Meine offizielle Frau. Richard Henry Savage

Meine offizielle Frau - Richard Henry Savage


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Bälde werde ich Ihnen dort meine Aufwartung machen,“ sagte der Oberst, als er seinen kostbaren Mantel über den Arm warf, seinen Säbel fasste und mit feierlicher Anmut der gnädigen Frau die Hand küsste.

      In diesem Augenblick wurde das Zeichen zur Abfahrt gegeben. Ich bot der bezaubernden Frau meinen Arm, und mit klirrenden Sporen und rasselndem Säbel geleitete uns Petroff an den Zug. Ein eiliges Lebewohl, und wir waren schon in Bewegung, als uns der verliebte Russe noch nachrief: „Ich werde das Hotel de l’Europe ganz gewiss nicht vergessen.“

      „Hotel de l’Europe — ich wohne aber bei meinem Verwandten Constantin Weletsky, am Englischen Quai Nummer 5, meine hübsche, kleine Verführerin,“ lachte ich und kniff Helene scherzend in den Arm — ich war so vergnügt, dass wir endlich den alten Oberst los und allein bei einander waren!

      „Sie sind mit der vornehmen Familie Weletsky verwandt?“ fragte meine Gefährtin nachdenklich, ohne das Kneifen irgendwie zu beachten.

      „Gewiss, durch Heirat.“

      „Das wird uns vielleicht nützlich ...“ sagte Frau Gaines ungestüm, brach aber plötzlich ab und rief: „Wie nett, dass wir nun den alten, greulichen Russen los und allein sind!“ Sie äusserte dies in einem so befriedigten Ton, dass ich den Augenblick segnete, wo ich mit ihr zusammengetroffen war, und ihr zuflüsterte: „War’s nicht ein Glück, dass Dick vorausgereist ist und Sie ohne Pass zurückgelassen hat?“

      „Bst! Der Schaffner kommt, um Licht anzuzünden,“ gab sie zurück und legte mir warnend einen Finger auf die Lippen, worauf wir schweigend zum Fenster hinaussahen, bis der Schaffner unser Gelass erleuchtet hatte.

      Wir befanden uns jetzt in voller Bewegung und mussten innerhalb weniger Stunden nach Wilna kommen, wo Dick Gaines uns erwartete; beinahe that es mir leid, dass sich Dick nicht in St. Petersburg befand, denn in dem milden Schein der Lampe, der gerade auf sie fiel, erschien mir meine Gefährtin schöner als je. Während aus den andern Wagenabteilungen lautes Schwatzen und Lachen zu uns herüberklang, wurde ich düster und still, allein Helene wendete sich zu mir und sagte: „Seit ich Sie kennen gelernt habe, habe ich ein lebhaftes Interesse für Sie gefasst, mein gütiger Beschützer. Erzählen Sie mir von Ihnen und Ihrer Familie, dann kann ich es Dick berichten, den es lebhaft interessieren wird.“

      „Bah,“ entgegnete ich, „Ihre Geschichte würde viel interessanter sein.“

      „Wohl möglich,“ sagte sie mit einem leichten Seufzer, „aber erst die Ihre, dann die meine — wir haben ja Zeit genug. Also bitte!“

      Dies wurde mit dem Schmollen eines verwöhnten Kindes geäussert, worauf ich mich fügte und ihr meine Geschichte seit der Trennung von ihrem Dick in kurzen Zügen entwarf. Offenbar fühlte sie lebhaftes Interesse für meine Familienangelegenheiten, ich setzte ihr daher meine Beziehungen zu den Weletsky auseinander und gab ihren ernsten Fragen gar manche Einzelheit meines häuslichen Lebens preis. Vielleicht war es im Interesse meiner Pflicht gegen meinen alten Kameraden am besten, wir beschäftigten uns in dieser Weise — die Zeit ging doch herum!

      „Und nun,“ sagte ich, als ich mit der geheimen Geschichte der Familie Lenox zu Ende war, „bitte ich um die Chronik des Hauses Gaines!“

      Zu meiner grossen Verwunderung erwiderte sie, dass sie eigentlich nicht viel davon wisse — „Dick und ich sind schon so lange fort in Europa,“ murmelte sie.

      „Aber Sie müssen doch etwas von Mamie, seiner Schwester, wissen,“ sagte ich.

      „Ach ja, Mamie,“ erwiderte sie. „Mamie ist verheiratet — Gott weiss wie lange schon, und lebt in — in Mexiko.“

      „Wie heisst denn ihr Mann?“ fragte ich weiter.

      „Smith — glaube ich,“ erwiderte sie rasch. „Sie können sich gar nicht denken, wie oft Dick von Ihnen zu sprechen pflegte,“ rief sie, von dem Gegenstand unsres Gespräches abspringend. „Mein lieber, alter Arthur, sagte er oft und streichelte dabei seinen schwarzen Schnurrbart.“

      „Seinen schwarzen Schnurrbart!“ stammelte ich. „Aber früher war Richard ja blond!“

      „Freilich,“ entgegnete sie verblüfft, fuhr aber dann eilig fort: „aber er ist in der letzten Zeit grau geworden und färbt sich die Haare.“ Im nächsten Augenblick sagte sie lachend: „Ihr Haar ist noch so dunkel, dass Sie vorderhand Dicks Beispiel nicht zu folgen brauchen! Sie haben wundervolle Haare“ — und dabei tätschelte sie mich auf den Kopf wie ein mutwilliges Kind.

      Diese unschuldige Schmeichelei bezauberte mich vollends ganz.

      „Welch glücklicher Kerl ist doch Dick, dass er Sie bekommen hat! Wie haben Sie denn geheissen, ehe Sie ihm die Erde zum Himmel machten?“

      „Aus dieser etwas übertriebenen Umschreibung glaube ich zu entnehmen, dass Sie sagen wollten, ehe ich ihn geheiratet habe?“ fragte sie und lachte hellauf dazu.

      „Gewiss — Ihren Mädchennamen!“

      „Da! Nun sind wir in Wilna,“ sagte sie, denn die Lichter dieser Stadt tauchten eben aus der Dunkelheit vor uns auf. „Dick wird im Augenblick hier sein.“

      „Ja, aber Ihren Mädchennamen! Ich möchte Sie mir gerne als Mädchen denken können,“ drängte ich von einer Art romantischem Dusel befallen, denn wir hatten dicht nebeneinander gesessen und uns flüsternd unterhalten, und jeder Hauch von ihr hatte mein Herz höher schlagen machen.

      „Ich lasse Sie nicht gehen, ehe Sie mir geantwortet haben,“ erklärte ich, denn mittlerweile hatte der Schaffner die Thüre aufgemacht und gerufen: „Wilna — zwei Stunden Aufenthalt.“

      „Dick wird uns sehen,“ flüsterte sie, denn ich hatte einen Arm um den Elfenleib geschlungen; „bitte, bitte, ich muss sofort in den Gasthof gehen — er könnte sich ängstigen. Er kann fortgehen — ich nichts erfahren — und dann bin ich verloren!“

      „Wer kann fortgehen?“ fragte ich besorgt, denn ihre Stimme klang angstvoll.

      „Dick, natürlich — ich muss gehen!“

      „Ihr Mädchennamen?“

      „Vanderbilt-Astor,“ rief sie und sprang aus dem Wagen, während ich höchst verwundert über diese Verbindung von zwei der bekanntesten amerikanischen Namen ihre Sachen zusammenlegte und ihr dann folgte.

      Viertes Kapitel.

      Auf dem Bahnsteig holte ich sie ein, während sie sich im Weitereilen hastig in ihre pelzbesetzte Schuba hüllte.

      „Sie scheinen es ja sehr eilig zu haben, Frau Gaines geborene Vanderbilt-Astor,“ sagte ich und half ihr zärtlich beim Anlegen ihrer Schuba.

      Inmitten eines Teiles unsrer Mitreisenden schritten wir, von der scharfen, schneidenden russischen Luft zur Eile angetrieben, auf das Portal des Gasthofes zu. Frau Gaines’ Schritte wurden immer leichter und schienen sich zu beflügeln, „je näher das Wiedersehen mit ihrem Gatten kommt,“ dachte ich traurig. Sonderbarerweise schien dieser Gedanke auf meine Stimmung und auf meinen Schritt eine ganz entgegengesetzte Wirkung auszuüben.

      Die Vorhalle des Gasthofes war strahlend erleuchtet, und mehrere reichgekleidete Dvorniks und Portiers standen unter der offenen Thür bereit, die Menge der Reisenden der ersten Klasse zu empfangen, die gewöhnlich unter diesem gastlichen Dach zwei Stunden bis zur Weiterfahrt verbringen.

      Als wir uns dem Eingang näherten, spähten Helenes Augen neugierig umher, als suche sie jemand.

      „Sie erwartet den Gatten,“ dachte ich.

      Einen Augenblick später schritt ein nach Art des russischen Mittelstandes gekleideter Herr auf sie zu, als er aber sah, dass ihre Hand auf meinem Arm ruhte, schien er zu zögern und warf mir einen misstrauischen Blick zu, flüsterte ein paar russische Worte und machte kehrt, um sich wieder zu entfernen! Dabei bemerkte ich aber, wie er mit wahrer Taschenspielergewandtheit der Dame neben mir ein Stück Papier in die offenbar zum Empfang desselben ausgestreckte Hand steckte.

      „Eine Botschaft von Dick? Verstehen


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