Das Horn von Afrika. Alfred Schlicht

Das Horn von Afrika - Alfred Schlicht


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      Kaiser Susenyos begegnete den katholischen portugiesischen Missionaren, die jetzt mehr und mehr ins Reich kamen, mit Sympathie, ließ sich von ihnen beeinflussen und konvertierte sogar 1621 zum Katholizismus, ob aus religiöser Überzeugung – der Kaiser soll sich immerhin mit der jesuitischen Philosophie befasst haben – oder aus politischen Gründen, ist nicht definitiv festzustellen. Jedenfalls bemühte er sich auch um politische Kontakte zum christlichen Europa, indem er Schreiben an den Papst und die Habsburger richtete. Im Land aber keimte Widerstand gegen die neue religiöse Orientierung des Herrschers auf. Alfonso Mendes, ein Portugiese, der 1625 als Patriarch der römischen Kirche ins salomonische Reich kam, brachte den Kaiser dazu, den Katholizismus praktisch zur ›Staatsreligion‹ zu machen und ihn mit Gewalt durchzusetzen.47 Erst der entschiedene Widerstand dagegen – vor allem in Tigray – brachte Kaiser und Patriarch dazu, eine etwas liberalere Haltung einzunehmen und den Katholizismus nicht mehr verpflichtend zu machen. Als jedoch unter dem zunehmenden Druck der Gegner des Katholizismus der Kaiser schließlich abdankte, verließ auch der katholische Patriarch das Land, um sich im portugiesischen Diu an der indischen Westküste niederzulassen. Unter Kaiser Fasiledes (1632–1667),48 Sohn von Susenyos, kam die Restauration der ›Orthodoxie‹. War Fasiledes zunächst wie sein Vater Katholik gewesen (wenn vielleicht auch nur pro forma), so überzeugte er doch seinen Vater, Gewissensfreiheit zu gewähren und stellte sogar 1632 die Vorherrschaft der Orthodoxie wieder her. Die Jesuiten49 zogen sich zunächst in ihr Refugium Feremona in Tigray zurück und mussten dann das Land ganz verlassen.

      Mit den Osmanen wurde vereinbart, dass diese keine Jesuiten über die von ihnen kontrollierten Häfen Massawa und Suakin einreisen lassen würden. Da die Portugiesen überall im Bereich des Indischen Ozeans ihr Reich konsolidierten und auch an der ostafrikanischen Küste um Mombasa ihre Präsenz verstärkten, ging man am Horn von Afrika davon aus, dass mit der Verbreitung des Katholizismus nur der Boden für imperialistische Operationen der portugiesischen Seite bereitet wurde.

      Um einer befürchteten portugiesischen Invasion zuvorzukommen, startete Fasiledes eine diplomatische Präventivaktion. Er nahm Kontakte zum zayditischen (schiitischen) Imam des Jemen auf und trat in Verbindung mit den Osmanen, dem iranischen Schah und dem indischen Groß-Moghul.

      Dabei standen nicht echte Sympathien für den Islam im Vordergrund – dem Herrscher ging es darum, eine antikatholische Allianz gegen Portugal zu schmieden, um eine vermeintliche Bedrohung abzuwehren, schienen die Portugiesen doch überall im Indischen Ozean und auch an seinen Rändern Fuß zu fassen. Das Misstrauen gegen Europa war am Horn von Afrika nach dem katholischen Intermezzo tief verwurzelt. Deshalb blieben Bemühungen des französischen Königs Ludwig XIV., die Beziehungen wiederzubeleben, erfolglos.

      Ganz allgemein war der salomonische Staat bestrebt, seine Isolierung zu überwinden, ohne in Abhängigkeit neuer Partner zu geraten.

      So suchte Fasiledes die Kooperation jemenitischer Herrscher zu gemeinsamem Vorgehen gegen die Osmanen. Konkretes Ziel war, den Handel seines Reiches über einen nicht unter osmanischer Kontrolle stehenden Hafen zu führen. Baylul, nördlich der heutigen süderitreischen Hafenstadt Asab gelegen, schien hierfür geeignet, da hier das Rote Meer enger wurde und die See-Entfernung zum jemenitischen Hafen Mucha nicht mehr weit war. Von jemenitischer Seite zeigte man jedoch weniger Interesse an einer Kooperation,50 weshalb Baylul nie über einen Handelsplatz regionaler Bedeutung hinauswuchs.

      Das Reich von Gonder

      In die Regierungszeit von Fasiledes fällt, neben machtpolitisch motivierten Militärmaßnahmen innerhalb des Reiches etwa gegen die Oromo, die weiterhin eine ständige Unruhequelle darstellten, auch eine innenpolitische Entwicklung, welche eine neue Epoche einleitete: Fasiledes machte Gonder, nördlich des Tana-Sees, gelegen an einer der wichtigen Handelsrouten zum Roten Meer, zu seiner Hauptstadt. Damit leitete er eine Periode ein, in der weit über 100 Jahre Gonder51 Hauptstadt des Reiches blieb und den Schwerpunkt des Salomonischen Staates nach Nordwesten verschob.

      Diese Einrichtung einer festen Hauptstadt in einem Land, dessen Herrscher sich bislang oft auf Wanderschaft befunden oder nur kurzfristig Residenzen eingerichtet hatten, die ihren Hauptstadt-Charakter bei einem Thronwechsel wieder verloren, entfaltete bleibende Wirkungen. Sie begünstigte eine kulturelle Blüte, wie sie oft entsteht an Orten und in Regionen, die geprägt sind von der dauerhaften Konzentration politischer und wirtschaftlicher Macht. Der Gonder-Stil in der Architektur,52 der sich bereits seit dem späten 16. Jahrhundert entwickelt hatte, prägte die Baukunst nicht nur der Reichsmetropole, sondern auch des Landes zwischen Tana-See und Aksum bis hinein ins 19. Jahrhundert.

      Die Palastanlage des Fasiledes gehört heute zum UNESCO-Weltkulturerbe, zahlreiche Bauten sind noch relativ gut erhalten. Der repräsentative Charakter der Stadt wurde weiterentwickelt durch die Bautätigkeit späterer Herrscher, die alle auf diese Weise ihr Zeichen setzen wollten.

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      Abb. 7: Gonder-Architektur: Fasiledes-Palast.

      Auch unter Fasiledes Nachfolgern wurden Feldzüge im Land gegen innere Feinde geführt (z. B. gegen Oromo und Agau) und auch die antikatholische Politik wurde fortgeführt. Katholische Priester wurden ermordet, Katholiken mussten das Land verlassen. Andere wurden gezwungen, zur ›Orthodoxie‹ zurückzukehren. Ganz allgemein sind das 17. und 18. Jahrhundert eine Zeit der religiösen Gegensätze, auch der innerkirchlichen christologischen Auseinandersetzungen, die bezüglich der göttlichen und menschlichen Natur Jesu entstanden53 (image Kap. 5). Teilweise führten diese spitzfindigen religiösen Konflikte zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und sogar Massakern. Kaiser Iyasu I. wurde in diesem Kontext 1706 ermordet. Verschiedene Interessengruppen assoziierten sich mit unterschiedlichen christologischen Richtungen – Machtpolitik und Religionsstreitigkeiten gingen eine unselige Verbindung ein. Diese Konflikte überschatteten auch die Regierungszeit von Iyasus Söhnen Tekle Haymanot und Dawit III. – erst unter seinem Sohn Bekaffa trat eine Stabilisierung ein. Bekaffas späte Jahre wurden bestimmt von seiner Konkubine Welette Giyorgis, die den Ehrennamen Berhan Mogesa54 trug und aus Kwara nordwestlich des Tanasees stammte, aber unter der Bezeichnung Mentewwab (›o welche Schönheit‹) bekannt wurde. Sie soll sich besonders durch die Förderung der Kunst ausgezeichnet haben.

      Mütterlicherseits von Kaiser Minas († 1563) abstammend, gelangte sie bei Hof, obwohl nicht Ehefrau des Kaisers, zu beträchtlichem Einfluss. Ihre Stellung erlangte sie mit bemerkenswerter Konsequenz und Durchsetzungsfähigkeit.

      Für Iyasu II., ihren Sohn, den sie mit Bekaffa hatte, übte Mentewwab die Regentschaft aus, ebenso für dessen Sohn, ihren Enkel Iyo’as. So blieb sie fast ein halbes Jahrhundert lang die dominierende Persönlichkeit am salomonischen Hof. Ihre Rolle festigte sie durch Berufung von Verwandten in wichtige Positionen, so z. B. ihren Bruder Welde Le’ul, der hohe Hofämter bekleidete und ihr half, ihre Position zu verteidigen, dann aber auch mit ihr in Streit geriet. Es entstand eine Rivalität zwischen Mentewwab und der Mutter ihres Enkels Iyo’as, die der Oromo-Sippe von Yedschu entstammte, welche bald die Kontrolle über das Kaiserhaus und die Residenzstadt Gonder erlangen sollte. Der Regent von Tigray, Mika’el Sehul,55 der zunächst Alliierter von Mentewwab gewesen war und sogar ihr Schwiegersohn wurde, stellte sich dann gegen die Regentin und ihren Enkel Iyo’as, den er als Kaiser absetzte, kurz darauf tötete und durch einen Marionettenkaiser ersetzte.

      Zemene Mesafent – Zerfall des Reiches

      Diese Wirren beendeten die Blüte der Gonder-Periode und leiteten bereits über zur ›Zemene Mesafent‹,56 einer Epoche, die durch Chaos, Anarchie und Schwäche des Kaiserreichs gekennzeichnet war. Ihr Beginn wird oft auf das Jahr der Absetzung von Kaiser Iyo’as 1769 angesetzt. Nur Schewa bewahrte in dieser chaotischen Epoche eine gewisse Prosperität und Stabilität.

      Schon in der Gonder-Zeit war das Reich territorial geschrumpft, die faktische Macht


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