Wirren um Liebe. Anny von Panhuys

Wirren um Liebe - Anny von Panhuys


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sie die Mutter an.

      „Schon wieder ein neues Kleid? Na, ist denn Vati damit einverstanden?“

      Ihre Mutter verwies sie ärgerlich: „Man könnte meinen, ich stände unter Kuratel, Hansi! Ich werde mir doch gelegentlich ein Kleid kaufen können ohne Genehmigung von Vati.“

      Hansis großer, aber schön geschnittener Mund zeigte die glänzenden Zähne.

      „Natürlich, Mutti, bloß ich meine, Vati verdient doch das Geld für uns, er arbeitet den ganzen Tag; wir aber geben nur aus. Du hast doch auch schon so viele Kleider.“

      Es klang nicht dreist und unverschämt, war nur eine Feststellung. Aber die Frau war empört. Erst stellte der Mann sie des Kleides wegen zur Rede, dann wagte die rotbäckige Ursel zu tun, als hätte sie ein allzu jugendliches Kleid gewählt, und nun erinnerte sie noch das Kiekindiewelt daran, daß sie Kleider genug besäße. Gut, daß übermorgen Mittwoch war. Draußen unter den Bäumen von Tanneneck, wo die Springbrunnen die einförmige Begleitung zu Udo Berings singender Geige rauschten, würde sie schon Erfolg einheimsen. Sie antwortete spöttisch:

      „Das Talent, Blech zu reden, hast du von deinem Vater geerbt.“

      Hansi lächelte. „Und die hübsche, schlanke Linie habe ich von meiner Mutti. Du, ich glaube, das Kleid paßt mir auch. Es könnte mir gefallen.“

      Ihre Mutter schnippte wegwerfend mit den Fingern.

      „Wie ein Laubfrosch, dem man Futter zu geben vergessen hat, würdest du darin aussehen.“

      Hansi zog leicht die Schulter hoch.

      „Könnte schon möglich sein, daher will ich es lieber nicht anproben.“ Etwas lebhafter sagte sie: „Ritsch-Ratsch möchte dich bald mal sprechen. Ich soll fragen, wann sie kommen darf.“

      „Was will sie denn?“ kam es in einem Gemisch von Unfreundlichkeit und Neugier zurück.

      „Keine Ahnung, Mutti“, war die Antwort.

      Frau Gerhard zuckte stumm die Achseln, und es war, als hätte sie laut geäußert: Mir ist im Grunde riesig gleichgültig, was sie will. Dann aber sagte sie: „Ich stehe Fräulein Nowotny jederzeit zur Verfügung, wenn sie sich vorher fernmündlich anmeldet.“

      Das klang ganz nebensächlich, und schon betrachtete sie sich wieder ausgiebig im Spiegel. Hansi dachte, was sie — leider — schon so oft hatte denken müssen: Ihre Mutter tat manchmal, als gingen die Dinge, die sie nicht persönlich berührten, sie gar nichts an. Und das schmerzte.

      Sie verließ das Schlafzimmer der Mutter, die das kaum bemerkte, weil sie unaufhörlich darüber nachgrübelte, ob sie den Plan ausführen sollte, den sie ersonnen hatte, um sich zunächst das Geld für das Kleid zu verschaffen.

      Ja! entschied sie. Irgendwie mußte sie sich doch Geld beschaffen, und so, wie sie es sich ausgedacht hatte, war es verhältnismäßig einfach.

      Sie zog das Kleid aus und sann nach, wie sie Regina Ißberg wohl am besten und ungestört sprechen könne.

      Zufällig ans Fenster tretend, sah sie das junge Mädchen über den Damm kommen. Sie war noch ein Stückchen vom Haus entfernt und schaute eben zu ihr herauf.

      Else Gerhard winkte lebhaft hinunter und erreichte ein Kopfneigen Reginas.

      Das junge Mädchen war verblüfft. Was wollte die unsympathische Frau von ihr? In Verbindung mit dem Geschehnis von letzthin war es ihr unangenehm, die Wohnung im zweiten Stock zu betreten. Aber sie mußte es tun in einem Gefühl von Abhängigkeit, von dem sie sich vergebens freizumachen suchte.

      Ein paar Minuten später — sie wollte eben oben an der Wohnungstür klingeln — öffnete sich die Tür bereits lautlos vor ihr, und Frau Gerhard bat sehr freundlich:

      „Treten Sie ein, Fräulein Regina. Ich möchte nur eine Kleinigkeit mit Ihnen besprechen.“ Sie zeigte auf ihr Schlafzimmer und trat mit dort ein. Liebenswürdig lächelnd meinte sie: „Mein Mann und meine Tochter brauchen nicht zu wissen, um was ich Sie bitten möchte, Fräulein Regina.“

      „Wenn ich Ihnen einen Wunsch erfüllen kann, werde ich es natürlich gern tun“, war Reginas Antwort.

      „Bitte, setzen Sie sich“, forderte sie die Herrin des zweiten Stockwerkes auf.

      Nur widerwillig nahm Regina Platz. Ihr war sehr unbehaglich zumute. Was wollte Frau Gerhard von ihr?

      Diese behielt den gedämpften Ton bei, als sie sagte:

      „Wir Frauen müssen, wenn es nötig ist, gegen die Männer zusammenhalten, nicht wahr?“

      Sie erwartete keine Antwort darauf und lächelte nur betont. „Ich habe mir etwas gekauft, und denken Sie, mein Mann verweigert mir einfach das Geld dafür. Ich habe ihm nun erzählt, ich hätte mir das Geld bereits zusammengespart.“

      Sie schob eine kleine Pause ein, ehe sie fortfuhr:

      „Wenn nicht gerade die Miete fällig wäre, hätte ich natürlich keine Schwierigkeiten.“

      Regina begriff nicht, worauf die andere hinsteuerte. Sie sollte aber darüber nicht lange im Zweifel bleiben.

      Frau Gerhard redete schon weiter: „Mir fiel nun ein, ich könnte mich wohl an Sie wenden, Sie würden mir sicher gefällig sein. So etwas fühlt man. Also, Fräulein Regina, ich bitte Sie, auf irgendeine Weise Ihren Herrn Vater zu überreden, daß er mir die diesmalige Miete stundet und ich sie gelegentlich — sagen wir — vielleicht erst im Oktober — nachzuzahlen brauche. Bis dahin werde ich den Betrag zusammengespart haben, hoffe ich. Es wird Ihnen ja leicht möglich sein, mir den Gefallen zu erweisen.“

      Regina erwiderte befangen: „Ich will’s versuchen, aber versprechen kann ich nichts. Vater wird mir antworten: Herr Gerhard verdient doch gut, und erst muß man seinen Verpflichtungen nachkommen, ehe man sich Überflüssiges anschafft. Sie wissen, Vater und Mutter sind selbst sehr anspruchslos.“

      Von Else Gerhards Gesicht verschwand das Lächeln.

      „Besonders entgegenkommend sind Sie gerade nicht. Ich bedaure das sehr, weil ich es nicht von Ihnen erwartet habe. Ich stehe nämlich auf dem Standpunkt, daß eine Hand die andere wäscht!“ Das war deutlich.

      Unangenehm starkes Herzklopfen setzte Regina plötzlich zu; sie spürte es bis zum Hals hinauf.

      Frau Gerhard lächelte schon wieder.

      „Ich befinde mich in einer Notlage, aus der Sie mir helfen können, wenn Sie wollen, und ich rechne bestimmt mit Ihrem Wollen. Bestimmt!“ wiederholte sie noch einmal, und es klang trotz leisen Sprechens, als sei das Wort dick unterstrichen worden.

      Regina war vollkommen im Bilde. Frau Gerhard dachte, sie hätte Regina einen Gefallen getan, weil sie ihren Eltern nichts von dem Vorkommnis mit dem Studenten erzählt hatte. Sollte sie doch den Eltern erzählen, was sie neulich morgens gesehen hatte. Dann brauchte sie wegen dieser Frau nicht mit dem Vater zu reden. Mochte die ihre Eitelkeit eindämmen und ihren Verpflichtungen pünktlich nachkommen.

      Dann aber dachte Regina an Dieter Lindner.

      In welchem Licht würde er ihren Eltern erscheinen? Nein, das durfte nicht sein! Es gab keinen Ausweg, sie konnte die Gefälligkeit nicht verweigern.

      Deshalb erklärte sie:

      „Ich will ja mit meinem Vater sprechen, aber ich habe wirklich keinen Einfluß auf seine Entscheidung.“

      „Den Einfluß müssen Sie sich eben sichern“, kam es zurück. „Zugleich mache ich Sie darauf aufmerksam, daß ich nicht wünsche, Ihr Vater oder Ihre Eltern erfahren durch Sie, aus welchem Grund ich die fällige Miete jetzt nicht zahlen möchte. Das teile ich Ihnen nur ganz im Vertrauen mit.“

      Da faßte Regina einen Entschluß. Sie besaß ein paar hundert Mark Erspartes von Geburtstagsund Weihnachtsgeschenken der Eltern. Gut, sie würde sich soviel holen, wie die Gerhardsche Monatsmiete betrug, und das Geld der Frau aushändigen.

      Sie machte den Vorschlag.


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