Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder

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wenn sie auf Vieh und Frauen aus sind!“

      „Mein Sohn“, begann Amscha streng, „diese haben wohl unser aller Vieh gestohlen. Aber warum, glaubst du, nur meine beiden Töchter und damit auch deine Frau?“

      „Ist das so?“, fragte ich, rascher als Halef es vermochte.

      „Allerdings“, meinte Amscha finster. „Sie betraten das Zelt – ohne dass sie im Lager bemerkt worden wären.“ Amscha schaute kurz zu ihrem Vater Malek, der tief atmete – ob wegen der schmerzlichen Erinnerung an den Angriff und die Entführung oder wegen jenes Fehlverhaltens der Wachen. Amscha sprach weiter.

      „Ich war empört, dass diese Fremden in unser Zelt kamen. Doch sie fragten kühl, wenngleich sie es zu wissen schienen, ob wir die Weiber des Halef seien.“ In Amschas Augen loderte es auf. „Meine Miene muss ihnen Antwort genug gewesen sein, denn sogleich drangen sie auf uns ein – und im gleichen Herzschlag brach draußen der Tumult los. Ohne dass sie ein Signal gegeben hätten. Als hätten die beiden Gruppen jeweils Uhren verwendet, wie die Menschen aus dem Abendland, um den bestimmten Zeitpunkt zu nutzen.“

      Ich nahm ihre Worte nicht als Vorwurf. Zumal ich nun wusste, dass hier keine Mechanik am Werk gewesen war.

      „Und als ich mit dem Anführer kämpfte, lächelte er mich an und höhnte, mich würde er nicht mitnehmen und auch nicht töten, denn ich solle Halef sagen …“ Sie schaute Halef zornig an, und ich wusste nicht, ob sie den Anführer der Banditen allzu gut nachahmte oder ob sie Halef etwa selbst zürnte. „Suche deine Frauen, Halef von den Haddedihn. Wir haben sie gestohlen, wie du unsere gestohlen hast. Jetzt suche und finde die deinen, so wie wir sie gesucht und gefunden haben.“ Dann wurde Amscha ruhig und kühl: „Halef, was hast du getan, das diese Männer zu solchen – Spielen treibt?“

      „O Mutter“, rief Halef, „schelte mich nicht! Die Schurken verdrehen die Ereignisse! Wir haben in Dauha Sklavinnen befreit – und wir halfen dabei einer Frau, die selbst einst gefangen war! So wie du von Abu Seif. Wir halfen ihr gewissermaßen bei einer Intikam und …“ Halef wandte sich um und starrte mich an. „Sihdi! Die Banditen – sind die Sklavenhändler! Dies ist die Rache von Abu Kurbatsch – aus dem Totenreich!“

      „Ja, Halef“, nickte ich betrübt und beschämt. „Ich weiß.“

       Drittes Kapitel

       Ein Schwur unter Kriegern

      Halef stutzte. „Du weißt, Sihdi? Heißt das, du weißt es, weil ich es soeben ausgesprochen habe oder weil du es bereits geahnt hast?“

      „Ich ahnte es, und nicht allein seit jener Schänke, wo ich mit dem Mann sprach, der uns das Brot brachte. Ich fürchtete es bereits seit Dauha, als du mir von deinen unbedachten Worten gegenüber Abu Kurbatsch berichtet hast, ohne deinen Fehler zu erkennen. Doch da war es bereits zu spät.“

      Jetzt erst begriff Halef und schlug die Hand vor den Mund, als er sich erinnerte. Er holte Luft, um zu Worten des Bedauerns anzusetzen, als Amscha ihn an der Schulter griff und zu sich herumdrehte.

      „Was hast du getan?“, fragte sie scharf. „Du hast zu verantworten, dass die Verbrecher meine Töchter entführt haben?“

      „Mutter, ich …“, stammelte Halef. Doch dann wurde er von Malek unterbrochen.

      „Halef“, sagte er mit tiefer Stimme. „Durch dich haben die Haddedihn tapfere Männer und wertvolles Vieh verloren. Dafür wird Amad el Ghandur dich nicht allein deines Sitzes im Stammesrat entheben müssen, sondern dich auch des Stammes verweisen.“

      Halef stand wie erstarrt. Auch mich ergriff das Entsetzen, wenngleich ich sehr wohl um die Zwangsläufigkeit dieser Entscheidung wusste.

      „Aber“, fügte Malek an, „es ist mir unmöglich, allein als Haddedihn zu denken. Es geht hier auch um meine Familie, zu der du, Halef, unauslöschlich gehörst. Ich werde mit schwerem Herzen die Familie vor den Stamm setzen und deine Schuld dem Scheik nicht sogleich enthüllen. Du wirst meine Enkeltöchter wohlbehalten zurück in den Schoß des Stammes und der Familie bringen. Dann erst wird das Stammesgericht über dich befinden. Meine Stimme hat Gewicht und ich werde dir wieder gewogen sein, wenn du mich wieder mit meinen Kindeskindern vereint hast.“

      Halef nickte schwach. „Hab Dank, Vater. Du bist gerecht, selbst einem Sünder wie mir gegenüber.“

      Malek schaute zu Amscha, die noch immer zornig auf Halef blickte. „Meine Tochter, ich war noch vor wenigen Herzschlägen nicht dazu bereit, dir diesen Rachezug zu erlauben. Ich hätte gefordert, dass du bei deinem Enkel und meinem Urenkel Kara verbleibst, solange seine Mutter, deine Tochter, meine Enkelin, in den Händen der Entführer ist. Auch sorgte ich mich um deine Wunden. Denn sollte Allah mich auf die schwerste aller Arten prüfen wollen, so hätte ich am Ende alle meine Töchter und Tochterstöchter verloren. Doch nun will ich deinem Wunsch und Willen nachgeben. Damit du neben dem Leben deiner Töchter auch die Ehre von Halef retten kannst.“

      „Hab Dank, Vater“, presste Amscha zwischen den Lippen hervor. „Ich werde tun, was mir möglich ist. Aber hier und jetzt schwöre ich, dass ich meinen Schwiegersohn Halef als Fremden und Feind ansehen werde, sollten Hanneh und Djamila zu Schaden kommen. Wenn er dann aus dem Stamm verstoßen würde, spräche ich eine Intikam gegen ihn aus.“

      Halef trat einen entsetzten Schritt von Amscha zurück.

      Doch diese beachtete ihn nicht mehr, sondern fasste mich ins Auge. „Und du, Kara Ben Nemsi, der du der Herr meines törichten Schwiegersohnes bist und ihn nicht vor jener größten aller Torheiten bewahrt hast, die er durch seine Prahlsucht und sein Mundwerk verursachte, auch dich, Kara Ben Nemsi, werde ich mit Blutrache belegen, wenn meine Töchter zu Schaden kommen.“

      Dann trat sie mir entgegen und streckte die Hand aus. „Doch zuvor lass uns einen Pakt schließen. Du schwörst mir bei deinem Namen, der auch der Name meines Enkelsohnes ist, dass du alles daransetzt, damit ich meine Blutrache nicht aussprechen muss, denn ich weiß ja, dass du diese nicht schätzt.“

      Ich ergriff ihre Hand. Ich musste nicht spitzfindig ihre Argumente zerpflücken, weder in Worten noch Gedanken. „Das schwöre ich.“

      „Das ist gut“, sagte sie und hielt meine Hand fest. „Und da ich dich und deine Waffen brauche, um meine Töchter zu retten, will ich nun, dass du meine Worte über Blutrache vergisst.“ Sie warf einen knappen Blick zu Halef und schaute dann wieder mich an. „So wie auch Halef. Ihr sollt mir nicht mit Furcht begegnen und nur aus solcher heraus meine Töchter retten, sondern weil ihr es selbst wollt – woran ich keinen Zweifel habe!“

      „So sei es“, bekräftigte ich. Und endlich entließ Amscha meine Finger aus ihrem Griff, der mich so hart umfangen hatte, dass ich wahrhaftig überrascht war. Diese Frau wollte man nicht zur Feindin haben.

      Während dieser Szene hatte Sir David mit halb geöffnetem Mund dagestanden und von einer Person zur anderen geblickt. Er konnte wohl kaum fassen, was er da an orientalischem Gerechtigkeitsempfinden und Schwüren erlebt hatte. Er schien mir ein wenig grau im Gesicht geworden sein, doch das mochte auch am Widerschein seiner Kleidung liegen, hier im sonnenhell durchfluteten Zelt der Amscha. Er räusperte sich und verkündete dann feierlich, wenn auch wohl etwas zögernd:

      „Edle Lady Amscha, seid versichert, dass auch ich meinem Freund Kara beistehen werde, ebenso meinem Freund Halef, dass Eure beiden Töchter, von denen ich ja besonders Miss Djamila kennen und schätzen gelernt habe, wohlbehalten …“

      Amscha lachte, kehlig zwar, aber nicht spöttisch, sondern dankbar. „O edler Ingles, sprich nicht weiter, ich glaube dir auch ohne viele schöne Worte, denen ich Taten vorziehe. Und deine Taten kenne ich, seit du damals an Kara Ben Nemsis Seite im Tal der Stufen gefochten hast, um die Feinde der Haddedihn zu besiegen.“

      „Ja gewiss“, gab Sir David zurück und zählte die Namen der Stämme an den Fingern ab, wobei er einmal die Hand wechseln musste, denn die andere war seit jenem Schicksalskampf ja nicht mehr vollständig.


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