Freiheit und Ehre - Roman nach der wahren Geschichte eines dänischen Freiheitskämpfers. Pernille Juhl

Freiheit und Ehre - Roman nach der wahren Geschichte eines dänischen Freiheitskämpfers - Pernille Juhl


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      Pernille Juhl

      Freiheit und Ehre

      Roman

      Saga

      Freiheit und EhreAus dem Dänischen von Patric Zöller nach Frihed og ære Copyright © 2018 Pernille Juhl und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S All rights reserved ISBN: 9788726029345

      1. Ebook-Auflage, 2018

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

      Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      Vorwort

      An einem eiskalten Tag im Dezember 2014 habe ich mir einige Dokumente ausgedruckt, die im Eingangsfach auf meinem Mailkonto angekommen waren. Mit dem Stapel Papiere, einer dampfenden Tasse Tee und einer warmen Wolldecke habe ich es mir dann vor dem Kaminofen gemütlich gemacht.

      In den Unterlagen ging es um einen jungen Mann, Christian Fries, geboren 1916 in Bov. Er wuchs als Pflegekind bei seinem Onkel und seiner Tante auf, machte eine Ausbildung zum Bäckergesellen und ging danach zum Militär. Nachdem Dänemark 1940 von den Deutschen besetzt wurde, baute er unter dem Dach des Studentischen Nachrichtendienstes den illegalen Militärischen Nachrichtendienst auf.

      Warum entschied sich ein so junger Mann, dem eine vielversprechende Karriere bevorstand, sein Leben so einschneidend zu verändern? Ganz zweifellos war es ein äußerst gefährlicher Entschluss. Er muss also tatsächlich für die Sache gebrannt haben. Was trieb ihn an, die Bedrohung durch die Besatzungsmacht und die geltenden Gesetze seines Landes in den Wind zu schlagen und das zu tun, was er für richtig hielt? Außer Mut und Willensstärke muss sehr viel Leidenschaft dazugehört haben, gepaart mit der Überzeugung der Jugend, unverwundbar zu sein. Alle wussten, dass illegale Aktivitäten sehr riskant sein und nicht zuletzt das Leben kosten konnten.

      Es war eine Mail von Poul Agertoft, der in der Zeitung Jydske Vestkysten einen Artikel über mein Buch Efter mørket / Nach der Dunkelheit gelesen hatte, die mich dazu brachte, mich mit der Person Christian Fries zu befassen und meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Schnell war mir klar, ich musste die Geschichtsbücher hervorkramen und mehr über diesen jungen Freiheitskämpfer herausfinden.

      Das Ergebnis halten Sie in Händen. Der Roman schildert, wie Christian Fries' Leben verlaufen sein könnte und basiert zum Teil auf historischen Fakten, zum Teil auf meinen Vermutungen und Annahmen. Glücklicherweise hatte ich umfangreiches Quellenmaterial zur Verfügung, darunter Briefe, die mir Poul Agertoft, übrigens entfernt verwandt mit Christian Fries, übergeben hat. Außerdem hatte ich das Vergnügen, mich ein paar Mal mit Poul zu treffen, und darüber hinaus haben wir uns regelmäßig per Mail ausgetauscht. Im Stadtarchiv in Bov findet man ebenfalls viele interessante Briefe und weitere Unterlagen, die über das Leben von Christian Fries Aufschluss geben. Außerdem gibt es einiges an Fachliteratur, in der Christian Fries erwähnt wird.

      Die Geschichte Südjütlands hat mich schon immer in ihren Bann gezogen, nicht zuletzt wegen des besonderen Verhältnisses zwischen den Südjüten und dem Rest Dänemarks. Die Tatsache, das Südjütland 1864 von Deutschland vereinnahmt und erst im Zuge der Wiedervereinigung 1920 erneut dänisch wurde, hatte zur Folge, dass Worte wie Gott, König und Vaterland in diesem Teil des Landes eine ganz besondere Bedeutung haben. Und das passt sehr gut zur Geschichte von Christian Fries.

      Ein großes Dankeschön geht an Poul Agertoft, der mein Interesse für dieses spannende Projekt geweckt hat. Es war faszinierend – und eine Herausforderung!

      Haderslev, 1937

      „Kompanie aufstehen!“

      Fast im selben Moment sprang Christian aus dem Bett. Der erste Morgen in der Haderslev Kaserne. Draußen vor dem Fenster schien eine gutgelaunte Sonne, obwohl es erst halb sechs war. Die übrigen elf Kameraden auf seiner Stube waren ebenfalls aufgestanden und sahen sich schlaftrunken um.

      Eine Tür am anderen Ende der Stube führte in den Waschraum. Der Boden war aus Zement, die Wände weiß getüncht, und die Mitte des Raums dominierte eine Art längliches Waschbecken mit einer Reihe Hähne darüber. Christian schob sich zwischen einigen seiner Kameraden, die sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzten, rasierten oder im einzigen Spiegel mit einem raschen Blick Frisur und Scheitel überprüften, hindurch und stellte sich in die kleine Schlange vor der einzigen Dusche, die nur eiskaltes Wasser bereithielt. Feixend warteten er und die anderen, während ihr Kamerad unter der Dusche vor Kälte keuchte und japste.

      Zurück auf der Stube war es höchste Zeit, das Bett zu machen.

      „Das kann doch jeder“, flüsterte ihm einer der Kameraden zu, aber nur wenige Augenblicke später wurden sie eines Besseren belehrt.

      Gefreiter From war die Freundlichkeit in Person, als er sie im Bettenbau unterwies. Eine Seegrasmatratze, ein Betttuch, ein Keilkissen, ein Plumeau und zwei Decken waren zu arrangieren. Es schien ganz einfach zu sein, und Christian und seine Kameraden waren schnell fertig. Kurz darauf stand From vor ihm und sagte mit weniger freundlicher Stimme: „257, nennen Sie diesen Kasten da etwa ein gemachtes Bett?“

      Christian blickte zu Boden und versuchte es erneut, wobei ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Als sie sich endlich auf den Weg zum Frühstück machten, war er sich darüber im Klaren, dass es sich beim Bettenbau offensichtlich um eine Disziplin handelte, die einiges an Übung verlangte, wollte man einen Gefreiten zufriedenstellen.

      Das Frühstück war überraschend gut. Zunächst aßen sie schweigend, dann löste sich allmählich die Anspannung und erste Bemerkungen wurden ausgetauscht. Eine optimistische Stimmung breitete sich am Tisch aus. Es würde schon alles gut laufen, er hatte die richtige Entscheidung getroffen, man musste sich nur erst einmal zurechtfinden. Und wenn er an die Bäckerei dachte, verflogen ohnehin die letzten Zweifel. Wenn es mal schwierig werden sollte, dann erinnere dich einfach an Ivar, sagte er zu sich selbst und musste lächeln.

      Dann rief einer der Gefreiten: „Antreten auf dem Exerzierplatz!“

      Ein wenig kam er sich vor wie ein Schüler in der ersten Klasse. Er und seine Kameraden wussten nichts, mussten das militärische Grüßen lernen, in Reih' und Glied zu stehen und zu marschieren. Der Vormittag verging mit der Ausgabe der Uniformen und der Waffen. Beinahe ehrfürchtig traten die Rekruten vor der Waffenkammer an, und stolz nahm Christian ein Gewehr, ein Bajonett im Futteral und einen ledernen Gürtel mit zwei Magazintaschen entgegen. Das Gewicht des Gewehrs überraschte ihn. Er konnte es kaum heben und stellte sich vor, wie es sein würde, damit zu exerzieren, wie die lang gedienten Soldaten es taten. Hantierten sie mit dem Gewehr, sah alles spielerisch leicht aus.

      Ob das Soldatenleben so werden würde, wie er es sich vorgestellt hatte? Jeden einzelnen Tag seiner Lehre als Bäckergeselle hatte er davon geträumt, Kollund den Rücken zu kehren. Während er Teig knetete, verwandelte sich die Backstube in seiner Fantasie in ein umkämpftes Schlachtfeld, auf dem die Guten auf die Bösen trafen. Schwitzend schob er Bleche in den Ofen und zog sie mechanisch wieder heraus, während vor seinem geistigen Auge ein Film ablief, der das Militär als eine einfache, aber harmonische Gemeinschaft mit klaren Regeln zeigte. Er sah sich in einer langen Reihe Kameraden in schneidigen Uniformen marschieren, Männer, die zusammenstanden und Dänemark und ihre Familien verteidigten. Freiheit und Ehre waren unverbrüchliche Werte für sie. Sie hatten eine Mission.

      Es galt, Südjütland zu verteidigen! Oma würde stolz auf ihn sein. Als Kind hatte er es geliebt, auf der Eckbank in ihrer mollig warmen Küche zu sitzen und ihr zuzuhören, während sie Töpfe, Schüsseln, Pfannen und alles Mögliche aufräumte. Sie erzählte immer wieder die gleichen Geschichten. Über die Grenze, die entlang des Kongeå, des Königsbachs, verlief, damals, 1916, als er geboren wurde. Über die Zeit, in der Sütjütland ein Teil Deutschlands gewesen war, und über den Tag, als sie darüber abstimmen durften, ob ihre Heimat wieder zu Dänemark gehören sollte. Die Straßen waren mit Fahnen geschmückt,


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