Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan
Der Unterricht war beendet, und in zwei Wochen würde er Treacys fünf Guineas verdient haben.
Sollten sie sich doch einen neuen Schulmeister suchen, einen jungen törichten Knaben aus Kerry, der es nicht besser wußte.
Ballina, 7. August.
Malcolm Elliott und Randall MacDonnell trafen sich in Ryans Schenke, eine Meile vor Ballina, mit Malachi Duggan. MacDonnell bestellte eine Schüssel Punsch, aber die mußte er sich mit Elliott teilen, denn Duggan trank nichts. Er saß ihnen gegenüber, behäbig, aber wachsam, seine großen milden Augen sahen keinen von ihnen an, sondern geradeaus, oder, wenn er den Kopf senkte, auf eine Kerbe im groben Tisch. Ein Gentleman, ein Krautjunker und ein Bauer waren sie, eine schlecht zusammenpassende Gruppe, und Duggan war der einzige der drei, der sich nicht verlegen fühlte.
»Bei Gott, Sir«, sagte er zu Elliott. »Ich weiß nichts davon, was diese wilden und wütenden Straßenräuber in der dunklen Nacht treiben. Sie haben ja sogar auf Mr. Gibson geschossen, der mein eigener Grundbesitzer ist und mir nie ein böses Wort gesagt hat.«
»Natürlich nicht«, sagte Elliott. »Aber Ihr seid ein Mann, zu dem die Leute aufblicken, ob sie nun Whiteboys sind odernicht.«
»Ach, Sir. Das kommt doch nur davon, daß ich bei den Dorfkämpfen immer ganz vorne war. Aber dazu werde ich langsam zu alt.« Er klopfte sich auf seinen schweren Bauch. »Dorfkämpfe sind etwas für junge Burschen. Sie schaden ihnen nicht und machen der Baronie Ehre.« Sein Englisch war mehr als ausreichend, obwohl er mit schwerem, unsystematischem Akzent sprach.
»Jesus, aber du bist doch ein großer Dorfkämpfer«, meinte MacDonnell. »Vor drei Jahren habe ich gesehen, wie du deine Stechpalme gegen die Männer von Ballycastle geschwungen hast. Das sind dickköpfige Bastarde.«
»Es sind schlechte Zeiten für die Baronie«, sagte Elliott. »Das Gefängnis in dieser Stadt füllt sich mit Männern aus Killala und Kilcummin.«
»Schlechte Zeiten für das ganze Land, Sir. Jeden Sonntag erzählt uns Mr. Hussey von all den Gefahren. Franzosen auf dem Meer, die weder Kirche noch Kapelle besuchen. Männer unten in Wexford, die sich gegen den König erheben. Und Männer hier bei uns, die üble Dinge anrichten.«
»Du bist ein äußerst gesetzestreuer Mann«, sagte MacDonnell trocken.
»So ist es«, stimmte Duggan zu.
»Sieben Männer aus der Baronie im Gefängnis von Ballina«, sagte Elliott. »Und wenn Cooper und die anderen Richter fertig sind, werden es mehr als sieben sein.«
Der massive Kopf nickte. »Es war eine schreckliche Sache. Diese jungen Burschen sind nicht mehr Whiteboy als ich.«
»Ich kenne jedenfalls einen, der keiner ist«, warf MacDonnell ein. »Und das ist Gerry O’Donnell. Als ich hörte, daß sie ihn festgenommen hatten, konnte ich es nicht glauben. Ein anständiger, ruhiger Junge. Bei Gott, als ich das hörte, bin ich zu Sam Cooper hinübergeritten und habe mein Wort für Gerry gegeben. Ich hätte mir den Atem sparen können, um meinen Porridge abzukühlen. Er hatte mir ein Glas Whiskey gegeben, und ich war so wütend, daß ich das Glas in den Kamin schleuderte und auf dem Absatz kehrtmachte und ging.«
»Das ist kein Mann, dem ich den Rücken zukehren wollte«, sagte Duggan. »Wobei ich den Adel nicht beleidigen will.«
»Adel!« schnaubte MacDonnell. »Adel, ja? Der Kerl ist nicht mehr Adel als ein Kesselflicker. Cromwellsche Plünderer, das waren die Coopers.«
»Die Elliotts auch«, sagte Elliott.
»Überall gibt es gute und schlechte«, erwiderte MacDonnell rasch. »Sam Cooper und ich haben in den alten Tagen so manches Glas geleert. Und jetzt hat er mich mit einem eitlen Lächeln angeglotzt. Der arme Gerry O’Donnell könnte sich genausogut als Adel bezeichnen lassen. Die O’Donnells sind vom alten Stamm.«
»Eins steht fest«, sagte Elliott. »Cooper und seine Freunde werden damit nicht zufrieden sein.«
»Die Whiteboys auch nicht«, erwiderte Duggan. »Das sind kühne, entschlossene Burschen, meint Ihr nicht?«
»Schon möglich«, sagte Elliott. »Aber sie sind auch törichte Burschen. Vielleicht können sie die Baronie für lange Zeit auf den Kopf stellen, aber gewinnen können sie nicht, weil sie nicht recht wissen, was sie wollen. Wollen sie Räumungen verhindern, niedrigere Pachtsätze erzwingen oder alte Rechnungen begleichen? Vielleicht wollen sie einfach nur Gewalttätigkeit.«
»Unwissende Männer, sagt Ihr«, sagte Duggan. »Vielleicht kennt Ihr gebildete Männer, die sie beraten würden, Mr. Elliott?«
Elliott nickte. »Beraten, das ist das richtige Wort. Nicht sie führen, denn sie haben ihre Führer.«
»Und welchen Rat würdet Ihr geben?«
»In Wexford«, antwortete Elliott, »war die Rebellion möglich, weil sich das Volk mit den United Irishmen zusammengeschlossen hat.«
»Und waren das keine törichten Männer, diese Leute in Wexford? Als sie sich nach den United Men umsahen, die ihnen Gewehre geben sollten, da waren keine zu sehen. Ich glaube, Sir, wenn ein Mann verworfen genug ist, um zum Whiteboy zu werden, dann sollte er auf sich und auf die Dunkelheit vertrauen, und sich nicht auf die schönen Versprechungen von Gentlemen verlassen.«
»Der Aufstand in Wexford wurde von einem Gentleman geleitet«, erinnerte Elliott. »Und zwar von Bagenal Harvey.«
Der arme Bagenal Harvey, dachte Elliott. Von einem Mob mit Piken aus Bagenal Castle gezerrt und widerstrebend an ihre Spitze gestellt, verwirrt in Wexford hin und her geführt, halb General und halb Gefangener, der um das Leben von Gefangenen handelte und schmeichelte, der sich mit betrunkenen und prahlerischen Bauern herumschlagen mußte. Und nun war sein Kopf vor dem Gefängnis von Wexford aufgespießt.
»Jeder Wanderer hat uns über diesen Gentleman erzählt«, sagte Duggan. »Der ist wirklich kein großer Ansporn.« Zum erstenmal lächelte Duggan, wobei er abgebrochene und verfärbte Zähne zeigte.
»Hör mal zu, Malachi«, sagte MacDonnell plötzlich. »Ich habe dich nicht mit Mr. Elliott zusammengebracht, damit du dich über ihn lustig machst.«
»Das habe ich mich auch schon gefragt«, erwiderte Duggan. »Nicht, daß es nicht nett ist, den Morgen mit zwei Gentlemen aus der Baronie zu verbringen.«
»Und über mich auch nicht. John Moore bürgt für Elliott, und ich bürge für John Moore. Du weißt genau, warum wir mit dir sprechen wollen.«
»Dennoch«, sagte Duggan. »Sag es mir, Randall.«
MacDonnell gegenüber betrug er sich viel unbefangener und vertraulicher. Das ging wohl auch noch über die Benutzung der Vornamen hinaus. MacDonnell steckte zwischen beiden Welten, halb Gentleman, halb wohlhabender Bauer. Das war kein Problem für MacDonnell, diesen schlichten, umgänglichen Mann, bereit, mit jedem einen zu trinken. Aber zwischen Elliott und dem gerissenen, primitiv wirkenden Duggan lag ein tiefer, unüberbrückbarer Abgrund. Bagenal Harvey mußte dasselbe empfunden haben, als er mit seinen Pikenmännern über die Straßen von Wexford marschierte.
»Du bist ein Whiteboy«, sagte MacDonnell. »Einer der Whiteboys von Killala, wie ihr euch nennt. Wenn die Richter weniger blöd wären als sie sind, dann hätten sie dich ins Gefängnis von Ballina gesteckt. Und Malcolm Elliott und ich sind United Irishmen. Wir haben ihren Eid geschworen. Jetzt hast du deine offene Rede.«
»In der Tat«, sagte Duggan. »In der Tat, Randall. Du warst immer schon ein offener Mann.« Er griff zum dritten, unbenutzten Glas und füllte es mit Punsch. »Als ich ein junger Mann war, hatte ich nur dieses Zeug im Kopf. Ich habe es seit zehn Jahren nicht mehr probiert.« Er hielt es gegen das trübe, wäßrige Licht des Fensterchens. »Wenn ich ein paar Tropfen davon auf die Zunge bekam, gab es für mich keinen Halt mehr.«
»Das weiß ich noch«, sagte MacDonnell. »Du konntest viel Schnaps vertragen. Du hast doch sogar meinem Vater geholfen, den Branntwein von den französischen