Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan
nippte fachmännisch an seinem Glas. »Das ist spanischer Wein. Den würde ich überall herausschmecken. Aus Euren eigenen Weinbergen, nehme ich an?«
»Nein«, erwiderte Moore. »Sherry kommt aus der Umgebung von Cadiz. Unsere Weinberge liegen in Alicante, am Mittelmeer. Unser Wein ist zu süß für den britischen Geschmack.«
»Nun ja, auf jeden Fall ist es sehr guter Wein. Sehr mild in der Kehle.«
»Eure gute Meinung freut mich«, sagte Moore abwartend.
»Es ist wunderbar«, sagte Cooper, »sich vorzustellen, daß der Wein, den wir trinken, aus so seltsamen, weit entfernten Orten kommt.«
»In Spanien, natürlich, gilt Mayo als weit entfernt.«
»Aber nicht zu weit, eh? Ich weiß noch, daß mein Vater Fässer von den Schiffen Eures Vaters kaufte, die der Zoll nie gesehen hatte. Sie wurden an mondlosen Nächten in Kilcummin an den Strand gebracht, die Hälfte aller Gentlemen von Mayo wartete dort schon auf ihre Fässer. Ihr versteht, was ich meine?«
»Durchaus«, antwortete Moore. »Ich verstehe.«
»Es ist wirklich schade, daß wir uns nicht öfter sehen. Das habe ich erst heute morgen zu meiner Frau Kate gesagt. Ihr müßt sie kennen, sie ist eine der Euren.«
»Eine der meinen?« fragte Moore verwirrt.
»Eine Papistin. Ihr Vater war Mick Mahoney, der Viehzüchter. Den müßt Ihr doch sicher gekannt haben.«
»Nein«, sagte Moore. »Jedenfalls kann ich mich nicht an ihn erinnern.«
»Dann habt Ihr ihn nicht gekannt«, sagte Cooper enttäuscht. »Wenn Ihr diesen Burschen gekannt hättet, würdet Ihr Euch an ihn erinnern können.« Er nippte am Sherry. »Wirklich sehr schade, daß wir uns nicht besser kennen.«
»Vielleicht lernen wir uns ja besser kennen«, meinte Moore.
»Ja«, sagte Cooper. »vielleicht. Ich bin in einer offiziellen Angelegenheit hier. Einer Angelegenheit der Miliz.«
»Seid Ihr sicher, daß ich damit etwas zu tun habe? Soviel ich weiß, besteht die Miliz von Tyrawley ausschließlich aus Protestanten.«
»Nun, daran besteht kein Zweifel«, antwortete Cooper.
Verlegen polierte sein Daumen einen Messingknopf. »Weitgehend protestantisch in ihrer Zusammensetzung.«
»Aber nicht ausschließlich?«
»Nun ja, das ist eher eine Frage der lokalen Gewohnheit. Es ist besser, wenn die beiden Bekenntnisse unter sich bleiben.«
»Versteht mich nicht falsch, Captain Cooper. Ich habe durchaus keine Ambitionen in dieser Richtung, keine Begabung für das militärische Leben.«
»Im Grunde bin ich wegen der schwerwiegenden Unruhen hergekommen, die wir in Kilcummin gehabt haben. Ihr habt doch sicher davon gehört?«
»Nein«, sagte Moore. »Was waren das für Unruhen?«
»Es hat einen Ausbruch von Whiteboytum gegeben. Die Whiteboys von Killala nennen sie sich. Sie haben etliche Rinder abgestochen. Meine eigenen, ehrlich gesagt. Und sie drohen, allen Grundbesitzern, die ihr Land zu Weideland machen wollen, dasselbe anzutun.«
»Das könnte natürlich schwerwiegend sein«, stimmte Moore zu. »Wie ist das alles passiert?«
Er füllte ihre Gläser aufs neue.
»Ich habe es selber herausgefordert, nehme ich an. Ich hatte einen Pächter namens Squint O’Malley. Und er war ein verdammt schlechter Pächter, das kann ich Euch sagen. Er war überhaupt keiner von uns. Er ist vor ein paar Jahren von Achill herübergekommen. Er war weit im Rückstand mit der Pacht. Vor zwei Wochen habe ich ihn von meinem Verwalter vom Land vertreiben lassen.«
»Ihr hattet keine andere Wahl?«
»Keine. Meint Ihr, es gefällt mir, einen Mann und seine Familie auf die Straße zu jagen? Die Hypotheken und die Schulden machen mich einfach fertig. Im März habe ich den schlimmsten Gläubiger in Dublin aufgesucht, und er hat es mir offen gesagt. Ich muß beweisen, daß Mount Pleasant sich rentieren kann, und das geht nur durch Viehzucht. Da hat er völlig recht. Ich habe keine andere Wahl.«
»Vielleicht sind es keine Whiteboys«, meinte Moore. »Vielleicht will O’Malley sich nur rächen.«
»Das kann nicht sein«, widersprach Cooper. »O’Malley hat nichts mehr damit zu tun. Ich habe gehört, er ist in Erris, auf einem Stück Land, das dem Bruder seiner Frau gehört. Nein, es sind Whiteboys, und sie haben es auf uns alle abgesehen.« Er steckte die Hand in die Tasche, zog den Brief heraus, faltete ihn auseinander und reichte ihn Moore. Moore räumte seinen Tisch frei und glättete den Brief mit langer, blasser Hand. Dann nahm er seine Lesebrille aus ihrem Etui. »›An die Grundbesitzer und Mittelsmänner der Baronie. Laßt euch Cooper eine Warnung sein.‹« Er las den Brief, warf Cooper einmal einen Blick zu, und las den Brief dann noch einmal mit größerer Aufmerksamkeit. Er lächelte mehrmals, behielt aber ansonsten seinen ruhigen Ernst bei.
»Das ist ein höchst kurioses Dokument«, sagte er. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Natürlich habt Ihr das nicht, nicht in London oder an einem anderen zivilisierten Ort. Aber in der Vergangenheit gab es hier oft genug solche Briefe.«
»Ihr mißversteht mich«, sagte Moore. »Das hier ist mit beträchtlicher Beredsamkeit geschrieben. Hört doch nur. ›Clownischer Knecht, kümmerst dich nicht um Kinderleben, nur um Kühe.‹«
»Damit bin ich gemeint«, sagte Cooper. »Soll ich Unverschämtheit etwa als Beredsamkeit bewundern?«
»›Laßt Cooper allen Knechten eine Warnung sein. Das Volk von Tyrawley hat mit seinem Schweiß die Äcker getränkt, die es bestellt. Wenn die Sonne aufgeht, sind sie schon an ihrer mühseligen Arbeit, und der weiße Mond wacht über ihrer Armut.‹ Das hat kein Pflüger geschrieben.«
»Natürlich nicht«, sagte Cooper gereizt. »Jeder von den zwanzig Schulmeistern der Baronie hätte es schreiben können. Diese Schulmeister sind verdammte Bastarde.«
»Ja«, sagte Moore zufrieden. »Das könnte sein. Es hat die Steifheit einer Übersetzung.«
»Früher gab es Gesetze gegen die Schulmeister, und das waren gute Gesetze. Wieso sollen papistische Bauern denn lesen und schreiben lernen?«
Zorn, wie Eisstücke, zuckte durch Moores milde blaue Augen und verschwand wieder. »Es könnte wirklich eine ernste Angelegenheit sein«, sagte er. »Darf ich annehmen, daß Ihr den ganzen Weg von Ballintubber hergeritten seid, um einen Rat einzuholen?«
»Nicht so ganz. Oder doch, wir wären sehr glücklich über Euren Rat, aber vor allem brauchen wir Eure Unterstützung.«
»Und mit ›wir‹ sind Gibson und Saunders und Eure anderen Nachbarn gemeint, nehme ich an?«
»Stimmt. Die kleinen Grundbesitzer von Kilcummin und Killala. Wir haben hier schon vor Jahren Ärger mit Whiteboys gehabt, und wir wissen, wie wir mit ihnen umzugehen haben. Jetzt brauchen wir die Unterstützung von Dennis Browne.«
Moore strich sich mit den Fingerspitzen über die Stirn. »Ich verstehe das alles nicht, Captain Cooper. Wenn Ihr Dennis Browne braucht, solltet Ihr mit ihm reden, und nicht mit mir. Aber warum braucht Ihr Browne? Wenn es in Tyrawley Unruhen gibt, dann müßt Ihr General Hutchinson in Galway City darüber informieren.«
»Das ist keine Aufgabe für Hutchinsons Soldaten. Wir können mit den Burschen fertig werden, wenn man uns freie Hand läßt.«
»Das ist doch sicher ein Fall für die Gerichte. Ihr seid selber Richter, nicht wahr? Und Gibson auch?«
»Das sind wir, sicher.« Cooper bezweifelte langsam, daß Kates Rat so weise gewesen war. Moore dachte offenbar sehr langsam, sein Gehirn war in seinen Büchern vergraben. »Und wir wollen auch nichts tun, was das Gesetz nicht gestattet.«
»Eine