Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder

Auf der Spur der Sklavenjäger - Alexander Röder


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auf eigentümliche Weise wie ein Bierschenk aus der Heimat, ein Kretschmer in einer Kaschemme des Erzgebirges. Ich spürte allzu deutlich, dass die ungewisse Verzweiflung mir nicht wohltat. Wären wir nur endlich bei den Haddedihn!

      Wortkarg orderten wir, ich weiß nicht mehr, wer von uns es war, Speise und Trank.

      „Ihr scheint in Eile“, bemerkte der Wirt. „Wichtige Geschäfte? Wo mag’s denn hingehen?“

      Ich hörte, wie Halef die Nüstern blähte und mit dem Stiefel scharrte. Rasch legte ich meine Hand auf seinen Arm.

      „Nach Norden“, sagte ich vage und rasch.

      „Ja, da zieht’s viele hin“, meinte der Wirt. „Wenn sie nicht nach Westen, gen Mekka ziehen, zur Hadsch. Aber die Kaufleute wollen eben nach Basra und Bagdad.“ Er musterte uns. „Ihr seid aber wohl keine Kaufleute …“

      Haschim hob den Blick ein wenig und die Stimme um weniges mehr. „Wir haben einen anderen Auftrag.“

      Der Wirt schaute mit einem Mal recht unterwürfig. „Ich wollte dem hohen Herrn nicht zu nahe treten. Ich erkenne Adel auch unter dem Staub der Reise. Verzeiht, ich bringe Euch sogleich das Gewünschte.“

      Er eilte davon. Wir schwiegen weiter, doch Haschim suchte meinen Blick.

       ‚War dies töricht von mir?‘

      ‚Ich vermag es nicht zu sagen‘, bedeutete ich mit leichtem Heben der Schultern.

      Ein anderer, älterer Mann kam mit einem Brett in den Händen heran, auf dem Näpfe und Becher standen. Während er diese an uns verteilte, ruckte er mit dem faltigen Hals. Sein unsteter Blick fiel auf mich, Haschim hingegen mied er.

      „Keine Kaufleute“, raunte er, „aber nach Norden.“

      „Ja“, brummte ich knapp und rückte meinen Napf zurecht, um zu zeigen, dass ich nicht reden wollte. Doch der Neugierige senkte seine Stimme und zudem auch seinen Kopf bis nahe an mein Ohr.

      „Jagt Ihr auch den Verbrecher?“, flüsterte er.

      Ich ließ mir mein Erstaunen nicht anmerken, denn ich war froh, dass Halef seinen mürrischen Blick von dem Ältlichen abgewandt hatte und sich lustlos dem Inhalt seines Napfes widmete.

      „Wen?“, fragte ich und ließ es wie ein Räuspern klingen.

      „Den Beduinenmörder!“

      Ohne dass es meine Gefährten sehen konnten, ergriff ich den Mann fest an der Kleidung. „Ich treffe dich hinter dem Haus“, knurrte ich und sagte lauter: „Bring noch mehr Brot.“

      Der Mann ging und ich sah, wie Haschim die eine Augenbraue hob. „Ja“, meinte er, „von diesem Brot möchte ich auch etwas.“

      Ich nickte und stand auf. Ich musste meinen Gefährten keine Entschuldigung bieten, wir saßen hier nicht zu Tisch bei einer Gesellschaft. Ich lenkte meine Schritte zum hinteren Ausgang, an der winzigen Küche vorbei. Draußen scharrten Hühner in einem Gehege, ich hörte Ziegen in einem Verschlag, die Stallungen für die größeren Tiere schlossen sich wohl an. Aus einer entfernteren Tür schaute eine beleibte Frau. Der Ältliche wartete bereits auf mich und scheuchte die Neugierige mit einer Geste fort, welcher sie unwirsch entgegnete, dabei den Kopf aber zurückzog.

      „Erzähl!“, forderte ich knapp. Der Mann zwinkerte aufgeregt und schaute misstrauisch umher, als wollte er mir das Geheimnis des ewigen Lebens verraten. Für mich war seine Kunde wohl fast so wichtig, denn er hatte anscheinend jemanden getroffen, der vom Überfall auf die Haddedihn gehört hatte. Nachrichten reisen rasch, wenn sie denn sensationell genug sind. Und ich war kaum verwundert, dass es nicht allein wir waren, die Rache nehmen wollten. Vielleicht waren Malek und Amad el Ghandur, die Scheiks der Ateibeh und der Haddedihn, bereits auf Verbrecherjagd, um den Überfall zu sühnen. Es wäre gut, sich mit ihnen zu treffen und dann Wissen und Pläne zu teilen. Ich musste also herausfinden, wer in diesem Gasthaus gewesen war, wen der Mann getroffen hatte.

      Ich wiederholte meine Forderung.

      „Vor einigen Tagen“, begann der Ältliche, „waren einige Reisende hier. Gerade solche wie Ihr.“

      „Das bezweifle ich. Aber du wirst sie ebenso ausgefragt haben wie uns.“

      „Verzeiht, Herr, aber wenn es nicht so gewesen wäre, könnte ich Euch jetzt nichts erzählen.“

      Er schaute nicht mehr umher, sondern erst auf meinen Geldbeutel am Gürtel und dann auf seine Hand.

      „Wann war das?“, fragte ich ungerührt.

      „Vor ein paar Tagen.“ Ein Blick auf den Beutel, ein Blick auf die Hand.

      Ich überschlug Reiserouten und Tagesritte und nannte eine Zahl. Der Mann wurde rot und kurzatmig vor lauter Aufregung und Spannung.

      „Dann gehört Ihr tatsächlich dazu!“, hauchte er. „Ihr jagt den Beduinenmörder!“

      „Wer Beduinen tötet, wer irgendjemanden tötet, gehört gejagt!“

      Er schaute mich schief an, als hätte ich ihm die seltsamste aller Weisheiten enthüllt. „Nein, Herr. Er hat keine Beduinen getötet. Er ist Beduine und hat viele Männer ermordet, anständige Kaufleute in Dauha, und deren Freunde suchen ihn nun, um gerechte Rache zu nehmen!“

      Dauha!

      Ich ahnte die schreckliche Bosheit, die abgefeimte Scharade!

      Und ich sah, wie der Mann ärgerlich die Hand vor den Mund schlug, weil er mir etwas verraten hatte, wofür er doch erst Bakschisch hatte nehmen wollen. Ich zerrte eine Münze aus dem Beutel und packte seine Hand, drückte das Geldstück hinein, schloss seine bebenden Finger darum und hielt sein Handgelenk weiter in hartem Griff.

      „Wen suchten die Männer genau?“, drängte ich.

      „Eben einen Beduinen …“

      „Der Name!“

      Ich ahnte und hoffte zugleich.

      „Halef von den Haddedihn!“, sagte der Mann, und ich spürte, wie meine Ahnung meine Hoffnung verhöhnte, was schreckliche Schauer von Hitze und Kälte gleichermaßen in mir aufwallen ließ.

      Armer Halef, törichter Halef! Was hatte er in Dauha, im Augenblick des Triumphs über die Sklavenhändler, denn nur so unbedacht und stolz seinen Namen nennen müssen? Aber ach, er hatte nicht bedacht, dass man ihn auch bei diesem halben Selbstgespräch belauschen konnte! Oder vielmehr, dass der ohnmächtige Abu Kurbatsch Halefs Worte auch in seiner Besinnungslosigkeit vernommen hatte. Eine andere Erklärung konnte es nicht geben. Und Abu Kurbatsch hatte sein Wissen mit den Seinen geteilt, denn ihn selbst hatten wir im Sandmeer der Rub al Chali, in das er uns gefolgt war, bei einem heimtückischen Angriff auf uns erschossen. Wie hätten wir damals ahnen können, dass unsere Taten in Dauha noch ein weiteres Nachspiel haben würden? Ich hatte geglaubt, dass die einzelnen Gruppen der Sklavenhändler einander im Konkurrenzkampf als Feinde betrachteten und der Verlust des einen der Gewinn des anderen war. Doch schien Abu Kurbatsch treue Gesellen zu haben, die nun seine Rache fortführen wollten.

      Und nun nutzten diese Sklavenhändler das Wissen Abu Kurbatschs für ihre Verfolgung. Sie hatten nur einen Namen, doch sie waren klug genug, diesem auf die Spur zu kommen, indem sie nicht schlicht nach jenen Beduinen und ihren Weidegründen fragten, sondern eben vorgaben, einen Verbrecher zu jagen.

      Jeder aufrechte Mann würde ihnen Auskunft geben, so er es denn vermochte, und er würde es noch einmal so eifrig tun, wenn er für seine ehrenvolle und nützliche Auskunft auch noch Bakschisch erhielt. Die Sklavenhändler hatten wohl ebenso reiche Barmittel wie wir dank der Börse des Lords. Es ernüchterte mich, zu erkennen, wie sehr das seelenlose Geld doch den einen wie den anderen hilft, den Guten wie den Bösen.

      Und eine meiner Münzen steckte nun in der Faust des Ältlichen – ein geringer Preis für jene wichtige Erkenntnis. Und vielleicht würde ich noch mehr erfahren.

      „Wie


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