Meine offizielle Frau. Richard Henry Savage

Meine offizielle Frau - Richard Henry Savage


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du heute abend keinen Wein mehr trinkst, mein lieber Mann. Thust du’s doch, so lass ich mich von dir scheiden, du böser Mensch!“ Dies sprach sie, während sie feierlich warnend den Finger emporhob und ein Paar lachender Augen zeigte, die für mich weit berauschender waren als der Champagner, den ich zum Munde führte. Natürlich schlug ich nun alle Sorge in den Wind, und wir beendeten unser mitternächtliches Mahl recht munter und vergnügt.

      Aber das Ticken der Uhr auf dem Kamin mahnte daran, dass die Zeit enteilte; ich klingelte dem Kellner, bezahlte und warf dem sich kriechend verbeugenden Menschen ein paar Rubel hin. Frau Dick sah dies und reichte mir schweigend ihr kleines Taschenbuch.

      „Wozu?“ fragte ich überrascht.

      „Für meine Auslagen,“ gab sie rasch zurück. „Frau Dick Gaines bezahlt selbst für sich.“

      „Aber Frau Arthur Lenox —“ wendete ich ein.

      „Will ebenfalls bezahlen,“ flüsterte sie. „Bitte, weisen Sie das nicht zurück! Meine Lage bringt weiss Gott genug Verlegenheiten mit sich, auch ohne dass Sie mich zwingen zu erröten, so oft Sie Ihr Taschenbuch öffnen. Nehmen Sie, bitte, das Geld! Sie müssen es durchaus — wenn nicht alles, so teilen Sie wenigstens mit mir.“

      Dabei drückte sie mir gewaltsam eine Menge Banknoten in die Hand und sagte dann: „So, jetzt kann ich Sie doch morgen früh mit gutem Gewissen um ein Frühstück bitten.“ Gleich darauf standen wir auf, um zu gehen.

      „Und Sie sind wirklich nicht unglücklich darüber, dass Sie sich nicht schon in Wilna von mir trennen?“ fragte mein Schützling mit lächelndem Mund; dann warnte sie mich spöttisch: „Nicht, Arthur! Der Kellner sieht ja zu! Sie sind viel zu aufmerksam für einen echten Ehemann;“ denn ich half ihr mit gemächlicher Beflissenheit, die mit ehelicher Gleichgültigkeit nichts gemein hatte, in ihren Pelz.

      Einen Augenblick danach schritt ich, sie am Arm führend, die Treppe hinunter und durch eine Menge müssiger, bewundernder Gaffer zur Hausthür. Als ich am Büreau vorüberging, rief mich der Buchhalter an: „Bitte um Vergebung, Herr Oberst, wollen Sie sich gütigst hier einschreiben und mir einen Blick auf Ihren Pass gestatten? Eine reine Formsache, aber eben einmal Vorschrift,“ sagte er ehrerbietig.

      Natürlich blieb mir nun nichts übrig als „Arthur Lenox mit Frau“ in das Fremdenbuch zu schreiben — ein weiterer schrecklicher Beweis gegen mich, falls das Unglück wollte, dass die wahre Frau Lenox einen Blick auf dieses Blatt werfen sollte.

      Bei dem Anruf des Buchhalters hatte Frau Dick plötzlich erschreckt meinen Arm fester gepackt, aber als ich mich nun einschrieb, rief sie dem Mann zu: „Ach, diese Pässe — diese Pässe! Wir haben den unsern schon so oft zeigen müssen, Arthur, dass er vermutlich bald abgenützt sein wird.“

      Dann nahm sie meinen Arm, hing sich fest an mich, und als wir in der Dunkelheit der Nacht nach der Bahn hinübergingen, flüsterte sie: „Ich erschrecke jedesmal furchtbar, wenn man nach dem schrecklichen Pass fragt. Sie sind der liebste, beste Mann von der Welt, dass Sie so freundlich für so ein unerfahrenes, dummes Ding sorgen, wie ich eines bin.“

      Auf dieses Kompliment erwiderte ich nichts, obgleich es dem Mann von Welt in mir viel zu denken gab, sondern strich nur meinen Schnurrbart, der noch immer kohlpechrabenschwarz war — dank einer orientalischen Behandlung, die mir Ali Khan, Barbier in Alexandria, verraten hatte, als ich noch bei der Armee des Khedive stand.

      In wenig Augenblicken hatten wir den Zug erreicht und stiegen in unsre Abteilung ein, wo Frau Dick mit einem Seufzer der Erleichterung in die üppigen Kissen sank, denn die verschiedenen Aufregungen unsres Aufenthalts in Wilna schienen ihre Nerven denn doch angegriffen zu haben.

      Ein Blick auf meine Uhr belehrte mich, dass wir bis zur Abfahrt noch eine Viertelstunde Zeit vor uns hatten, und da die kalte Nachtluft auf Helene hereinströmte, schloss ich die Thür unsres Coupés und half ihr mit beflissener Zärtlichkeit Hut und Schuba ablegen.

      „Sie sind zu gütig ... ach, ich bin so müde!“ sagte sie.

      „Kann ich sonst noch etwas für Sie thun?“ fragte ich, denn sie lag wirklich völlig erschöpft und regungslos in den Kissen.

      „Meine Pantoffeln,“ flüsterte sie, und im nächsten Augenblick hatte ich aus ihrer Handtasche zwei winzige also benannte Gegenstände hervorgesucht und betrachtete sie mit Bewunderung, denn sie waren im feinsten französischen Geschmack aus Goldlackleder gearbeitet.

      Dann sank ich vor den bewunderungswürdigen Füssen nieder, die klein genug waren, in einer solchen Hülle Platz zu finden, und schnürte mit der Ritterlichkeit des ancien régime, auf die ich mir was zu Gute that, die hohen polnischen Stiefelchen auf. Nachdem sie sich ein wenig dagegen gesträubt hatte, liess sie mich gewähren, und ich zog ihr die zierlichen Pantöffelchen an. Dabei fielen aber meine bewundernden Blicke auf zwei in perlfarbene, glitzernde Seide gehüllte, entzückende Knöchel, das Blut stieg mir zu Kopfe und mit einem unsinnigen Kichern rief ich eben: „Was würde Dick Gaines dazu sagen?“ als ein plötzliches, gottverdammtes Klopfen an der Thür meiner vorübergehenden Verrücktheit ein schnelles Ende bereitete.

      Als ich die Thür öffnete, fuhr Helene mit dem angstvollen, erschrockenen Blick eines gehetzten Rehes in die Höhe. Die Mütze in der Hand stand der Schaffner draussen.

      „Bitte den gnädigen Herrn um Entschuldigung, aber ich muss um eine grosse Vergünstigung nachsuchen. Die Fürstin Palitzin und ihre Schwägerin aus Warschau befinden sich im Zug. Die gnädige Frau hat den einzigen Salonwagen inne,“ stammelte er mit tiefer Verbeugung. „Würde die gnädige Frau nicht vielleicht dieses Gelass mit den Damen teilen, und der gnädige Herr sich’s in einem andern Schlafcoupé bequem machen?“

      Wuterfüllt war ich im Begriffe zu schreien: „Die Fürstin Palitzin kann man von mir aus der Teufel holen,“ als Frau Dick mit lieblichem Lächeln vergnügt und erleichtert ausrief: „Gewiss, sehr gerne, Schaffner.“

      Während dieser sich ganz glücklich entfernte, lachte Helene über mein enttäuschtes Gesicht und flüsterte mir zu: „Sie lieber, guter Arthur, begreifen Sie denn nicht, wie günstig dies für uns ist? Die Reisegefährten solch grosser Damen, wie die Fürstinnen Palitzin wagt niemand nach Stellung oder Pass zu fragen.“

      Nun kam der Schaffner zurück und brachte mein bisschen Handgepäck in eine anstossende, für zwei Personen bestimmte Abteilung, wo eben noch ein andrer Herr einstieg. Zur Wahrung des Scheins liess ich Helene meine französischen Romane und einige andre Kleinigkeiten zurück.

      Die beiden Fürstinnen stiegen ein. Offenbar hatte ihnen der Schaffner unsre höfliche Bereitwilligkeit gerühmt, denn sie begannen sofort Helene in der Sprache ihres Landes zu danken.

      Frau Dick, die unterdessen wieder frisch und munter geworden war, lächelte und sagte auf französisch: „Ich bitte um Entschuldigung, ich spreche nicht russisch.“

      Sofort bediente sich die vornehme Dame der französischen Sprache und drückte auch mir ihren huldvollen Dank aus, worauf ich so höflich erwiderte, als es mir bei meiner inneren Wut überhaupt möglich war; gleichwohl sah ich, dass meine militärische Haltung und meine altmodische Höflichkeit auf sie und ihre reizende Begleiterin Eindruck machten. Die ältere der beiden Damen war eine hübsche, gebietende Erscheinung, die jüngere, etwa achtzehnjährige, besass die frische, kindliche Schönheit und jene eigentümliche Anmut, die man bei vornehmen Russinnen so häufig findet.

      „Sie sind Amerikaner, mein Herr?“ fragte die ältere der Damen. Ich verbeugte mich bejahend.

      „Und die gnädige Frau ebenfalls?“

      Frau Dick lächelte und nickte mit dem Kopf.

      „Ich werde Sie jetzt verlassen,“ flüsterte ich Helene zu, aber in so verdriesslichem Ton, dass sie leicht auflachte, gleich darauf schien sie aber diese Grausamkeit zu bereuen, trat an mich heran und flüsterte: „Sei doch nicht so ärgerlich, du lieber alter Arthur — gute Nacht!“

      „Gute Nacht!“ erwiderte ich heiser, aber im nächsten Augenblick überkam mich die Versuchung; ich machte mir die Lage der Dinge zu nutze und drückte einen glühenden


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