Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder

Auf der Spur der Sklavenjäger - Alexander Röder


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manches doch noch immer fremd, und das sind einige Ausprägungen des Ehrbegriffs.“

      „Das sagst du, Sihdi, als Europäer. Und ich verstehe das, weil ich von dir viel erfahren habe. Aber ich weiß, dass du auch verstehst, wie es mir mit der drohenden Blutrache und dem Ausstoß aus dem Stamm ergeht …“

      „Das werden wir zu verhindern wissen, indem wir Djamila und Hanneh retten und den Stamm entschädigen. Aber nicht verhindern können werden wir das Gerede. Die Sklavenhändler haben sich zu den Haddedihn durchgefragt und dabei von Halef dem Mörder gesprochen. Dies wird bald hierher dringen, und …“

      „Sihdi, ich möchte lieber als Mörder gelten, zumal an Sklavenhändlern, als dass ich als dummer Tölpel gelte, der seine Zunge nicht im Zaum hat und deshalb Schaden über die Seinen bringt!“

      Ich fasste Halef bei der Schulter. „Wir werden alles richtigstellen und Weiteres vereiteln. Zunächst ist wichtig, dass wir Hanneh und Djamila retten. Und wir müssen klug sein und uns nicht von den Sklavenhändlern gängeln lassen. Wir müssen ihnen zuvorkommen, selbst auf ihre Spur kommen, ohne auf etwaige Hinweise zu warten. Sir David hat wohl Recht mit seinem Begriff von der wild goose chase, was übersetzt gar nicht die Pirsch auf wildes Geflügel meint, sondern Schnitzeljagd bedeutet. Das wiederum …“

      „Ich weiß, Sihdi. Lehrer Lohse schwärmt davon. Schnitzel sind Schischkebab, nur ohne Spieß. Gebratene Fleischscheiben, aber nicht vom Hammel, sondern vom Schwein. Lohse ist ein guter Mann, aber eben doch ungläubig, was das Essen betrifft. Ich verstehe aber, warum ihr Germani lieber hinter gebratenem Fleisch herjagt als die Inglesi, die rohes Federvieh so schätzen, dass sie eine Verfolgungsjagd damit benennen.“

      Ich wollte nun nicht ausführen, dass bei einer Schnitzeljagd statt Gebratenem doch eher Fetzen von Papier als Hinweise auf den Weg verstreut werden, denn Halef hätte es wohl für eine Eigentümlichkeit der papierversessenen und tintenklecksenden Deutschen als Volk der Dichter und Denker gehalten – was ja auch hierzulande manche als brotlose, oder eben fleischlose Kunst verstehen. Halef hatte es im Grunde begriffen und damit war ich zufrieden. Er hatte aber wieder den Lehrer Lohse angesprochen.

      „Wo ist denn der Herr Lehrer, der hier lehrt und auch wohnt? Weißt du, ob er nach Deutschland gereist ist?“

      „Aber Sihdi“, meinte Halef, fast ein wenig empört, „was glaubst du denn von deinem Landsmann! Der fährt doch nicht faul in die Sommerfrische. Er hat dieses Land und die Leute so liebgewonnen, dass er nicht nur hierbleibt, sondern auch fast schon ein Bedu geworden ist. Er vergräbt sich nicht wie ein Gelehrter in seinen Büchern.“

      Halef deutete auf ein schiefes Regal, in dem etliche Bände standen und auch Bündel von Papier, anscheinend beschrieben. Der gute Mann arbeitete wohl an einem Buch oder Ähnlichem.

      „Nein“, fuhr Halef fort, „er reitet auch mit den Pferden aus und begleitet den Verkauf von Wolle und dergleichen. Er ist sehr geschickt, wenn es mal um das Verhandeln mit Ausländern geht.“

      „Ach, der Mann kann reiten?“

      „Nicht nur das, er ist sogar Krieger gewesen. In dem großen Kampf der Germani gegen die Franci, vor fünf Jahren. Da, wo du keine Zeit hattest, Sihdi.“

      „Ach bitte, Halef, sag das doch nicht so, ich hatte meine Gründe. Und ich weiß das mit Lohses Soldatenkarriere doch längst, auch dass Lohse sogar in einem anderen Gefecht war, noch weitere fünf Jahre zuvor, wo es gegen die Österreicher ging, von denen du ja einige unangenehme Genossen bei unserem Besuch in Kotor kennenlerntest. Aber zurück zu Lohse. Ich wusste wohl, dass er militärische Ausbildung hat und gut schießen kann, weil er dir doch auch etwas Schießunterricht erteilt hatte, wohlgemerkt aber mit der feinen Büchse, die ich dir zum Geschenk gemacht habe.“

      „Das vergesse ich dir doch nicht, Sihdi!“

      „Ich wusste nur nicht, dass Lohse gar bei der Kavallerie gewesen ist, wenn er sich so gut auf Pferde versteht.“

      „Und deshalb hat er sich nach dem Überfall auch zu den Männern gemeldet, die die Verbrecher verfolgten. Nicht jene, welche das Lager zerstörten und das Vieh stahlen, sondern die Entführer. Aber ich glaube nicht, dass er deren Spuren findet. Da braucht es deine Kenntnisse, Sihdi.“

      „Aber warum ist Lohse dann noch nicht zurück?“

      „Andere Bedu sind ja auch noch nicht wiedergekehrt. Vielleicht hat Lohse sich später diesen angeschlossen, um die anderen Schurken zu jagen. Niemand von ihnen soll ohne Strafe bleiben!“

      Ich erhob mich. „Das ist richtig, und es ist an der Zeit, dass wir solches in Angriff nehmen. Nun, Halef, dann lass uns essen und schlafen. Morgen früh setzen wir uns auf die Spur der Sklavenhändler.“

      Auch Halef stand auf und wir traten aus dem Zelt des Lehrers Lohse.

      Halef wandte sich an mich. „Ich habe dir noch nicht gesagt, warum ich mich hier in das Zelt gesetzt habe. Nicht, weil es ruhig ist.“

      „Sondern?“

      „Weil ich mich an die Stunden des Unterrichts erinnern wollte. Ich bin gern da und höre dem Lehrer Lohse zu. Er erinnert mich nämlich an dich, was sehr wohltut, wenn du mal wieder in deiner Heimat bist und ich dich vermisse.“

      „Das freut mich, Halef, und es schmeichelt mir auch. Gewiss erinnert Lohse dich an mich, weil er ein kluger Mann ist und – ich will nicht eitel sein – eben sehr viel und oft über das redet, was er weiß.“

      „Das auch, Sihdi. Aber vor allem, weil er so ein lustiges Arabisch spricht, mit unverkennbarem deutschen Akzent!“

      „Aber Halef! Ich spreche doch akzentfrei Arabisch. Zumindest was den deutschen Akzent betrifft. Eher hört man von mir je nach Bedarf die Akzente, die ich bewusst beherrsche, vom nordafrikanischen Arabisch des Maghreb über jenes der Halbinsel bis zu dem des Zweistromlands und noch andere!“

      „Aber auch immer mit deutschem Zungenschlag, Sihdi. Glaub mir das.“

      „Ach, Halef, du willst mich foppen.“

      „Wer weiß, Sihdi …“

      Wir gingen um das Zelt herum, auf unserem Weg zum Zelt Maleks, wo wir zu Abend essen sollten. Ich bemerkte einige Käfige, die an der Zeltwand lagerten. Darin gurrte es leise.

      „Versteht sich der Lehrer Lohse nicht nur auf Pferde, sondern auch auf Federvieh?“, fragte ich. „Will er dann und wann neben gerösteten Hammelschnitten auch ein gebratenes Täubchen verspeisen, mit grünen Erbsen?“

      „Nein, Sihdi. Das sind Botenvögel, die fast so klug sind wie Scheik Haschims Falke Manakir. Der Lehrer Lohse nutzt sie manchmal, um mit den Kindern Post zu spielen. Oder Nachricht zu senden, wenn er mit den Bedu auf Verkaufsfahrt ist.“

      „Das ist löblich, dass er nicht allein spielt, sondern auch Nützliches mit den Brieftauben unternimmt. Er sollte aber den Tieren die Zettelkapseln vom Bein nehmen, wenn sie in ihrem Schlag schlafen sollen.“

      Ich deutete auf eine Taube, die zweifellos keinen Schlummer fand, sondern unruhig auf dem Geflecht des Käfigs umherstelzte. „Sie vertritt sich wohl die Beine“, sagte ich scherzhaft und wollte sie ergreifen, als ich bemerkte, dass die Käfige verschlossen waren.

      Halef antwortete gerade auf meine erste Anmerkung. „Der Lehrer Lohse geht immer sehr sorgsam mit den Tauben um, und nimmt ihnen stets …“

      „Halef, diese Taube ist nicht schlaflos aus dem Käfig gekommen“, erkannte ich und fühlte mich bestätigt, als ich sie ergriff und ihren Herzschlag spürte. „Sie ist erst vor kurzer Zeit hier angekommen.“

      Ich griff nach der kleinen Lederkapsel an ihrem Bein und löste sie, schaute hinein. „Hier ist eine Nachricht!“

      Rasch öffnete ich den Käfig, setzte die Taube sachte hinein, verschloss das Türchen und eilte mit der Nachricht zum nächsten Feuer, Halef hinterdrein.

      Ich entrollte das Papierchen, und darauf stand etwas in Arabisch zu lesen, in einer Handschrift, die deutlich einem Europäer gehörte, der ja eine andere Schreibrichtung


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