Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan
aber diese Burschen sind Bauern, und wir sind Grundbesitzer. Vielleicht wird Cooper für uns ein guter Anwerber, wenn er die Miliz auf die Baronie losläßt.«
Moore schaffte es, seine dritte Tasse Punsch mit einem Ausdruck des Vergnügens auszutrinken.
»Ja«, sagte er nachdenklich. »Das könnte ihm durchaus gelingen, wenn er so töricht ist, wie er zu sein scheint. George verachtet ihn.«
»George verachtet uns alle«, sagte MacDonnell und hob die Hand, als Moore etwas sagen wollte. »Uns alle. Und wer kann ihm das übelnehmen? Sieh mich an, ein Mann in meinem Alter, und ich war ein dutzendmal in Dublin, und damit kennst du alle meine Reisen. Ich habe in den letzten sechs Monaten ein Buch gelesen, eine triviale Romanze, die ich in Tom Bellews Haus gefunden habe. Es ging um einen englischen Lord, der in die Tochter eines spanischen Herzogs verliebt war, etwas Tristeres kannst du dir überhaupt nicht vorstellen. Irgendeine Frau hat es geschrieben. Keiner in Connaught kennt sich so gut mit Pferden aus wie ich, aber was bedeutet das im Grunde denn schon?«
Als Moore mit MacDonnell zu den Ställen zurückging, spürte er mit Verzagen, wie wahr diese Bemerkung doch war. MacDonnell war zweifellos ein fähiger Mann, wie leichthin er auch reden mochte, aber wie die Dornbüsche an den Hängen war er von den Winden von Mayo geformt worden, und wie die Dornbüsche war er im Land verwurzelt.
MacDonnell sagte, wie um das zu bestätigen: »Vergiß nicht, das Rennen in Castlebar. Die beste Woche im Jahr, und es wird ein schöner Einstieg in die Ernte werden. Bei Gott, es geht doch nichts über ein gutes Rennen.«
Moore zog die Reithandschuhe aus der Rückentasche seiner Jacke. »Du willst einer umstürzlerischen Gesellschaft beitreten und kannst doch nur an das Rennen von Castlebar denken.«
»Nun ja«, sagte MacDonnell und holte Moores Pferd aus dem Stall. »Die Franzosen kommen doch sicher erst nach dem Rennen, oder? Sonst werden sie einige Freunde verlieren.«
Paris, 7. Juli
In lebhafter Eile ging er die Rue Saint-Jacques entlang, ein schmächtiger Mann mit messerscharfen Zügen und einer großen Nase, der die Uniform eines chef de brigade der Armee der französischen Republik trug. Er sang ein paar Zeilen aus einer Opernarie, mit rauher, hoher Stimme, und das erregte Aufmerksamkeit. Wenn jemand ihn ansah, dann grüßte er mit einer Handbewegung. Er hätte gern alle Vorübergehenden umarmt, sie allesamt ins Café eingeladen, um auf französisch und auf englisch anzustoßen. Vor seinem erfreuten inneren Auge sah er einen jungen, gut gekleideten Offizier an einem schönen Sommerabend durch die Hauptstadt der Revolution gehen. Er war der Bürger Wolfe Tone, hatte einst in Irland gelebt und würde bald wieder dorthin zurückkehren. Er war der Gründer der Society of United Irishmen, ihr anerkannter Vertreter in Frankreich, und an diesem Abend hatte er die endgültige Entscheidung des Direktorats erfahren.
Er war seit fast drei Jahren in Paris, war zwischen Hoffnung und Verzweiflung und Hoffnung hin und her gependelt, hatte Denkschriften entworfen, lange Stunden in den Vorzimmern der Minister gesessen, Politiker umschmeichelt und sich genug Geld gewünscht, um sie zu bestechen. Geldlos und wortreich in seinem elenden Französisch. Als sie ihm seinen Posten in der Armee gaben, hatte er um einen Soldvorschuß bitten müssen, um sich eine Uniform kaufen zu können. Sein Vorschlag war die Einfachheit selber gewesen: Er war nach Paris gekommen, um für eine französische Invasion in Irland zu sorgen. Sechs Monate lang hatte er an einem Tischchen in seiner Herberge gesessen und seine endlosen Denkschriften verfaßt, Darstellungen irischer Parteien, der Regierung, Beschreibungen der religiösen Gruppen, einen laienhaften Bericht über die Verteidigung der Insel, die Ziele der Gesellschaft. Alles in ordentlicher Anwaltsschrift niedergelegt, die Tatsachen aufmarschieren lassen wie Regimenter, mit Logik so hart und direkt wie Kanonen, die über ein offenes Feld bewegt wurden. An den Nachmittagen war er durch Paris gewandert, hatte die Sehenswürdigkeiten angestarrt, hatte sein Französisch an Kellnern und Gastwirten ausprobiert. Abends drei Flaschen vin ordinaire und dann Oper oder Theater. Dann Wochen der Aufwartung bei Carnot oder einem anderen Minister, wenn er auf einer harten Bank neben anderen Bittstellern saß, eine billige Lederaktentasche balancierte auf seinen knochigen Knien. Ein halbes Dutzend Nationen wetteiferten um die Dienste der Revolution, aber Tone gewann den Wettbewerb. Er bot dem Direktorat eine verärgerte und unzufriedene Insel in Englands Flanke an, ein Volk von Bauern, bewaffnet mit Piken und voller Sehnsucht nach einem Aufstand, ein umfassendes revolutionäres Netz unter der Kontrolle der Radikalen.
Im Dezember 1796 setzte die Expedition in Brest Segel, 43 Segel, die eine Armee von Fünfzehntausend unter dem Kommando des großen Hoche, des brillanten jungen Generals, der die Vendée unterworfen hatte, nach Irland bringen sollten. Der Weihnachtstag sah Tone auf der Indomptable in der Bucht von Bantry, während das Schiff vom Sturm herumgeworfen wurde. In seinen großen Mantel gewickelt stand er voller Nervosität an Deck und starrte durch den tosenden Wind die kahle Küste von Munster an. Nach einer Woche in der Bucht wurden die Schiffe immer noch vom Sturm umhergeschleudert, während eine britische Flotte irgendwo vor der Küste lauerte, und die Franzosen beschlossen, die Anker einzuholen und nach Hause zu fahren.
Tone redete sich bei ihrem Kriegsrat in einer schaukelnden Kajüte heiser, während die Landkarten und Pläne an den Tisch angekettet werden mußten. Er forderte das Kommando über die Légion de France, eine Kompanie artillerie légère, einen Vorrat an Gewehren und die Offiziere, die sich freiwillig meldeten. Dann würde er um die Küste herum nach Sligo segeln und den tosenden Winden entgehen. Oder sie sollten einem französischen Offizier das Kommando übertragen, und er würde unter ihm als einfacher Soldat dienen. Alles, was einen Vorrat an Waffen und eine Armee erfahrener Soldaten nach Irland bringen konnte, jetzt, während die United Irishmen stark und vorbereitet waren.
Die französischen Offiziere waren alle jung, Söhne einer Revolution, die sie aus der Obskurität geholt hatte. Sie lauschten schweigend, mit kühler Bewunderung für diesen hitzigen jungen Iren, so glühend, so patriotisch. Aber nur einer war bereit, das Kommando zu übernehmen, ein sehr junger Brigadier namens Jean-Joseph Humbert, der mit Hoche in der Vendée gewesen war und der sich mit der Leitung irregulärer Truppen auskannte. Er unterstützte Tone mit seinen Argumenten. Mit zweitausend Mann und Waffen für zwanzigtausend Rebellen könnte er in einer Woche in Mittelirland stehen; dort könnten die Rebellen zu ihm stoßen. Hoche zögerte. Es war ein attraktiver Plan, für Frankreich fast ohne Risiko. Ein Erfolg würde einen neuen Verbündeten schaffen. Ein Mißerfolg würde ihnen die Legion nehmen, eine auserlesene Zusammenstellung von Schurken und Knastbrüdern. Wenn sie dich fangen, erinnerte Hoche Tone, dann werden sie dich hängen und deine Eingeweide herausreißen. Gehenktwerden ist keine angenehme Aussicht, erwiderte Tone, und was das mit den Eingeweiden angeht, je m’en fiche. Ein attraktiver Mann, dieser Colonel Ire, geistreich, tapfer und, zweifellos, wie sein neuer Verbündeter Humbert ein wenig skrupellos. Hoche befahl den beiden, seine Kajüte zu verlassen, während er seinen Entschluß fällte.
Sie standen an Deck, Landrattenbeine gespreizt, Hände, die die Eichenreling umklammerten. Humbert sprach kein Englisch und konnte Tones Französisch nur mit Mühe verstehen. Ihr Ehrgeiz brachte sie zusammen, stärker als Sprache: Für beide gab es genug Ehre, hinter den Hügeln, hinter dem Schnee gerade noch spürbar. Ich kann all ihren Hohn aus der Mündung einer Muskete beantworten, dachte Tone. Daß ich nicht der Sohn eines bankrotten Kutschenbauern bin, sondern ein Bastardsproß der Wolfes aus Kildare. Ich habe eine Antwort für die Whig-Politiker, die meine Dienste wollten und mir dann zum Lohn ein paar miese Prozesse hingeworfen haben. Er sah den massiven, breitschultrigen Franzosen an. Was ist mit ihm, dasselbe vielleicht? Günstlinge des Schicksals, wir beide, bereit für den Wurf des Spielers. Am Vortag, einem Tag ohne Schnee, hatte er Bauern auf den niedrigen Hügeln stehen sehen. Keiner von ihnen kannte seinen Namen, keiner von ihnen könnte Englisch mit ihm reden. Er zitterte in seinem französischen Mantel und staunte den Westen Irlands an, den er zum erstenmal sah. Vor dem Direktorat hatte er voller Zuversicht gesprochen: die westlichen Counties, ungezähmt, wütend in ihrem Haß auf England. Er hoffte, daß das stimmte, er kannte den Westen nicht, hatte nur ein paar Tage in Ballinasloe verbracht, in Connaught, und versucht, vorsichtige papistische Krautjunker zu umschmeicheln. Diese Küste von Bantry war wild genug, und die Männer auf den Hügeln unendlich weit entfernt und fremd.