Malmedy - Das Recht des Siegers. Will Berthold

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Turm herunter. In seiner Hand hielt er die entsicherte 08-Pistole.

      Wieblich, der Richtkanonier, stieg hinter ihm aus.

      „Na“, wiederholte Klausen, „jetzt denk dir mal eine gute Geschichte aus. Aber fix, mein Junge!“

      Werner Eckstadt schüttelte den Kopf.

      „Keine Geschichte, Obersturmführer. Ich gehöre zum ,Sonderkommando Sennelager‘. Wir sind heute nacht mit dem Fallschirm hinter der HKL abgesetzt worden. In amerikanischer Uniform. Geheimeinsatz. Sollten Verwirrung stiften …“

      Obersturmführer Klausen pfiff leise durch die Zähne. Er sah Eckstadt scharf an. Irgendwo hatte er gehört, daß es so etwas gab.

      „Und wie wollen Sie das beweisen?“ fragte er.

      Bevor Werner noch etwas erwidern konnte, packte ihn Wieblich am Arm, streifte den Ärmel seines Unterhemdes hoch und hob den Arm in die Höhe. Der Richtschütze dachte praktisch wie immer. Wenn der Mann nicht log, mußte er den Blutgruppenstempel der SS, das Brandmal für Hitlers Leibeigene, haben.

      „Det Ding hat er“, sagte Wieblich verdrießlich. Für ihn bestand der Krieg aus einfachen, klaren Dingen: Angreifen und Menschen totschlagen. Mit den Problemen dieser Offensive kam er nicht mehr mit. „Der hat sich sicher gleich dünne jemacht!“ ergänzte der Richtschütze seine Betrachtungen.

      „Und wie kommen Sie denn in die Unterhosen?“ fragte der Obersturmführer.

      „Hat ne Schnucke jefunden“, knurrte Wieblich.

      „Und wo sind denn Ihre Kameraden?“ meinte der Obersturmführer lauernd.

      Werner Eckstadt riß sich gewaltsam zusammen. Wie hatte er damals geflucht, als man die Blutgruppe in seinen Arm ritzte. Diese elende, gedankenlose, allmächtige Bürokratie mußte ihn jetzt retten!

      „Obersturmführer, sind Sie schon einmal nachts mit dem Fallschirm abgesprungen? Ich bin in einen Teich gefallen. Die ganze Uniform war versaut. Ich wäre doch mit dem klitschnassen Zeug keine drei Schritte weit gekommen! In diesem Zustand kann man nicht Ami spielen. Ich wollte meine Klamotten erst mal trocken kriegen. Ich fand eine Scheune …“

      Werner sprach hastig. Er redete sich den Kloß der Angst heraus, der ihm in der Kehle saß.

      „Nu’ sabber’ nich so ville!“ entgegnete Wieblich.

      Der Obersturmführer lächelte.

      „Na, ist schon gut. Melden muß ich Sie natürlich. Aber jetzt steigen Sie erst mal ein. Ihr kalter Arsch wird sich bei uns schnell aufwärmen.“

      Als Werner Eckstadt in den Panzer kletterte, merkte er erst, wie seine Knie schlackerten.

      Im Augenblick war er aus allem heraus. Aber er sollte den Tiger noch verfluchen …

      Die anderen, die mit Werner Eckstadt abgesprungen waren, hatte der Wind abgetrieben. Nur Obersturmführer Friedberg und Unterscharführer Roettger blieben zusammen. Sie landeten an einem Waldrand. Den Obersturmführer erwischte beim Aufkommen noch eine der letzten Tannen und schürfte ihm die Haut im Gesicht auf.

      Sie vergruben ihre Fallschirme, schwiegen und lauschten in die Nacht. Sie warteten auf Haubach, auf Seyfried und auf Eckstadt. Nach einer halben Stunde sagte der Obersturmführer:

      „Na, denn nicht …“

      Roettger hatte verflucht die Nase voll.

      „Was machen wir jetzt?“ fragte er leise. Er hoffte, daß der Obersturmführer sagte: „Jetzt verpissen wir uns.“

      Aber Friedberg entgegnete gar nichts, sondern begann zu tippen. Erst die Waldschneise hinunter, dann einen Feldweg entlang, bis sie auf eine Straße stießen.

      „Haben Sie eine Ahnung, wo wir sind?“ fragte der Uscha.

      Friedberg schüttelte den Kopf.

      „Wird sich schon herausstellen“, knurrte er dann.

      Plötzlich begann die Straße leicht zu beben. Man konnte das dumpfe Brummen von Motoren hören, die ganz in der Nähe laufen mußten.

      Roettger sprang in den Straßengraben.

      „Mensch!“ sagte der Obersturmführer laut, „Mensch, wir sind doch Amis, was brauchen wir uns in den Straßengraben zu legen.“

      Es war eine amerikanische Nachschubkolonne. Der Obersturmführer ließ sie lässig passieren. Er stand breitbeinig am Straßenrand und dokumentierte so, daß die amerikanische Militärpolizei allgegenwärtig ist. Er hatte ja die dunkelblaue MP-Binde am Oberarm.

      Ein Jeep scherte plötzlich aus der Kolonne aus. Mit abgeblendeten Lichtschlitzen. Ein Captain beugte sich aus dem Wagen und fragte, ob er auf dem richtigen Weg zur zweiten amerikanischen Luftlandedivision sei.

      „That’s right, Sir“, antwortete Friedberg.

      Der Captain wollte weiterfahren, aber Friedberg, der falsche MP-Posten, verlangte noch mit eisernem Gesicht die Papiere, die er im Schein seiner Stablampe prüfte.

      „Sie haben Nerven!“ sagte Roettger, als alles vorbei war.

      „Wir werden noch welche brauchen“, meinte der Obersturmführer.

      Sie gingen weiter die Straße entlang. Die kalte Luft des nachtdunklen Morgens vibrierte vom Röhren der Motoren, Panzerfahrzeuge, Lkws, Jeeps und Zugmaschinen. Amerika transportierte seine Macht, und zwei verkleidete, deutsche SS-Männer tippelten die Straße entlang, um diese Macht zu brechen.

      Friedberg und Roettger sahen die Straßenkreuzung schon von weitem. Die Kolonnen schienen sich dort zu verzahnen und gleichzeitig in alle Richtungen auseinanderzulaufen. Im tanzenden Licht der schmalen Scheinwerferbündel verzerrten sich die Schatten der Fahrzeuge ins Groteske.

      Sie waren auf hundert Meter heran, da stieß der Obersturmführer den Uscha in die Rippen.

      „Militärpolizei“, sagte er gepreßt.

      Neben der Kreuzung war ein Baum, unter dem Baum stand ein Jeep. Der Wind verwehte das Quäken seines Funkgeräts. Roettger folgte dem ausgestreckten Arm Friedbergs und bemerkte mitten auf der Kreuzung die beiden Militärpolizisten, die den Verkehr regelten.

      „Da gibt’s nur eins“, sagte der Obersturmführer, „nicht schießen. Nur schlagen …“

      Er nahm seine Pistole mit dem Lauf in die Hand. Roettger tat dasselbe, obwohl er am liebsten damit dem Obersturmführer eins übergebraten hätte. Aber der Befehl war stärker als die Vernunft.

      Sie schlichen sich von hinten an den Baum heran. Wenn ein Lichtstrahl von der Kreuzung über das Feld huschte, warfen sie sich in Deckung. Auf zehn Meter sahen sie den Jeep. Zwei Amis saßen darin. Sie lehnten mit dem Oberkörper zurück und ließen ihre Beine über die Bordwand baumeln. Wie ein Schatten huschten Friedberg und Roettger auf sie zu, stürzten sich gleichzeitig auf sie. Einer der Amis konnte sich hochrappeln. Da hatte er auch schon den Pistolenknauf des Obersturmführers im Mund und gurgelte mit Blut und Zähnen. In seiner sinnlosen Angst drosch Roettger so lange auf den MP-Mann ein, bis dessen Kopf weich war wie eine gesplitterte Eierschale.

      „Hör auf!“ zischte Friedberg, „siehst du nicht, daß der genug hat.“ Auch er hatte seinen Mann erledigt.

      Sie zogen die Beine der GIs in den Wagen. Sicherheitshalber stach der Obersturmführer jedem der beiden mit dem Messer in die Brust, damit es hinterher kein Mißverständnis geben würde …

      Die Kreuzung war jetzt wie leergefegt. Einer der beiden Posten langweilte sich und ging auf seinen Wagen zu … in dem Roettger und Friedberg neben zwei toten Amis kauerten.

      „Meinetwegen machen wir sie auch auf Raten fertig“, sagte der Obersturmführer.

      Es ging blitzschnell. Der Mann konnte keinen Laut mehr ausstoßen. Er verwechselte in dem dämmerigen Licht seine Mörder mit seinen Kameraden.

      Auch der letzte der vierköpfigen MP-Streife starb


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