Wirren um Liebe. Anny von Panhuys

Wirren um Liebe - Anny von Panhuys


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Hand, und sie errötete. So ein Handkuß war etwas, woran man sich erst gewöhnen mußte.

      Sie wanderten weiter in den sich schier endlos dehnenden grünen Wald hinein, der die Mark Brandenburg so wundersam verschönt. Der Mann malte herrliche Zukunftsbilder, das Mädel an seiner Seite vergaß darüber alles um sich her. Irgendeine Fremdheit war noch zwischen ihm und ihr, das spürte sie deutlich, eine Fremdheit, die sie bei Dieter Lindner nie empfunden hatte. Aber das mochte wohl daran liegen, daß er ein Graf war — ein richtiger Graf!

      Er küßte sie und sagte: „Ich bin so glücklich, dich gefunden zu haben; ’s ist unser zweites Alleinsein. Es war ja so wenig, wenn ich dich bisher nur sprechen konnte beim Besuch in der Konditorei. Aber du warst mir gleich so vertraut, als gehörtest du schon lange zu mir.“

      Sie lächelte ein wenig eitel. Schön war es, nun bald eine große Rolle im Leben spielen zu dürfen. Aber auch ohne Titel und Schloß gefiel er ihr, nahm sie seine Liebe beglückt entgegen.

      Er faßte ihre Linke und küßte sie, dann holte er aus der Westentasche einen Ring, der von hellgrünen und weißen Steinen funkelte und wollte ihn ihr anstecken. Doch noch zauderte er.

      „Du sollst meinen Ring tragen, den ich für dich kaufte, Marlenelein, aber du trägst schon einen. Gib ihn her! Du mußt ihn mir verpfänden bis zum Hochzeitstage!“

      Ehe sie noch etwas erwidern konnte, hatte er ihr den Ring abgezogen, der sich schon seit Generationen in ihrer Familie vererbt hatte. Ein antiker eigenartiger Ring war es und der Stein darin sehr kostbar.

      Er schob ihr den flimmernden schmalen Reif an den nun leeren Finger und die Steine funkelten in der Nachmittagssonne grün und weiß in farbigem Durcheinander.

      Er sagte: „Jetzt stecke ich mir deinen Ring an, mein Lieb. Siehst du, er paßt an meinen kleinen Finger, und von diesem Augenblick an sind wir richtig verlobt, wenn auch noch nicht öffentlich.“

      Er küßte sie: „Ich fordere Treue von dir, Marlene! Och du, wie habe ich dich lieb!“

      Marlene schwebte es auf der Zunge, zu bitten: Laß mir meinen Ring! Ich darf ihn nicht fortgeben, auch nicht an dich. Onkel würde schelten, wenn er merkt, daß ich ihn nicht mehr habe. Er schilt schon oft, weil ich ihn fast täglich trage.

      Aber sie wagte nicht, ihm das zu sagen, denn sie trug doch ein so kostbares Geschenk von Malte Buttenheim am Finger. Sie würde allerdings den neuen Ring zu Hause nicht sehen lassen dürfen. Malte wollte doch nicht, daß sie von ihrer Liebe zu ihm erzählte, ehe er den Prozeß gewonnen hatte. Es war auch gut so. Mit dem Onkel war in manchen Dingen keine Verständigung möglich. Er war so solide und gründlich. Dinge, die noch in der Schwebe waren, entsprachen nicht seinem Geschmack. Alles, was er nicht sah oder was ihm nicht schwarz auf weiß bewiesen wurde, zweifelte er an.

      Malte Buttenheim lächelte. „Jetzt wollen wir aber kehrt machen, mein Mädelchen. Ich habe am Spätnachmittag eine Besprechung mit meinem Stettiner Anwalt verabredet.“

      Sie nickte: „Ich muß auch nach Hause. Ich habe nämlich geschwindelt, ich müßte zum Zahnarzt.“

      Er drückte ihren Arm fester an sich.

      Als die ersten Häuser der Stadt in Sicht kamen, trennten sie sich mit einem Händedruck und verabredeten sich: In acht Tagen an derselben Stelle.

      Marlene ging langsam weiter und sah oft der straffen, schlanken Männergestalt nach, die sich immer rascher von ihr entfernte. Jetzt bog sie um eine Straßenecke und Marlene empfand ein leichtes Mißbehagen, weil Malte Buttenheim sich nicht ein einziges Mal nach ihr zurückgewandt hatte.

      Nicht ein einziges Mal —

      4.

      Marlene kam nach Hause. In der Konditorei waren alle Tische besetzt. Sie sah es, als sie durch den Laden ging. Im Hinterzimmer, der allgemeinen Wohnstube, saß Konditor Otto Staufen auf dem Sofa. Seine graugesprenkelten dicken Augenbrauen zuckten. Das bedeutete bei ihm schlechtes Wetter.

      Er fuhr die Eintretende an: „Wo bist du eigentlich gewesen? Die Lüge mit dem Zahnarzt brauchst du mir gar nicht erst aufzubinden. Ich habe mich schon fernmündlich mit Doktor Zelle unterhalten. Bei ihm bist du bis vor fünf Minuten nicht gewesen.“

      Marlene entschloß sich zur teilweisen Wahrheit.

      „Ich hatte so große Lust, ein bißchen ins Freie zu kommen, in den Wald und da habe ich den Zahnarzt vorgeschoben.“

      In ihrer Stimme war etwas wie Aufsässigkeit. Er lachte kurz und böse.

      „Ich habe immer gedacht, das Töchterchen meines Bruders, das bei uns lebt, als wäre es hier geboren, sei wahr und aufrichtig. Aber leider erkenne ich, du bist nicht mehr wert als alle, die einem fremden Mann zuliebe zur Lügnerin werden. Mit solchen verdammten Heimlichkeiten fängt es bei euch Mädels immer an und mit Ach und Weh hört’s auf.“

      Sie erglühte bis zu den Schläfen und ihr Blick irrte ab.

      Otto Staufen ließ sie nicht lange im Ungewissen über das, was er wußte. Er raunzte:

      „Bist gesehen worden vom alten Kessin, der alle Tage nach einem ausgiebigen Spaziergang seinen Kaffee hier trinkt. Er erzählte mir: Einen schneidigen Freund hat sich Ihre Nichte angeschafft; sie geht in der Oberheide mit ihm Arm in Arm! — Ich habe mich darüber geärgert, daß es mir die Stimme verschlagen hat, als mir der alte Mann die Neuigkeit versetzte.“

      Er fragte barsch: „Wer ist der Kerl, mit dem du gesehen wurdest? Ich will den Namen wissen.“

      Marlene dachte daran, daß Malte noch nicht wünschte, daß ihr Onkel von ihrer Liebe erfuhr. Sie erwiderte deshalb so ruhig, wie sie es fertigbrachte: „Es handelt sich um eine Sache, über die der Herr, nach dem du mich fragst, schon zur rechten Zeit mit dir reden wird.“

      Oh, wie jetzt die buschigen Brauen zuckten! Solche Antworten liebte der gerade, aufrichtige Staufen nicht. Er fand die Antwort hinterhältig und erregte sich:

      „Was für einen Ton schlägst du eigentlich an, Mädel? Du, sieh dich vor! Bei mir mußt du Farbe bekennen, wenn ich es von dir verlange. Und ich verlange es! Auf der Stelle will ich wissen, mit wem du im Wald gewesen bist!“

      Er sprach etwas zu laut und sehr schroff. Wäre sein Ton etwas milder gewesen, hätte Marlene wohl jetzt von dem Grafen Buttenheim erzählt; aber die rauhe Art weckte ihren Trotz. Sie beharrte darauf:

      „Du erfährst alles, sobald es an der Zeit ist, darüber zu reden.“

      Frau Staufen trat ein. Klein und dick war sie und immer in Hast. Sie mahnte:

      „Nehmt doch Rücksicht darauf, daß wir ein offenes Geschäft haben! Warum hast du denn so laut geschrien, Otto? Ich konnte es ja bis in den Laden hinein hören.“

      Sie blickte starr auf Marlenes linke Hand: „Was für einen Ring hast du denn da? Das Ding sieht ja ganz auffallend aus.“

      Jetzt gewahrte auch Otto Staufen den Ring mit den grün und weißen Steinen, den Marlene abzuziehen vergessen hatte, ehe sie das Wohnzimmer betrat.

      Er sah Marlene zornig an: „Der Ring hängt natürlich mit dem Spaziergang in der Oberheide zusammen. Also raus mit einer Erklärung! Wer ist der Mensch, mit dem du da rumgebummelt bist, und von dem du sicher das Glitzerding erhalten hast?“

      Er stellte gleich eine weitere Frage, die ihm eben eingefallen war und die ihm noch wichtiger schien als die andere. Er forschte: „Wo ist dein Ring? Heute mittag hattest du ihn anstecken, und ich ärgerte mich darüber wie gewöhnlich, weil in der Beziehung ja kein Verstand in dich reinzubringen ist, weil du nicht begreifen willst, daß man so ein seltenes Wertstück nicht alltags im Geschäft trägt.“

      Marlene entschloß sich zu reden, denn etwas mußte sie jetzt wohl bekennen, und wenn’s nur ein Bruchteil ihres Erlebens wäre. Sie ärgerte sich. Hätte sie vor dem Eintreten in die Wohnstube doch den neuen Ring abgezogen, den Malte Buttenheim ihr gegeben, dann wäre jetzt alles gut, hätte der Onkel wohl kaum an ihren Ring gedacht.

      „Na,


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