Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan
er wieder herunterfällt.«
»Das wollte ich gerade sagen, Captain. Das wollte ich gerade sagen. Ich werd mich sofort um sie kümmern.« Er erhob sich und zeigte dann auf den Brief. »Mrs. Cooper hat allerdings recht, Captain. Sie müssen jetzt gestoppt werden. Ihr habt gesehen, an wen sich dieser Brief richtet. Nicht an Euch allein. ›An die Grundbesitzer und die Mittelsmänner der Baronie‹, fängt er an. Das ist die echte Whiteboysprache, und es muß ausgemerzt werden, wie Euer Vater das in den alten Zeiten gemacht hat.«
Cooper behielt die Tür im Auge, bis sie geschlossen war. Fogarty hatte gut reden. Vor dreißig, sogar noch vor zwanzig Jahren hätte sich sein Vater ein paar muntere junge Protestanten gesucht – oder besser noch, seine Lieblingspapisten, die MacCaffertys – und Tyrawley auf den Kopf gestellt. Jetzt war nichts mehr klar. Vielleicht gehörte Cooper nicht zum Landadel. Vielleicht war er nur ein Bauer, der versuchte, in einem harten Land seinen Boden zu halten. Selbstmitleid schwoll wie ein weicher Schwamm in seiner Brust an. Er quetschte ihn aus.
»Vielleicht gehöre ich nicht zum Landadel, Kate, aber ich werde dazu gezählt. Ich habe ein Bild von meinem Urgroßvater an der Wand hängen. Nicht deine großen Lords haben seit Cromwells Tagen Mayo für die Krone gehalten. Es waren Männer wie ich und Gibson, und schön hat man uns dafür gedankt. Als deine großen Lords in England waren, haben Männer wie mein Urgroßvater die Straßenräuber vertrieben. Männer wie wir haben Mayo genommen und gehalten.«
»Dann solltest du es auch weiter halten.«
»Wie denn? Was zum Teufel soll ich denn machen?«
»Geh nach Ballintubber und bitte George Moore, mit Dennis Browne zu reden. Und dann schickst du diesen Schurken deine Miliz auf den Hals.«
»Mein Gott, was bist du bloß für eine Frau! Du hättest als Mann geboren werden sollen.«
»Dann würde ich mich in deinem Bett aber schön ausmachen. Ich bin eine Frau, und das weißt du sehr gut. Mir ist es doch egal, Sam, ob du zum Landadel gehörst oder nicht. Wenn du so aufgewachsen wärst wie ich, Sam, als Papistin unter Papisten, hättest du die Nase voll von solchem Gefasel. Jeder O und jeder Mac reitet darauf herum, wie groß sie in den Zeiten vor Cromwell waren und wieviel Land er ihnen weggenommen hat. Wenn du all dieses Land zusammenlegtest, würde Mayo so weit ins Meer hineinreichen, daß du auf Croagh Patrick stehen und bis nach New York sehen könntest. Das ist alles aus und vorbei. Jetzt geht es um das Land, und wem es gehört. Ich will, daß wir Mount Pleasant behalten, und wenn wir aus jeder Rute Landes eine Weide machen müssen.«
»Werden sehen, Kate. Werden sehen. Aber jetzt gehe ich wohl besser nach unten. Fogarty weiß wenig über Steinzäune, und Paddy Joe noch weniger.«
»Und Paddy Joe wird ›Schönes Wetter heute‹ zu dir sagen, und du antwortest ›In der Tat‹, und dabei könnte Paddy Joe einer von denen sein, denen wir auf die Finger hauen sollten.«
»Nicht doch, Frau. Bist du verrückt? Paddy Joes Vater hat dieses Stück Land von uns gepachtet, als der Vater meines Vaters starb. Sie sind keine Fast-Fremden, wie die O’Malleys.«
»Und glaubst du, die Whiteboys sind vom Mond gekommen? In Mayo zahlt es sich nicht aus, weich zu sein.«
»Dann habe ich wirklich Glück, Kate, denn du mußt Millionen wert sein.«
Sie saß auf ihrer Stuhlkante und umklammerte die Lehnen, ihre schwarzen Haare fielen lose über ihren Schlafrock. Er wußte, daß er Glück hatte. Wer zu Hause mit so einer Frau, die eine Art natürliches Genie für die Freuden des Bettes hatte, sein Temperament messen konnte, brauchte kaum noch die Aufregungen von Glücksspiel und Jagd. Es war eine beeindruckende und erschreckende Mischung, ihre Dickköpfigkeit und ihre Lust. Eine solide, turbulente Ehe.
Cooper öffnete die Doppeltüren, die aus dem Eßzimmer hinausführten und ging auf die Terrasse, von wo aus er in der Ferne Fogarty und die beiden Paddy Joes sehen konnte. Kate hatte recht. Sie kannte diese Leute in- und auswendig – wer kannte sie besser? – und doch, wie er die Dinge auch drehte und wendete, er konnte keinen Ausweg finden. Es konnte vielleicht Kates feminine Blutrunst befriedigen, wenn sie sich vorstellte, wie er mit Feuer und Schwert durch Killala tobte, an der Spitze der Miliz, aber diese kriegerische Vorstellung hatte nur wenig mit den Tatsachen zu tun. In Wexford hatte, nach allem, was man so hörte, General Lake seine Soldaten auf das Land losgelassen, aber in Wexford hatte es einen Aufstand gegeben, und Lake hatte unter Kriegsrecht gehandelt. Es wäre für Cooper eine Freude, diese Whiteboys in Castlebar hängen zu sehen, aber ihm fehlte Kates Skrupellosigkeit. Ohne es aussprechen zu können, liebte er Mayo innig.
Er war weder von Phantasie noch von historischem Wissen sonderlich belastet, aber manchmal fragte er sich doch, wie sein Land zuerst auf seinen Urur-oder-so-Großvater gewirkt hatte, einen Sergeant, der mit Ireton marschiert war. Die Papisten hatten sich erhoben, wie sie das immer machten, hatten Hunderte von Siedlern erschlagen und Tausende vertrieben, die dann im Winter auf den Straßen von Ulster umgekommen waren. Cromwell, der in England Probleme genug hatte, hatte sich die dringend benötigte Zeit abgeknapst, um über Irland herzufallen und eine Rebellion zu unterdrücken, die sich über das ganze Land verbreitet hatte. Irisches Land wurde an englische Gesellschaften verkauft, kleinere Parzellen wurden den Soldaten anstelle ihres Soldes zugeteilt. Auf diese Weise war Sergeant Joshua Cooper, ein Londoner Schlosser, nach Mayo gekommen, hatte Land in Besitz genommen, das er nicht durch das Schwert der irdischen Eroberungen, sondern durch Christi züchtigendes Schwert erworben hatte, das zur Rache für Seine gemordeten Heiligen in die Wüste getragen worden war. Umgeben von einem düsteren und geschlagenen Volk, das in Barbarei versunken war und das Licht haßte, hatte er seine Felder beansprucht und behalten.
Die Kette der Generationen verband Sergeant Cooper aus London und Captain Cooper von Mount Pleasant. Aber wer in dieser Kette hatte als erster das Land wirklich als sein Eigentum betrachtet, ihm zugeteilt durch stärkere Ansprüche als die, die in gesetzlichen Dokumenten stehen? Wer hatte als erster die Schlosserwerkstatt abgeschüttelt und sich als Gentleman betrachtet, nicht nur als Besitzer von Mount Pleasant, sondern als seinen Herrn? Vielleicht Joshuas Sohn Jonathan, der 1690 seine Kompanie ausgehoben hatte, um König Billy an der Boyne und in Aughrim und Limerick zu dienen, der heim nach Mount Pleasant ritt und es fünf Jahre lang gegen die sporadischen Überfälle der Straßenräuber verteidigte, der nun herrenlosen Schwertkämpfer des geschlagenen James Stuart. Es war Jonathan, der dieses Haus gebaut und der ihm seinen Namen gegeben hatte. Schwere Blenden mit Schießscharten zeugten noch immer von den Gefahren jener Zeit, der Name selber jedoch, Mount Pleasant, deutete an, daß er in Mayo mehr als nur Moore und Morde gefunden hatte. Joshua und Jonathan, die aufeinanderfolgenden Gründer von Coopers Familie, sahen einander von den Wänden des Eßzimmers her an; grimmig schauender Roundhead und dickhalsiger Williamit, mit einem Tupfer von Spitzen unter dem Kinn, erstes Anzeichen der Vornehmheit, ein weißer Ausschlag. Der biblische Klang ihrer Namen gefiel Cooper; er allein war schon ein Anspruch auf ihren Besitz, Mayo war ihr Kanaan.
Zu Lebzeiten von Coopers Großvater hatte Efeu begonnen, an den Wänden des einst befestigten Farmhauses emporzuklettern. Im Haus waren die Zimmer mit schweren Kommoden und Betten vollgestopft worden, in Dublin gekauft und per Schiff um die Küste herum nach Killala gebracht. Der Großvater prahlte damit, daß in seiner Jugend einmal Carolan, der große blinde Harfner, im Salon gespielt und zu dieser Gelegenheit sein »Planxty Squire Cooper« komponiert hätte. Hochzeiten hatten aus Mount Pleasant einen Knoten im Netzwerk der protestantischen Grundbesitzer werden lassen, das die Geschichte über Mayo ausgebreitet hatte. Es bestand keine Notwendigkeit mehr für die Blenden mit den Schießscharten, und Joshua und Jonathan waren zu patriarchalischen Legenden geworden. Das Land gehörte jetzt Cooper. Es besaß ihn. Einst, weit weg im braunen Moor der Vergangenheit, hatte es einer O’Donnell-Familie gehört. Ein junger Bauer auf Coopers Land, Ferdy O’Donnell, hatte ihm einmal eine wertlose Kuriosität gezeigt, ein Stück Pergament, das die Tatsache in verblaßter Tinte von der Farbe alten, getrockneten Blutes bestätigte.
Moore Hall, 17. Juni
Ein großes, schönes Haus, erbaut aus blaßgrauen Kalksteinquadern, erhob sich vier Stockwerke hoch gegenüber dem sanften, von Bäumen überschatteten Loch Carra.