Die Europäische Einigung. Von 1945 bis heute. Gerhard Brunn

Die Europäische Einigung. Von 1945 bis heute - Gerhard Brunn


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Armee des geeinten Europas, gebildet aus Männern der verschiedenen europäischen Nationen, soll, soweit dies irgend möglich ist, eine vollständige Verschmelzung der Mannschaften und der Ausrüstung herbeiführen, die unter einer einheitlichen politischen und militärischen europäischen Autorität zusammengefaßt werden.«

      Die französischen Verantwortlichen erwarteten, wie beim Schumanplan, die unverzügliche Zustimmung der Bundesregierung. Das war nicht der Fall. Adenauer hatte zwar schon seit 1949 einige Male öffentlich von einem möglichen deutschen Beitrag zur europäischen Verteidigung gesprochen und Ende August versucht, entschlossen die Situation nach dem Ausbruch des Koreakriegs auszunutzen. In einem geheimen Memorandum hatte er seine Bereitschaft erklärt, im Falle der Bildung einer westeuropäischen Armee einen Beitrag in Form eines deutschen Kontingents zu leisten. Er koppelte sein Angebot mit hohen Forderungen und machte es von dem Zugeständnis der Alliierten abhängig, das Besatzungsstatut abzulösen, jene einseitig erlassene Grundregelung der Besatzungsmächte aus dem Jahre 1949, in dem diese sich zahlreiche Vorbehaltsrechte, den jederzeitigen Eingriff in die Hoheitsgewalt der Bundesrepublik und eine Kontrolle des öffentlichen Lebens reserviert hatten.

      Gegen den Plevenplan hatte Adenauer mehrere Einwände. Da nach den französischen Vorstellungen erst nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen über die Montanunion der Plan der Europaarmee in Angriff genommen werden sollte, würde deren Realisierung auf einen fernen Zeitpunkt verschoben werden. Dagegen forderte die Situation nach Meinung Adenauers eine sofortige Aufstellung deutscher Militäreinheiten. Zum anderen sollten die von den Mitgliedsstaaten gestellten Kontingente auf der Basis der kleinstmöglichen Einheit in die Europäische Armee eingegliedert werden. Bei der Umsetzung hätten keine größeren deutschen Einheiten unter deutschem Kommando gebildet werden können, während nach dem französischen Vorschlag andere Länder weiterhin Truppen unter nationalem Kommando behalten sollten. Abgesehen davon, dass Deutschland auf diese Weise nur als minderberechtigter Partner an der Europaarmee beteiligt werden sollte, also mit der Armee gerade nicht die Gleichberechtigung erreicht werden würde, die Adenauer mit dem Angebot der deutschen Wiederaufrüstung einforderte, meinte er, dass die Verteidigungskraft einer so zusammengewürfelten Armee völlig unzulänglich sei. Erst nach mehrfacher französischer Intervention rang er sich dazu durch, am 8. November vor dem Bundestag den Vorschlag zu begrüßen. In der großen Bundestagsdebatte wandten sich Sozialdemokraten und das Zentrum leidenschaftlich gegen jede Form deutscher Wiederbewaffnung. Damit begann eine dramatische innenpolitische Auseinandersetzung, in der sich mehrere Jahre lang zwei Lager unversöhnlich gegenüberstanden.

      Der Plevenplan stieß auch bei den Amerikanern und Briten auf Skepsis. Die Regierung in Washington sah in ihm ein Ablenkungs- und Verzögerungsmanöver. Ebenso sahen die Italiener ihn als Instrument zur Hinauszögerung der deutschen Wiederbewaffnung, stimmten aber letztendlich Verhandlungen zu. In London bescheinigte man ihm militärische Ineffizienz, ein Urteil, das praktisch alle NATO-Militärs teilten. Trotz der massiven Bedenken setzten sich die Franzosen auf der Tagung des NATO-Rats kurz vor Weihnachten in Brüssel weitgehend durch. Der Rat beschloss, eine Konferenz nach Paris einzuladen. Sie sollte den konkreten Bauplan einer supranationalen Europaarmee ausarbeiten. Aber die Amerikaner wollten eine deutsche Wiederbewaffnung so schnell wie möglich, und deshalb mussten die Franzosen eine schmerzhafte Konzession machen und parallelen Verhandlungen über ein Alternativmodell zustimmen, d. h. der unverzüglichen Aufstellung deutscher Kampftruppen und ihrer Unterstellung unter die NATO.

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