Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder

Auf der Spur der Sklavenjäger - Alexander Röder


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weil die Schurken ihn beginnen werden, denn so ist ihr Wesen und ihr Schicksal.“

      „So sei es, Amscha, Mutter von Hanneh und Djamila. Mein Schwur gilt.“

      „Dann lass uns zur Nacht speisen. Worte allein geben keine Kraft zum Kampf.“

      Ihr Blick war dann doch mütterlicher als ihre harschen Worte zuvor.

      Ich suchte Halef, denn ich hatte ihn seit dem Wortwechsel in Amschas Zelt nicht mehr gesprochen. Gewiss war er bei der vorigen Mahlzeit zugegen gewesen und auch bei den Planungen und Erwägungen zur Verbrecherjagd, doch ich hatte seitdem nicht persönlich mit ihm reden können. Ich fragte nacheinander bei einigen Beduinen, ob sie denn wüssten, wo der Hadschi Halef sich im Duar aufhalten würde, und neben der Antwort erhielt ich aufgrund ihres Verhaltens auch die Bestätigung, dass Malek niemandem von Halefs Verfehlung berichtet hatte, selbst Amad el Ghandur nicht, denn gewiss hätte es auch dort neugierige Diener oder Dienerinnen gegeben, die inzwischen geschwatzt oder die empörende, verschreckende Kunde weitergegeben hätten. Ich verstand also nur zu gut, dass Halef sich zurückgezogen hatte, denn er befürchtete wohl ebensolches Reden, welches vielleicht in Vorwürfen, gar in Tätlichkeiten geendet hätte. Die Haddedihn sind wie alle Beduinen sanft, edel und ehrbar, doch wenn es eben um diese Ehre geht und um das Wohlergehen des Stammes, können sie recht ruppig werden.

      Ich fand Halef, seltsam genug, in jenem Zelt, das den Beduinenkindern als Schule diente, weil dort der deutsche Lehrer Lohse sie in allerlei westlichen und auch orientalischen Dingen unterrichtete. Ich hatte ihn einst den Haddedihn empfohlen, als ihre Scheiks sich entschlossen, im Hinblick auf die Zukunft ihre Kinder klug zu machen. Nun, es mochte auch Halefs Wort gewesen sein, das den Ausschlag gab, indem er ja oft über seinen Sihdi gesprochen hatte und ich selbst im Stamm wohlgelitten war, seit ich durch mein Mitkämpfen den Frieden gebracht hatte.

      Mir fiel auf, dass ich Lohse an diesem Tag noch nicht gesehen hatte. Ich kannte ihn kaum. Seine Entsendung aus Deutschland zu den Haddedihn war über ein Lehrerseminar erfolgt, von dem ich Kenntnis hatte, sowie über Kontakte zum Ministerium des Auswärtigen, dem Diplomatischen Dienst und dergleichen. Ich wusste aber, dass Lohse sich souverän und klug seiner Aufgabe gestellt hatte, von den Haddedihn liebgewonnen und geschätzt wurde, und so machte ich mir keine Sorgen. Zum ersten und bislang letzten Mal hatte ich ihn persönlich getroffen, als wir mit Djamila zu den Haddedihn heimgekehrt waren. Aber bei der großen Feier zu Ehren der wiedergefundenen Tochter und Enkelin war mir keine Gelegenheit für mehr als einen kurzen Plausch unter Landsleuten geblieben. Und am darauffolgenden Tag hatten Halef und ich uns bereits auf den Weg nach Istanbul gemacht, um von dort aus unseren Kampf gegen den geflohenen Al-Kadir und den wiedererstandenen Schut aufzunehmen.

      Lohse war mir also so gut wie unbekannt, doch ich hatte von Halef so einiges von ihm gehört, wenngleich eher durch die gelegentlichen Zitate, die mein kleiner Freund aus dem dargebotenen Unterrichtsstoff dann und wann und zu meiner steten und überraschten Verwunderung anbrachte. Denn es war so, dass Halef es sich zur hoheitlichen Aufgabe gemacht hatte, wann immer er im Lager der Haddedihn zugegen war, den Unterricht des Lehrers Lohse zu überwachen, wie er es stets nannte, damit den Stammeskindern kein Unfug erzählt würde. Halef saß also still im Hintergrund und lauschte den Ausführungen – doch, wie ich es verstand, weniger streng und wachend, als vielmehr aufgeweckt und interessiert. Ich glaube ja, er wollte seinem Sihdi in dem, was man Allgemeinbildung nennt, nicht allzu viel nachstehen, und ich will großmütig sein und ihm seine Bemühungen als erfolgreich bescheinigen.

      Es schien mir somit verständlich, dass Halef sich an diesen jetzt so stillen Ort zurückgezogen hatte, denn die Kinder waren nicht zugegen, wie ja auch Lohse nicht. Für einen Herzschlag befürchtete ich, er sei vielleicht unter den Gefallenen des Angriffs, doch dies hätte man mir sicher vermeldet. Ich wusste aber, dass Lohse sich zu gewissen Zeiten auch einen Heimaturlaub gönnte, denn wie ein jeder weiß, brauchen auch die Lehrer ihre Ferien. Dies sei nicht als despektierlich verstanden. Ich kann mir trotz mangelnder Erfahrung – und das ist selten genug – durchaus vorstellen, dass die Arbeit mit Kindern wohl recht anstrengend ist, zumal wenn sich darunter auch eine Piratentochter wie Djamila befindet. Denn ich hatte gehört, dass auch diese an dem Unterricht teilnahm, selbst wenn sie in einem Alter war, wo sie der Ansicht des Stammes nach eher eine Familie gründen und den Haushalt besorgen sollte. Aber da sie auch die Tochter von Amscha war, sah man ihr dieses wenig traditionelle Verhalten wohl nach.

      Wie ich so an die entführte Djamila und die ebenso entführte Hanneh dachte, leuchtete mir ein, warum Halef das Schulzelt als seinen Rückzugsort gewählt hatte. Das eigene, verlassene Familienzelt wäre wohl zu bedrückend gewesen.

      Ich öffnete die Zeltbahn und sah tatsächlich Halef ohne Lampe dort sitzen, obgleich es dunkel geworden war. Die Schemen der Gegenstände ließen mich begreifen, dass das Schulzelt auch das Wohnzelt des Lehrers Lohse sein mochte, denn neben den orientalischen Kissen und Kästen erkannte ich tatsächlich ein Kathederpult, sowie einen Schreibsekretär samt Stuhl, daneben ein Feldbett. Allzu beduinisch wollte der Lehrer also doch nicht leben, aber ich beneidete ihn nicht darum, all diese sperrigen Möbel zu transportieren, wenn die Haddedihn herumzogen.

      Halef saß auf einer der Bodenmatten und es mochte sein, dass dies sein üblicher Platz war, von dem er auch dem Unterricht lauschte, nein: ihn überwachte.

      „Halef“, sagte ich sanft, „darf ich mich zu dir setzen?“

      „Sicher, Sihdi“, antwortete er leise und zu meiner Erleichterung ohne Groll in der Stimme, denn er mochte mir vielleicht gram sein, weil ich ihn nicht schon in der Schenke gewarnt hatte und ihm dann gegenüber Amscha und Malek besser hätte beistehen können.

      Ich ließ mich nieder. „Das ist also das Zelt der Lehren“, bemerkte ich, um etwas zu sagen, das nicht mit den schrecklichen Ereignissen und unschönen Geschehnissen zu tun hatte, und nutzte dabei den Begriff, welchen auch die Haddedihn verwendeten.

      „Ja, Sihdi, und du fragst dich sicher, warum ich hier sitze.“

      „Weil es hier ruhig ist.“

      „Ruhig ist es auch andernorts im Duar, und leider auch, weil dort tatsächlich Totenstille herrscht. Wir können froh sein, dass die Klagezeit und die Begräbnisse vorüber sind, sonst würde ich es kaum ertragen.“

      „Es ist doch nicht …“ Welch dummes, unbedachtes Floskelwort!

      „Doch, es ist meine Schuld, Sihdi!“

      „Dann ist es die meine nicht minder, denn ich bin dein Freund.“

      „Du hättest besser mein Herr und Lehrer sein sollen“, befand Halef zerknirscht, „und mir beizeiten mein loses Mundwerk und die Prahlsucht austreiben. Dann hätte ich nicht so dumm dahergeredet gegenüber Abu Kurbatsch.“

      „Quäle dich nicht, Halef! Wer hätte ahnen können, dass der Besinnungslose es hat hören können. Oder ein verborgener Lauscher, von denen es allerorten doch so viele gibt – das weißt du so gut wie ich. Und wir wissen auch, dass es noch andere Wege gibt, Dinge zu erfahren. Jüngst haben wir es bei Haschim erlebt.“

      Halef nickte. „Ohne die Magie des Spiegelsteins hätten wir erst viel später von dem Überfall erfahren – und vielleicht wären dann alle Spuren verweht und unverfolgbar.“

      „Das nun glaube ich nicht – denn die Verbrecher wollen ja ein Spiel mit uns spielen. Sie wollen, dass wir sie verfolgen. Und sie werden uns wohl selbst Hinweise geben, um uns zu quälen.“

      „Das gelingt ihnen bereits jetzt.“

      „Ja, Halef, aber bedenke: Solange wir den Sklavenhändlern nicht gegenüberstehen, müssen wir uns nicht um Hanneh und Djamila sorgen. Wollten diese Schurken nur blutige Rache, so hätten sie die Deinen getötet und nicht entführt. Diese Männer wollen Genugtuung und Ersatz für ihren Verlust. Ich glaube, dass sie nach ihrem gemeinen Spiel auf einen schlichten Handel aus sind, denn sie sind doch Kaufleute, selbst wenn ihre Ware auf abscheuliche Weise aus Menschen besteht.“

      „Aus Frauen, Sihdi. Aus weißen Frauen. Und aus diesem Grunde hoffe ich, dass der Stamm nicht erfährt, dass er von Sklavenhändlern überfallen wurde.“

      „Weil


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