Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder

Auf der Spur der Sklavenjäger - Alexander Röder


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musste Sir David einigermaßen erstaunt angeblickt haben, denn er räusperte sich erneut und nickte nur knapp, worauf er sich verbeugte. „Ich stehe zur Verfügung, Mylady Amscha Bint Scheik Malek.“ Er räusperte sich zum dritten Mal. „Ja, nun. Dann sollten wir wohl aufbrechen, zur Verbrecherjagd – wenn die Schurken wollen, dass wir sie verfolgen und suchen, wenn sie so eine wild goose chase verlangen, ich habe in den schottischen Hochmooren schon genug geflügeltes Getier aufgespürt und zur Strecke gebracht, o ja!“

      Dann rammte er die Fäuste in die Seitentaschen seiner Jacke und stand da, während er vor sich hin nickte.

      Was war nur in den Lord gefahren, der sich sonst doch so souverän und streng gab? Weitere Überlegungen dazu unterbrach nun aber Haschim, der das Wort ergriff.

      „Auch ich stehe an der Seite von Kara Ben Nemsi und dem Hadschi Halef. Und ich glaube, dass ich nicht allein durch Kampfeskraft dazu beitragen kann, die Sklavenhändler zu finden, zu fassen und zu strafen. Ich denke, dass auch meine bescheidenen Kenntnisse anderer Art hierbei helfen werden.“ Er warf mir einen wissenden Blick zu, doch bevor die anderen Anwesenden hätten rätseln können, sprach Haschim weiter: „Schließlich haben die Sklavenhändler in allen großen Städten ihre geheimen Anlaufpunkte, die ich als Reisender und Forschender in den Belangen von Wissen und Weisheit durchaus in Erfahrung bringen kann, weil ich Menschen kenne, die sich mit Verborgenem aller Art befassen.“ Er hob die Hand. „Aber ich möchte die Worte des Lord Lindsay aufgreifen. Wir sollten aufbrechen. Wenn Kara Ben Nemsi die Berichte der Haddedihn über den Angriff gehört und als erfahrener Spurenleser den Grund betrachtet hat, werden wir die Richtung wissen, in der wir suchen müssen.“

      Alle Versammelten schienen froh, dass die Zeit der Schwüre, gar Drohungen und Eingeständnisse vorüber war und wir zur Tat schreiten wollten.

      „Ja“, sagte ich, „es wird schwierig sein, sich zu entscheiden, welche der Spuren wir verfolgen sollen, die von den in viele Gruppen aufgeteilten Schurken hinterlassen wurden. Aber da den Haddedihn überlassen sein mag, die gedungenen Brandschatzer und Viehschlächter zu verfolgen …“

      „Was bereits unternommen wurde, Kara Ben Nemsi“, warf Malek ein wenig streng ein.

      „… so glaube ich doch“, fuhr ich fort, „dass die Entführer sich gewiss nicht nach Süden begeben haben, von wo sie gekommen sind. Das wäre zu einfach, da sie ja wissen, dass wir wissen, wer sie sind.“

      „O Sihdi“, meldete Halef sich nach seinem langen, betretenen Schweigen wieder zu Wort, und man hörte an seiner Stimme, dass er erleichtert war, sich in gewohnten Planungen der Verbrecherjagd zu befinden. „Aber was, wenn sie genau dies bedacht haben? Und sie so denken wie du? Dann sind doch wieder alle vier Himmelsrichtungen möglich.“

      Sir David räusperte sich und begann eifrig aufzuzählen: „Und die vier dazwischen und die vier und vier weiteren Unterteilungen der Windrose, also insgesamt …“

      „Lord“, unterbrach Haschim ihn sanft, „wie wäre es, wenn wir die Erwägung der Richtungen unter freiem Himmel unternehmen würden? Es ist doch recht warm und stickig hier drinnen, und wir brauchen einen kühlen Kopf.“

      „Ja gewiss, Scheik, eine vortreffliche Idee. Und ich kann Lady Amscha dabei helfen, ihr Gepäck nach draußen zu befördern, wenn es ihr denn genehm ist …“

      Amscha schaute den Lord mit ungerührter Miene an, wies dann aber auf die Bündel am Boden. „Meine Waffen trage ich selbst“, bemerkte sie. Dann schaute sie in die Runde. „Welche Reittiere sollen wir nutzen? Pferde oder Dschemmel? Es hinge von der Richtung ab, und durch welche Landschaft uns die Verfolgungsjagd führt.“

      Haschim öffnete die Hände. „Falls wir Pferde benötigen, werde ich die Haddedihn um einige ihrer prächtigen Tiere bitten. Ich stelle meine Meharis gern als Pfand zur Verfügung. Und ich werde Nachricht zu meiner Heimstatt senden, dass an einem geeigneten Punkt der Reise meine Stute Risha als mein Reittier bereitsteht, und das Ross der Haddedihn zurückerstatten. Dann soll das betreffende Mehari als Gabe bei diesen verbleiben.“

      „Eine edle Gabe“, nickte Malek.

      „Meine Hilfe gebe ich noch einmal so gern.“

      Ich wandte mich an Malek, mit einer Frage, die ich aus Anstand bislang zurückgehalten hatte, die mir aber nun angebracht schien. „Ich würde bei der Entscheidung für Pferde dann um meinen Hengst Rih bitten, den ich der Obhut der Haddedihn anvertraut hatte.“

      Malek nickte. „Ich spüre deine Sorge. Aber Rih ist wohlauf. Er war bei dem Überfall unter den Pferden, die außerhalb des Lagers standen. Kara Ben Halef saß in seinem Sattel.“

      „Der Gedanke erfreut mich“, gab ich zurück.

      „Gehen wir“, sagte Malek und öffnete den Verschlag des Zelteingangs.

      Draußen bat Malek uns zum Willkommensmahl oder doch eher einem schmucklosen Imbiss, um uns nach dem Ritt der letzten Wegstrecke zum Duar der Haddedihn wieder zu Kräften kommen zu lassen. Es war nicht die Zeit noch der Anlass, unser Wiedersehen nach alter Sitte zu feiern, in diesen schweren Stunden. Zumal das Willkommensmahl auch ein Abschiedsmahl sein würde, vielmehr eine Stärkung wie am Vorabend eines Feldzugs. Wir würden kurz rasten und dann nach Spurensuche und Erwägung eines Plans zur Verfolgung der Entführer aufbrechen.

      In diesen kurzen Stunden nahm Amscha mich beiseite, als Halef bei seinem Söhnchen Kara weilte.

      Sie schaute mich mit etwas müden Augen an. „Verzeih, dass ich dich so hart angegangen bin. Auch dauern mich meine Worte gegenüber Halef. Aber ich war so voll Zorn über die Schandtaten der Verbrecher – und als ich zudem noch erfuhr, dass Halef …“

      „Ich verstehe dich“, gab ich sanft zurück. „Wenn ich auch weiß: Nie könnte ich je deine Gefühle nachempfinden. Doch auch Halef leidet sehr. Wegen der Entführung, des Überfalls und seiner Worte in Dauha, die dazu führten. Du siehst, auch wenn du stets auf Waffen geschworen hast, dass Worte nicht minder verletzen können. Auch die deinen.“

      „Das weiß ich wohl. Ich musste so sprechen, weil mein Vater zugegen war. Er hätte mir, wie er zugab, nicht erlaubt, den Rachezug zu unternehmen. Er empfindet mir gegenüber noch immer, als sei ich ein Kind.“

      „Du bist sein Kind.“

      „Ich bin seine Tochter. Die Bint-Scheik-Malek. Nicht das Tifil-Scheik-Malek. Dennoch will er über mich bestimmen, als sei ich kaum der Mutter entwöhnt.“

      „Er sieht sich noch immer als der Beschützer, als der Mann, der …“

      „Weil ich keinen Ehemann genommen habe, der mich beschützt? Nein: der über mich bestimmt!“ Sie verzog das Gesicht. „Wie hätte ich dies tun wollen, nach dem, was …“

      Sie sprach Abu Seifs Namen in einer Abwandlung aus, die ihn als scheußlichen Fluch erklingen ließ, was ich hier unmöglich wiedergeben kann.

      „Aber nun“, sprach Amscha weiter und da begannen ihre Augen wieder zu brennen, „nun kann ich wahrlich Rache nehmen. Halef ist mir damals zuvorgekommen, als er den elenden Piraten erstach, der mich entführt und geschändet hatte.“

      Sie sprach das Wort emotionslos aus. Sie hatte all dies über die Jahre dadurch ertragen, dass aus dem Verbrechen Abu Seifs ihre beiden Töchter Hanneh und Djamila hervorgegangen waren. Doch nun brach der gerechte Zorn aus ihr hervor.

      „Wenn die Entführer Sklavenhändler sind, wie du sagst, dann sind sie Piraten oder stehen mit solchen im Bunde. Sie werden stellvertretend meine Rache erleiden. Nicht um meinetwillen, sondern wegen meiner Töchter.“ Sie musterte mich. „Ich sehe, dass du mich nicht schelten willst, obwohl ich jenes Auge-um-Auge fordere, das in dem heiligen Buch steht, welches dem der Christen und dem der Muslime voranging, wie ich hörte.“

      „Ich bleibe dabei, dass die Gerechtigkeit die Verbrecher richten wird, und nicht unsere eigenen Hände.“

      „Außer, es kommt zum Kampf, bei dem wir uns mit unseren Händen verteidigen müssen. Das waren einst deine Worte.“

      „Sie


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