Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan

Ein Traum von Freiheit - Thomas Flanagan


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anderen in der Baronie, aber wir hatten niemals Ärger, ebensowenig wie die Blakes, die kaum besser waren als Pachtwucherer. Sie hatten es nur auf die Protestanten abgesehen, und viele Protestanten glaubten, es gäbe eine Verschwörung unter allen Katholiken, an der auch wir beteiligt wären. Mein Vater hat eines Nachts gesagt, er würde am liebsten eine von unseren Scheunen abbrennen, als Zeichen seines guten Willens.« Treacy lachte bei dieser Erinnerung. »Aber so weit ist es nicht gekommen. Am Ende haben sie vier Burschen gehenkt. Einer davon war ein MacMahon, Pádraic MacMahon, ich kannte ihn gut, das reine Pferd von einem jungen Burschen und der beste Hurleyspieler in der Baronie. Damals gab es hier keine Miliz. Sam Coopers Vater jagte ihn bis Nephin und führte Pádraic dann an einem Strick hierher zurück. Mit einem seiner Augen stimmte etwas nicht, aber ansonsten war er der beste Hurleyspieler der Baronie.«

      Als er sich die Vergangenheit vorstellte, die vor seiner Geburt gekommen und vergangen war, sah John zwei Gestalten nach Killala kommen, den Vater eines Miliz-Captains, ein Krautjunker nach der Jagd, rotangelaufen und selbstzufrieden, hinter ihm, angebunden wie eine verirrte Kuh, ein großer junger Mann in Fries, der seinen Kopf hierhin und dorthin verdrehte.

      »Jetzt gibt es ein Lied über ihn«, fuhr Treacy fort. »Ein elendes Kneipenmachwerk in Knittelversen. So geht es zu bei einem führerlosen Volk. Ihre Helden sind Whiteboys und Dorfkämpfer und Hurleyspieler.«

      »Unser Volk«, sagte John. »Eures und meins.«

      »Ach nein«, widersprach Treacy. »Wir sind ein geschlagenes Volk. Die Geschichte hat uns ihren Fuß in den Nacken gesetzt. Schade, daß Ihr meinen Vater nicht gekannt habt, und erst recht schade, daß auch George ihn nicht gekannt hat. Er war ein großer Gelehrter. Er hatte sich zwar alles selber beigebracht, aber er war ein großer Gelehrter in beiden Sprachen. Er korrespondierte mit Charles O’Conor aus Belnagare, dem Historiker und Vorkämpfer der irischen Katholiken. Ich habe hier einen Stapel Briefe von Charles O’Conor. Sie würden George sehr interessieren. Lest Charles O’Conors Gedichte, John, und ihr werdet das Schicksal des irischen katholischen Landadels begreifen. Wir sind von Verleumdern und Meineidigen angeschwärzt worden. König George hat heute keine loyaleren Untertanen, und wir verlangen nichts weiter als die vollen Bürgerrechte.«

      »Pádraic MacMahon der Hurleyspieler verlangte etwas anderes, nehme ich an«, sagte John.

      »Ich weiß nicht, was er verlangt hat«, erwiderte Treacy. »Ich weiß, was er bekommen hat.«

      »Den Strick«, sagte John.

      »Jawohl. Den Strick und ein schlechtes Lied, das er nie zu hören bekommen hat.«

      Die Tür wurde geöffnet, und ein Mädchen von vielleicht achtzehn brachte das Teeservice. Sie war schlank und außergewöhnlich groß für ein Mädchen, fast so groß wie Moore selber.

      Er sprang auf und sagte: »Dein Vater hat mir gesagt, eine faule Dirne von einem Mädchen würde wohl den Tee bringen. Ich wußte nicht, daß du damit gemeint warst, Ellen.«

      »Ich auch nicht«, meinte Treacy. »Ich auch nicht. Hattest du denn sonst nichts zu tun, mein Kind?«

      Sie stellte das Tablett auf den langen Eichentisch und nahm davor Platz. »Ich muß dafür sorgen, daß sich ein Gast willkommen fühlt, und ich habe gelernt, daß das wichtiger ist als alles andere.«

      »Ich kam gerade an eurem Tor vorbei«, erklärte Moore, »und ich hatte schrecklichen Durst auf eine Tasse Tee. Ansonsten wäre ich gleich zu den MacDonnells weitergeritten.«

      »Zu den MacDonnells, ja?« fragte sie. »Um diese Tageszeit könntest du dich freuen, wenn du bei den MacDonnells etwas anderes bekämst als eine Schüssel Buttermilch oder eine Eierschale Whiskey.« Ruhig und geschickt goß sie den Tee ein, gab in zwei Tassen sehr viel Zucker und reichte Moore die dritte. »Du wirst hier ein Ausländer bleiben, John, bis du genauso versessen bist auf Süßes wie wir anderen.«

      »Ich habe langsam den Verdacht, daß ich immer ein Ausländer sein werde«, erwiderte John. »Mit oder ohne Zucker.«

      »John wird bei uns übernachten«, sagte Treacy. »Wenn du Zeit hast, ihm ein Bett zu beziehen.«

      Einen Moment lang sahen sie und Moore einander an. »Das könnte schon möglich sein«, sagte sie. »Eines Tages. Übernachtest du denn nicht bei den MacDonnells, John? Wo sie doch solche Gastfreundschaft anbieten können. Ich habe gehört, daß es dazu gehört, Pistolen gegen die Decke abzufeuern, wenn sie junge Gentlemen aus Ballintubber zu Besuch haben.«

      »Sie sind eine wilde Bande«, sagte Treacy. »Das liegt ihnen im Blut. Habe ich euch erzählt, wie sich ihr Major MacDonnell vor der Schlacht von Aughrim benommen haben soll?«

      »Hast du, Vater«, antwortete Ellen. »Zweimal.«

      »Ich habe unseren Gast gefragt.«

      »Du hast es zweimal John erzählt. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie oft ich es gehört habe. Jedesmal, wenn die arme Grace MacDonnell mich besuchen kommt, muß ich es hören, als ob sie selber irgendeine wilde Straßenräuberin wäre, die von Aughrim herbeigeritten kommt.«

      Treacy nickte. »Man würde nie auf die Idee kommen, daß ihre arme Mutter eine Dillon ist, so, wie sie da in dieser kahlen, zugigen Scheune von einem Haus dahinvegetieren muß. Eine wilde Bande.«

      »Sie ist eine sehr hübsche junge Frau«, sagte John.

      »Das ist sie allerdings«, stimmte Ellen zu. »Wir mögen uns auch sehr. Grace MacDonnell hat die schönste Stirn in Mayo und wunderschöne grüne Augen.«

      »Ich glaube, sie sind blau«, widersprach John. »Dunkelblau wie deine eigenen.«

      »Meinst du? Vielleicht ändern sie bei Tageslicht ihre Farbe.«

      »Dürfen wir Euch zum Essen erwarten?« fragte Treacy.

      »Das wäre sehr angenehm«, antwortete John. »Ich habe etwas mit Randall zu besprechen, und dann komme ich nach Bridge-end zurück.«

      »Randall redet wirklich gern«, sagte Treacy. »Vor allem, wenn er ein bißchen gebechert hat.«

      »Stimmt«, meinte John. »Ein offener Mann.«

      »Ich habe ihn letzten Monat auf dem Markt getroffen«, erzählte Treacy und rührte seinen Tee um. »Er sagte mir, Ihr beide hättet bis spät nachts über Politik gesprochen.«

      Moore schwieg ein Weilchen, dann antwortete er: »Das stimmt. Ich habe Euch gegenüber aus meinen Gefühlen nie einen Hehl gemacht, Sir.«

      »Und ich habe nicht vor, Euch in dieser Sache unter Druck zu setzen, solange es eine Frage des Gefühls bleibt und nicht mehr wird. Ich mag Euch sehr, John, wirklich sehr, und würde es sehr bedauern, Euch kompromittiert zu sehen.«

      »Aber was kann Randall MacDonnell denn schon von Politik verstehen«, warf Ellen rasch dazwischen. »So wenig wie ich selber. Randall MacDonnell kennt nur eins, und das sind Pferde.«

      »Er ist ein wilder Schurke und zu jeder Schandtat bereit«, sagte Treacy. »Wie sein Vater. Sie sind schon halb zum Bauern herabgesunken.«

      »Grace nicht«, widersprach Ellen. »Es tut mir leid, so ein prächtiges Mädchen in einem so schlampigen Haus zu sehen.«

      »Ihre Mutter ist eine Dillon«, erklärte Treacy. »Randall und die anderen sind die Kinder der ersten Frau. Sie war eine Lally aus Tuam, eine ausgesprochen widerborstige Person. Ich weiß nicht, was sich Aeneas Dillon gedacht hat, als er seine Tochter in die MacDonnells von Ballycastle einheiraten ließ. Ein Vater hat in dieser Hinsicht eine schwere Verantwortung, nicht wahr?«

      »Die hat er in der Tat«, sagte John.

      »Nehmt einmal mich zum Beispiel. Ellen kann zwar nicht hoffen, einem Mann eine große Mitgift zu bringen, aber sie ist mein einziges Kind, und Bridge-end und die anderen Stücke Land werden durch Natur und Gesetz irgendwann ihrem Mann zufallen. Es ist ein ordentliches kleines Gut, auch wenn ein so schönes wie Euer eigenes es natürlich weit in den Schatten stellt.«

      »Nicht


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