PREDATOR X. C.J. Waller

PREDATOR X - C.J. Waller


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ist der Verlust eines weiteren Mitglieds aus unseren eigenen Reihen.

      Ich klettere die letzten zehn Fuß hinunter, während ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was ich tue, und dabei kläglich scheitere. Meine Finger rutschen ab, und während ich die verbleibenden fünf Fuß hinunterschlittere, schürfe ich mir die Hände auf. Alleine das dicke Material meines Survival-Anzugs schützt meine Knie. Ich komme viel schneller am Boden auf als beabsichtigt, sodass meine Beine einknicken.

      Marcus ist nirgendwo zu sehen.

      Sofort nimmt mich nackte Angst in Beschlag … zuerst Nik, jetzt Marcus … was geschieht als Nächstes?

      Fi landet neben mir, als ich gerade aufstehe. Dass sich die beiden praktisch in Luft aufgelöst haben, scheint sie nicht sonderlich zu beunruhigen. Stattdessen duckt sie sich und stakst in der Finsternis davon.

      »Nik?«, ruft sie.

      »Jepp!«, bekommt sie zur Antwort.

      »Alles klar?«

      »Jepp.«

      Fi strahlt, wie ich trotz der Dunkelheit erkennen kann. »Prima.«

      Eigentlich sollte mich dieser Wortwechsel ermutigen, aber mein Magen rumort davon nur noch schlimmer. Die Jungs sind nicht verschwunden, sondern einfach nur weitergegangen, um den Weg zu sondieren, der anscheinend vor einer glatten, steilen Wand endet.

      Vorausgesetzt, man übersieht den Riss gleich auf Bodenhöhe.

      Höhlenforscher nennen das Kriechgänge, und für mich sind sie ein Albtraum. Damit meine ich nicht, dass sie schwierig zu bewältigen sind, sondern eher, dass sie mir haarsträubende Angst einjagen. Sie sind ein Aspekt in diesem Metier, an den ich mich wohl nie richtig gewöhnen werde, und ohne die Aussicht auf etwas wirklich Ehrfurcht gebietendes auf der anderen Seite würde ich, glaube ich, niemals mitkommen.

      Brendan und Janos sind jetzt auch unten und bei uns. Fi streift ihren Rucksack ab und schiebt ihn in den Spalt, dann legt sie sich flach hin und windet sich hinein. Daher kommt übrigens auch der Name Kriechgang, denn man kommt nur auf dem Bauch robbend hindurch.

      Brendan folgt als Nächstes. Er bringt zwar nicht so viele Referenzen in Sachen Überleben mit wie die anderen, dafür jedoch weit mehr Erfahrung als ich darin, sich in Kriechgängen und Höhlen zurechtzufinden. Ich spüre meinen Herzschlag immer weiter oben im Hals und schlucke deshalb zwanghaft. Nein, ich werde nicht panisch. Es ist schließlich sicher hier, denn vier andere Personen sind vor mir hineingerutscht und leben noch, also kein Grund zum Ausflippen.

      Langsam ziehe ich meinen Rucksack aus und lasse mich nieder. Mir ist jetzt seltsam schummrig zumute, so als hätte ich einen über den Durst getrunken. Während ich die Tasche von mir her schiebe, widerstehe ich dem Drang, eine Hand auf meinen Kopf zu drücken, um ihn am Wegfliegen zu hindern.

      »Alles klar mit Ihnen?«

      Janos kniet neben mir und sieht mich besorgt an. Er legt mir eine ruhige Hand auf den Rücken. »Ich bin ja bei Ihnen, keine bange. Ich werde aufpassen, dass Sie nicht steckenbleiben.«

      Seine Direktheit hilft mir. Ich bin immer noch kurz davor, zu hyperventilieren, als ich mich hinlege und in den pechschwarzen Spalt schaue, aber dass Janos da ist, bewahrt mich davor, komplett abzudrehen. Die meiste Zeit über ist er wohl ein Spielverderber, aber in diesem Moment bin ich froh mit ihm, seiner Gefasstheit und seinem Ernst hier zu sein. Marcus würde Witze reißen, Fi wäre hämisch, und Nik täte es einfach achselzuckend ab, doch Janos? Er wird dafür sorgen, dass mir nichts passiert. Außerdem passe ich von meinen Maßen her zwei Mal in ihn hinein, und wenn er davon ausgeht, dass er sich in diesen Spalt zwängen kann, dann sollte es für mich doch ein Spaziergang werden.

      »Denken Sie daran«, ermahnt er mich und unterbindet damit meine aufsteigende Panik. »Finger weg von allem, was Nik nicht gelb besprüht hat. Vergessen Sie nicht, Luft zu holen, und bewegen Sie sich immer weiter vorwärts. Das klappt schon.«

      Ich atme tief ein und strecke mich in den Kriechgang aus, während ich meinen Rucksack vor mir herschiebe. Dabei drehe ich den Kopf zur Seite, damit mein Schutzhelm nicht stecken bleibt, und erschaudere, als ich höre, wie der Fels das Plastik zerkratzt. Während ich vorwärtsrutsche, konzentriere ich mich auf meinen Rücken. Da hinter mir auf einmal ein Licht flackert, weiß ich, dass Janos jetzt nachkommt. Er klopft gegen meinen Stiefel.

      »Gelb gleich vor Ihnen.«

      Ich schiebe meinen Rucksack ein wenig nach rechts, und tatsächlich: Dort am Stein prangt ein leuchtender Punkt gelber Sprühfarbe. Deshalb rutschte ich seitwärts, um ihn zu meiden. Nik ist ein vorsichtiger Mensch. Beim Berühren der Stelle würde mir wohl nichts geschehen, aber ich möchte trotzdem nicht diejenige sein, die sein Urteilsvermögen auf die Probe stellt.

      Obwohl die Decke so weit ansteigt, dass ich den Kopf ein wenig anheben kann, kommt mir der Kriechgang doch enger denn je vor. Das Schwindelgefühl stellt sich erneut ein. Ich versuche, es durch Blinzeln zu überwinden, kann aber an nichts anderes mehr denken als an die Felsmasse, die sich momentan über mir auftut. Es heißt, das Fracking sei so lange vollständig eingestellt worden, bis wir mit unseren Untersuchungen fertig sind, aber das bedeutet vielleicht nicht, dass noch kein Schaden entstanden ist. Eine falsche Bewegung, und ich bin platt wie eine Flunder, oder schlimmer noch: Gefangen, für immer eingeschlossen in einem Grab aus Kalkstein drei Meilen unter der Erde, wo mich niemand schreien hört und selbst wenn, nichts zu meiner Rettung unternehmen könnte.

      »Immer weiter«, sagt Janos.

      Ich stemme meine Zehen in den Boden und drücke mich vorwärts. Er hat recht, ich muss in Bewegung bleiben, kann es aber leider nicht. Ein weiterer Versuch, doch ich stecke fest – in der Patsche, eingeklemmt unter dem Gestein und nicht imstande, zu entkommen. Ich atme automatisch schneller und bemühe mich, den Kopf anzuheben, aber er knallt sofort an die Decke über mir. Eine Decke, die mich niederdrückt, gefangen hält und erstickt.

      »Keine Panik«, beschwichtigt mich Janos. Erneut dringt er trotz des wachsenden Schreckens zu mir durch. »Ihr Schnürsenkel ist nur an einer Steinknolle hängen geblieben.«

      Ich spüre, wie er an meinem Fuß herumfummelt, und dann ist es so, als lasse der Druck darauf nach. Als ich es abermals versuche, gelingt es mir wie durch ein Wunder, mich weiter vorwärtszubewegen. Licht dringt plötzlich in den Spalt hinein, gefolgt von einer ausgestreckten Hand. Es ist Marcus, der sich über unseren Fortschritt vergewissert.

      »Alles klar, Hasenfuß?«, fragte er, als er mich aus dem Kriechgang zieht. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«

      Ich möchte antworten, kann aber nicht, weil ich zu sehr zittere. Janos rutscht nun hinter mir heraus und schultert seinen Rucksack.

      »Sie hat sich tapfer geschlagen«, meint er und läuft an mir vorbei, um wieder seine angestammte Position an unserer Spitze einzunehmen.

      Es dauert eine Weile, bis ich die Platzangst aus dem Kriechgang abschütteln kann. Das Wissen darum, dass wir auf dem gleichen Weg zurückkehren müssen, ist dem nicht gerade zuträglich. Vor diesem Hintergrund erscheint mir die Vorstellung, auf ewig hier unten festzusitzen, fast angenehm.

      Marcus ist wieder hinter mir. Ich weiß nicht warum, aber aus irgendeinem Grund hält er sich gerne in meiner Nähe auf. Vielleicht bevorzugt er einfach Menschen in seiner Umgebung, denen er sich überlegen fühlen kann. Tja, entweder liegt es daran, oder er steht auf mich. Dadurch fühle ich mich allerdings auch nicht wirklich besser. Er hat eine Frau und drei Kinder, also werde ich den Teufel tun, die Frau zu sein, die eine glückliche Familie kaputtmacht. Es ist aber auch nicht so, dass ich es darauf anlegen würde. Marcus entspricht meinem Geschmack nämlich kaum.

      Er murmelt irgendetwas vor sich hin, aber ich höre ihm nicht richtig zu. Wieso sollte ich das auch bei so vielen faszinierenden Eindrücken um mich herum? Dieser Abschnitt der Höhle ist etwas Anderes, das steht fest.

       Brendan bleibt immer wieder stehen, um die Gesteinsoberfläche zu betrachten. Hin und wieder schüttelt er den Kopf, wobei sein Gesichtsausdruck zwischen Begeisterung und Fassungslosigkeit


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