PREDATOR X. C.J. Waller
niemand verletzt?«
»Scheiße, was war das?«
Die durcheinander gestellten Fragen bringen mich nun endlich zur Besinnung: Zwar nur ein klein wenig, aber das genügt mir, um mich endgültig zusammenreißen zu können. Was das Boot auch getroffen haben mag, hat sich bewegt, und das heißt, ich muss schleunigst aus dem Wasser kommen. Ich rudere mit den Armen und trete mit den Beinen, während ich mich bemühe, mir meine Schwimmfähigkeit wieder ins Gedächtnis zu rufen. Dann spüre ich plötzlich einen merkwürdigen Zug, so als sei ich in eine Strömung geraten. Ich schaue mich um, erkenne aber nichts in der Dunkelheit.
»Schwimmen!«, schreit Janos und lässt die Überreste des Bootes nun los.
Ich bin keine sonderlich gute Schwimmerin. Wenn es um langsamen Brustschlag geht, macht mir für gewöhnlich niemand etwas vor, aber das war es dann auch schon. Trotzdem bin ich wie eine Olympionikin gekrault, um das Boot hinter mir zu lassen, und Janos zum Licht hin gefolgt – an den Strand, wie ich hoffe. Hinter mir spritzt erneut eine Fontäne hoch, und es knallt ohrenbetäubend laut, als die letzte Luftkammer in den Schläuchen unter … ja, was auch immer nachgibt. Ich kann mir nicht vorstellen, was es ist, und will es auch gar nicht wissen, sondern ich will einfach nur weg davon. Ich trete hektisch mit den Beinen und verdränge das Wasser mit den Händen, bis meine Finger endlich Felsen berühren. Dann wird mir klar, dass ich aufstehen kann. Ich laufe und torkele zu gleichen Teilen ins seichte Wasser, wo mich Marcus schließlich abfängt.
»Das darf doch nicht wahr sein, Meg!«, ruft er mit Augen, so groß wie Untertassen. »Was ist denn da gerade bitteschön passiert?«
Ich kann ihm keine Antwort geben, weil es mich gerade große Anstrengungen kostet, mehrere Mundvoll Salzwasser zu erbrechen und wieder Luft zu holen. Janos tut das Gleiche.
»Wo ist Nik?«, fragt Fi.
Ich richte mich schwankend auf.
»Er … er war … gleich hinter mir«, ringt sich Janos ab.
Ich bekomme einen weiteren Hustenanfall, als würde sich die Angst wie klebrige Ranken um meinen Hals schlingen. Niemand spricht, während wir das Ufer absuchen.
Doch Nik ist nirgendwo zu sehen.
Kapitel 3
Wir riefen gefühlte Stunden über das Wasser des urzeitlichen Sees hinweg und hofften darauf, Nik so zurück zu uns lotsen zu können, aber er antwortete nicht und schien einfach verschwunden zu sein. Nacheinander gaben wir unsere sinnlose Suche auf – falls man es überhaupt als Suche bezeichnen darf, immer wieder jemandes Namen zu brüllen, während man in den Untiefen irgendeines gottverlassenen Untergrundbeckens planscht – und setzten uns danach auf den kalten Stein an der Landspitze. Niemand von uns sagte etwas. Ich fror, beschwerte mich aber nicht, weil es sowieso keine Möglichkeit zum Aufwärmen gab.
Jemand lässt sich schwerfällig neben mir nieder. Es ist Janos. Er sieht verstört aus. Ich schüttele den Kopf und lasse mich dazu hinreißen, ihm aufmunternd auf den Rücken zu klopfen. Wie er sich fühlt, kann ich mir denken, aber er trägt schließlich keine Schuld an alledem.
Bald setzt sich auch Fi zu uns, gefolgt von Brendan und zuletzt Marcus. Wir vermeiden es, einander anzusehen und zu sprechen, obwohl ich weiß, dass uns allen das Gleiche durch den Kopf geht: Was, in drei Teufels Namen, ist passiert?
Brendan bricht schließlich als Erster unser Schweigen.
»Was war das?«
»Was war was?«, erwidere ich müde.
»Was … was hat das getan?«
»Das weiß ich nicht. Du bist doch der Höhlenökologe, sag du es mir!«
Als er nicht antwortet, springt Fi in die Bresche.
»Was ist passiert?«, fragte sie mit leiser Stimme.
Ich beiße die Zähne zusammen. Was, was, was, was … Leckt mich doch alle, als wüsste ich über alles Bescheid.
»Etwas ist unter uns aus dem Wasser hochgestiegen, etwas Großes.«
»Etwas Lebendiges?«
Janos gibt zu verstehen, dass er es nicht sagen kann, und sucht meinen Blick. Bringt dir nichts, Sportsfreund, denn ich habe auch keine Ahnung, was es gewesen sein könnte.
»Wir müssen also die ziemlich sichere Möglichkeit in Betracht ziehen, dass da unten etwas Großes und sehr wahrscheinlich auch Raubtierartiges lebt«, fasst Marcus nach einer langen Pause zusammen. »Na toll.«
»Ich weiß nicht«, wäge ich ab. Aus irgendeinem Grund macht mich Marcus' Einstellung wütend. »Eigentlich hat doch niemand irgendetwas gesehen. Soviel wir wissen, hätten es genauso gut … Turbulenzen oder eine ungesehene Felszunge gleich unter der Oberfläche gewesen sein können.« Die dann allerdings in der Lage gewesen ist, aus dem Wasser zu springen und das Boot zu zerbeißen.
»Ach ja? Aber wo steckt dann bitteschön Nik? Und wo wir gerade dabei sind: Wo ist das verdammte Boot?« Marcus steht auf, wobei er sich die Hände auf den Kopf legt. Dann dreht er sich einmal im Kreis. »Wir sitzen hier drei Meilen unter der Erde, ohne Rüstzeug oder Mittel, um die Leute oben wissen zu lassen, dass hier unten gerade alles in die Binsen gegangen ist.«
»Komm wieder runter, Marcus«, beschwichtigt ihn Fi.
»Ich werde bestimmt nicht runterkommen!«, schnauzt er sie an.
Er nimmt die Hände wieder von seinem Kopf und fängt an, herumzufuchteln wie ein Verrückter, der versucht, einen imaginären Verkehr zu regeln. »Falls du noch nicht darüber nachgedacht hast: Könnte nicht das gleiche auch Team Alpha zugestoßen sein? Sie wollten ebenfalls diesen beschissenen See überqueren, doch dann hat … es sie geschnappt.«
»Es?«
»Was auch immer in der Brühe lebt!«
»Wir wissen noch nicht, ob wirklich ein Es existiert.«
»Doch«, hält Janos dagegen. Nachdem er langsam über das Wasser geschaut hat, ruht sein Blick nun auf Fi. »Megan hat es zuerst gesehen. Nik hielt es für Spiegelungen auf dem Wasser, die unseren Augen einen Streich spielen, doch dann wurde das Boot erschüttert. Es wusste, dass wir kommen und was es zu tun hatte.«
»Das wird ja immer verrückter hier!«, empört sich Marcus.
»Brendan?«, meint Fi.
»Was?«
»Meg sagte, du bist der Fachmann. Was glaubst du?«
Brendan schaut wieder über das Wasser, während er an der Seite seines Daumens kaut. »Ich weiß es nicht …«
»Na, großartig«, hebt Marcus an. »Wenn du es nicht weißt, warum hast du dir überhaupt die Mühe gegeben, mit uns zu kommen?«
»Ich weiß es nicht, weil dieses ganze Szenario etwas vollkommen Neues ist«, lenkt Brendan ein. »Nicht nur für mich, sondern ganz allgemein. Auf Untergrundgewässer stößt man meistens bei Bohrungen. Man stolpert nicht einfach so über sie, wie wir es getan haben, also nein: Ich habe keine Ahnung, was es gewesen sein könnte und würde auch ungern darüber mutmaßen, um ehrlich zu sein.«
»Statt uns den Kopf darüber zu zerbrechen, ob wir die Bewohner des Sees identifizieren können, sollen wir vielleicht lieber mal darüber nachdenken, wie wir zum Gegenufer zurückkommen«, schlägt Janos vor.
»Genau«, erwidert Marcus. »Wir gehen einfach hin, fällen ein paar Palmen und binden die Stämme mit Schlingpflanzen zu einem netten Floß zusammen … aber nein, wartet mal einen Moment, das wird ja gar nicht klappen, weil es hier unten keine verdammten Bäume gibt, geschweige denn überhaupt irgendetwas, das schwimmt!«
»Marcus«, sage ich. »Beruhige dich.« Allmählich bekomme ich von seinem theatralischen Gehabe Migräne, und das ist das Letzte, was ich gebrauchen kann, besonders weil meine Medikamente jetzt am