Malmedy - Das Recht des Siegers. Will Berthold

Malmedy - Das Recht des Siegers - Will Berthold


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lagen …

      Auf der Kreuzung drängte sich der amerikanische Nachschub genauso noch wie vor Stunden. Obersturmführer Klausen hatte das Kehlkopfmikrofon vor dem Mund. Er wies die hinter seinem Tiger fahrenden Panzer seiner Einheit ein. Er ließ sie seitlich ausschwenken zu einer breiten Feuerfront. Er nahm die Augen nicht von der Zieleinrichtung. Klausen wollte selbst schießen und überließ Wieblich nur das Turm-MG. Die Gummimuschel klebte an den Augenbrauen des Obersturmführers.

      Er sah, wie es drüben eine Stockung gab. Männer sprangen von den Fahrzeugen. Eine leichte Flak bellte. Maschinengewehre meckerten.

      „Ach du jriene Neune!“ sagte Wieblich, „euch wern mer wat blasen!“

      „Sprenggranate!“ befahl Klausen. „Aufschlagzünder.“

      Die Patrone klackte in den Verschluß der 8,8 Panzerkanone.

      Dann sagte der Obersturmführer nichts mehr. Er ließ die Straßenkreuzung auf der Spitze seines Zieldreiecks tanzen. Sein Handballen schwebte über dem roten Knopf.

      Der Tiger brüllte auf, hob sich leicht.

      „Rack … rrrack“, flog der Verschluß im Panzer zurück und vor. Die Kartusche polterte. Eckstadts Ohren sangen.

      Der Schnee vor dem Tiger färbte sich schwarz. Schuß auf Schuß jagte hinaus. Neben ihm krachte es, rechts, dann links. Die orangenen Blitze standen über dem Schnee wie Marmelade auf Götterspeise.

      Die Hölle gab ein Gastspiel …

      3. kapitel

      Das Gastspiel der Hölle war kurz und blutig. An der Kreuzung flammten Brände auf. Fahrzeuge kippten in Zeitlupe um. Schwarze Fetzen flogen durch die Luft. Wieblich, dessen Maschinengewehr noch nicht hämmerte, schlug sich vor Freude auf die Schenkel und lachte.

      Aus dem brennenden, berstenden Durcheinander löste sich ein Sherman-Panzer und kroch Klausens Tiger entgegen. Der Obersturmführer hatte ihn im Visier. Eine Sekunde zu spät. Vor seinen Augen flimmerten plötzlich tausend Sterne. Werner Eckstadt bekam keine Luft mehr. Der Treffer krachte auf der Außenhaut des Panzers. Gleich mußte der nächste Einschlag kommen!

      Ein anderer Tiger erledigte den Sherman.

      „Könnt euren zweiten Geburtstag feiern“, sagte Klausen und ließ den Turm vorsichtig schwenken. Es war nichts verbogen. Die Panzerung war stärker gewesen als das Feindgeschoß.

      Zug um Zug schob sich Klausen mit seinem stählernen Vernichtungskasten an die Kreuzung heran. Vier links und rechts von ihm stehende Tiger gaben ihm Feuerschutz. Ihre Granaten pfiffen über den vorrollenden Tiger. Aber es war nicht mehr nötig. An der Kreuzung war aufgeräumt.

      Der Tod hatte aufgeräumt …

      Sie hielten mitten in dem brennenden Trümmerhaufen. Die amerikanischen Fahrzeuge, die noch nicht in Brand geschossen waren, hatten in wilder Panik abgedreht. Von vorne nach hinten drängende und von hinten nach vorne schiebende Kolonnen prallten zusammen.

      Auf dem Feld sammelten sich die verstreuten GIs, ein Haufen von vielleicht zweihundert Mann. Sie hatten rauchgeschwärzte Gesichter, in die das Blut kleine Gassen bahnte. Sie hielten die Hände in die Luft und starrten entsetzt auf die näherkommenden deutschen Panzer.

      „Wo sind wir eigentlich?“ fragte Saalbeck.

      Der Obersturmführer hatte etwas ganz anderes im Auge: das Fahrzeug da drüben mit den brennenden Reifen … das war ein Tankwagen?

      „Halts Maul jetzt“, erwiderte Klausen. „Irgendwo nordwestlich von Malmedy.“

      So fiel zwischen ihnen der Name Malmedy zum erstenmal ganz beiläufig. Werner Eckstadt dachte: Malmedy? Nie gehört! Er hatte Zeit zum Denken. Er hatte nichts zu tun, nichts zu sehen. Nur die brennenden Kartuschen spürte er im Kreuz. Ach ja, Eupen-Malmedy … er erinnerte sich ungenau an ein Kapitel aus der Geschichte. Versailler Vertrag. Er wußte noch nicht, daß der Name Malmedy seine eigene Geschichte werden würde …

      „Los, eh’ es zu spät ist!“ sagte Obersturmführer Klausen. Er machte den Deckel auf. Sein Panzer rollte dicht an den schmorenden Tankwagen heran. Um die Amis, die ihre Hände über den Kopf legten, kümmerte er sich nicht.

      Wieblich rief zwei GIs heran.

      „Los, löscht die Reifen!“ brüllte er sie an. Sie standen wie angewurzelt und lachten mit weißen Zähnen. Da sprang Wieblich schon vom Panzer und trat einen von ihnen in den Hintern.

      Sie kapierten mit Angst in den schrägen Augen, rissen sich die Uniformblusen herunter und schlugen damit auf die brennenden Reifen ein.

      Jeden Augenblick konnte, mußte der Tankwagen in die Luft fliegen. Aber die amerikanischen Soldaten hatten keine Zeit zu überlegen, ob es besser wäre, zu explodieren oder unter den Kugeln eines SS-Mannes zu sterben …

      Sie erstickten das Feuer. Der Panzer rumpelte noch näher, saugte sich mit Benzin voll.

      Die nächsten Fahrzeuge rollten heran. Der Vormarsch konnte weitergehen!

      Obersturmführer Klausen fuhr dicht an den Amis vorbei.

      „Nach hinten!“ brüllte er und gab ihnen gleichzeitig ein Zeichen mit dem Daumen.

      Die GIs nickten. Sie schienen es verstanden zu haben. Klausen war es wurscht. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Er mußte weiter. Sollte sich das Gros mit den Kriegsgefangenen abgeben. Hinter ihm traten ja SS- und Heeresdivisionen im breiten Strom zum Angriff an.

      Nach zehn Minuten brüllte Saalbeck plötzlich: Die roten Warnlampen leuchteten auf.

      „Der Ofen brennt!“ schrie der Panzerfahrer.

      Klausen drückte automatisch auf den Feuerlöscher.

      „Scheiße!“ sagte er.

      Da bekam er schon die Meldung von den anderen Tigern seiner Einheit, daß ihre Motoren ebenfalls brannten. Sie hatten alle aus der gleichen, trüben Quelle Benzin getankt.

      „Scheiße!“ wiederholte der Obersturmführer noch einmal.

      „Aus“, erwiderte Wieblich.

      „Quatsch“, fuhr ihn Klausen an. „Das ist bloß der Sprit. Diese Scheißkerle haben uns Flugbenzin vererbt … Da gibt’s nur eins: Feuerlöscher einschalten und weiterfahren! Hören Sie, Eckstadt, jetzt können Sie sich auch mal nützlich machen. Sie halten diesen Knopf hier fest.“

      In den Minuten und Viertelstunden, die über das weitere Schicksal Werner Eckstadts entschieden, drückte er nur einen Feuerlöschknopf.

      Das war sein ganzes Verbrechen. Wofür man ihn, schon sehr bald, zur Verantwortung ziehen würde … das war etwas ganz anderes, etwas Fürchterliches, etwas Unbeschreibliches … etwas Hundsgemeines. Und es spielte sich jetzt, zu dieser Stunde, drei, vier Kilometer hinter ihm ab.

      Genau an der Straßenkreuzung, die die Panzer des Obersturmführers Klausen nach kurzem Gefecht genommen hatten …

      Das Gros hatte aufgeschlossen. Mit Panzern, mit Panzerspähwagen, mit Schützenpanzerwagen, mit aufgesessenen Panzergrenadieren. Es war eine SS-Einheit, eine von vielen. Es waren Männer, die deutsche Uniformen trugen, und die wie Menschen aussahen. Aber es waren keine Menschen.

      Es waren Mörder, feige, hinterhältige Mörder. Und die meisten von ihnen sind heute noch unter uns. Völlig unbehelligt, denn man kennt sie nicht. Andere, Unschuldige, büßten für sie. Wie der Gefreite Eckstadt, der nur den Druckknopf des Feuerlöschers bediente …

      Die etwa zweihundert Amis hatten sich nach dem Überfall an der Straßenkreuzung erst einmal Zeit gelassen. Einige von ihnen versuchten, aus den umgestürzten, ausgebrannten Fahrzeugen noch ihre Habseligkeiten zu retten.

      Da fuhren neue Granaten unter sie, rissen sie auseinander, dezimierten sie, schleuderten ihre zerfetzten Reste gegen die Bäume.

      Das Gros sprach das Ziel zunächst völlig korrekt als Feind an. Es wußte


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