Im unwirklichen Halblicht, das die Bakterien abgeben, sieht es schön aus und verstört doch zutiefst. Ab und zu höre ich es platschen, woraufhin sich mir die altbekannte Fantasie aufdrängt. Bis zu hundertsechzig Millionen Jahre von der Erdoberfläche abgeschnitten … Was um alles in der Welt könnte dort unten ruhen … und wollen wir es wirklich herausfinden?

      »Sind Sie wieder auf dem Damm?« Diese Frage kommt von Janos, der sich erneut wie der Papa unserer Gruppe benimmt.

      Ich nicke. »Bin bloß am Nachdenken.«

      »Worüber?«

      »Über das, was dort unten leben könnte. Inwiefern es anders sein könnte. Vorausgesetzt natürlich, es hat lange genug überdauert, um sich anders zu entwickeln.«

      Er verzieht das Gesicht, das ist seine Art, zu lächeln.

      »Es könnte alles Mögliche sein«, entgegnet er.

      Ganz genau, Kumpel, du sagst es.

      »Moment mal … Das ist seltsam.« Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf Brendan. Er setzt gerade den Restlichtverstärker ein, um die Oberfläche abzusuchen, und sieht mit dem übergroßen Gehäuse komischerweise wie ein Insekt aus. »Es leuchtet bis dorthin über das Wasser, als gebe es dort irgendeine Felszunge oder so etwas in der Art.«

      Wir schauen einander an. Sagen müssen wir nichts, um zu wissen, dass wir alle das Gleiche denken: Dort könnte das Alpha-Team abgeblieben sein.

      »Wir sollten nachsehen gehen«, schlägt Marcus vor. Nik wirft ihm einen abfälligen Blick zu.

      »Ich fände es besser, etwas mehr Zeit als nur ein paar Stunden hierzubleiben, um uns zuerst einmal einzurichten …«

      »Einzurichten wofür?«, unterbricht ihn Marcus. »Viel mehr als diese Höhle gibt es nicht, weder andere noch Schächte nach unten oder Abzüge nach oben. Sie ist eine Sackgasse, und außerdem: Warum haben wir denn das Schlauchboot mitgeschleppt, wenn wir es jetzt nicht benutzen?«

      Ein gutes Argument. Obwohl es deutlich leichter ist, als herkömmliche Modelle, wiegt das Gummiboot immer noch eine ganze Menge. Es mitzunehmen, ohne es einzusetzen, fände auch ich unsinnig, besonders da wir es allein aus dem Grund getan haben, um dieses Gewässer so gründlich wie nur möglich zu untersuchen. Gleichzeitig kann ich aber auch Niks Standpunkt nachvollziehen. Keine Ahnung, woran es liegt, doch diesem Meer oder See wohnt unleugbar etwas Unheilvolles inne. Vermutlich lässt es sich einfach darauf zurückführen, dass der Ort so verdammt alt und sehr lange unentdeckt geblieben ist … aber bei aller Schönheit kommt er mir trotz allem bedrohlich vor, wild und nicht zu bändigen.

      Wir diskutieren noch eine Zeit lang, einigen uns aber letzten Endes darauf, etwas länger zu bleiben und weitere Proben zu nehmen – in erster Linie vom Wasser und dazu noch ein paar Felssplitter (das Credo »Nimm nichts mit außer Erfahrung« ist uns wirklich in Fleisch und Blut übergegangen), bevor wir uns darauf vorbereiten, den See etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

      »Also, wie tief ist er?«, fragt Fi, während sie das kleine gelbe Viereck auspackt, das sich wie durch Zauberhand zu einem Vierpersonenboot aufblasen wird.

      Brendan zieht die Mundwinkel hinunter. »Wie ich das angeben soll, ohne eingetaucht zu sein, weiß ich nicht, aber ich kann versuchen, es herauszufinden.«

      Er nimmt ein langes Stück Seil und knotet ein Ende um einen Stein. Darüber befestigt er eine Fackel. Wir schauen zu, wie er hinaus ins Wasser watet, wobei er grinst wie ein Fünfjähriger, der zum ersten Mal vorne in einem Feuerwehrauto mitfahren darf. Was insofern ironisch ist, weil ich mit einem Mal den dringenden Wunsch verspüre, ihn aufzufordern, sofort das Wasser zu verlassen, und nein, keine Diskussionen, verdammt noch mal einfach schleunigst zurückzukommen. Ich muss mich regelrecht dazu zwingen, es nicht zu tun. Natürlich, es ist dunkel, unheimlich und abgefahren, aber wir leben weder in den Achtzigern, noch ist das hier ein Camp am Lake Crystal, also muss ich mich zusammenreißen. Er geht etwa zehn Fuß weit, bevor er bis zu den Hüften im Nassen steht. Wegen des schwarzen Wassers hinter ihm sehen wir ihn schlecht, bis er die Fackel umknickt, woraufhin alles in der Umgebung schlagartig dämonisch dunkelrot leuchtet, das Wasser rings um ihn wie Blut.

      Er lässt die Fackel nun ins Wasser fallen. Sie sinkt und wird dabei immer kleiner. Währenddessen bleibt einzig ein rotes Glimmen sichtbar, ehe sie endgültig verschwunden ist.

      Mehrere Minuten vergehen, dann holt Brendan das Seil wieder ein und watet zurück zu uns. Er schüttelt verwirrt den Kopf.

      »Nun?«, fragt Nik.

      »Es ist tief«, antwortet Brendan. »Die Leine ist fünfzig Fuß lang, und ich habe kein einziges Mal gespürt, dass sie irgendetwas gestreift hat. Das Bett fällt einfach ab, und zwar steil.«

      »Wie ein Graben«, erklärte ich.

      »Wie ein was?«, hakt Fi nach.

      »Ein Graben. Senkrecht nach unten, als wenn man an den Rand eines Riffs gelangt, das unvermittelt abbricht.«

      Brendan nickt. »Ja, exakt so ist es. Das Wasser, das hochsteigt, ist außerdem recht kalt, ein weiteres Anzeichen dafür, dass es tief hinuntergeht.«

      »Wie tief?«, beharrt Nik.

      »Das weiß nicht. Könnten hundert oder tausend … ja, verdammt, sogar noch viel mehr Meilen sein. Ohne anständige Ausrüstung ist Ihre Schätzung so stichhaltig, wie meine.«

      »Folglich sind wir also auf ein unterirdisches Meer gestoßen, das Tausende Fuß tief ist?«, rekapituliert Fi.

      Brendan tut gelassen. »Möglicherweise.«

      »Wahnsinn.« Sie strahlt. »Wer als Erster im Boot ist.«

      ***

      Bis es sich aufgeblasen hat, vergeht keine ganze Minute. Nik wird uns hinüberrudern. Die kurzen, roten Paddel sehen ein bisschen abgenutzt aus, aber er ist sich ziemlich sicher, dass sie ihren Zweck noch erfüllen, auch weil das Wasser ruhig zu sein scheint. Wir kommen überein, zuerst Marcus, Brendan und Fi zu befördern. Dann wird Nik zurückkommen, um mich und Janos mitnehmen,


Скачать книгу