Der nackte Idiot. Stefan Bouxsein

Der nackte Idiot - Stefan Bouxsein


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endlich ab. Ich machte Susanne mit Karl bekannt und es gelang mir, den beiden glaubhaft zu versichern, dass sie von dem jeweils anderen nichts zu befürchten hatten. Jochen gab glücklicherweise wieder Lebenszeichen von sich. Er stöhnte und griff sich an seine blutende Nase. Zusammen mit Karl bugsierte ich ihn unsanft aus meiner Hütte. Dann brühte ich einen starken Kaffee auf, den konnten wir jetzt gut gebrauchen.

      Endlich hatte ich die Situation wieder im Griff. Karl und Susanne kamen ins Gespräch und tauschten Erfahrungen aus. Die beiden machten keinerlei Anstalten, meine Hütte wieder verlassen zu wollen. Ich ließ sie sitzen und begab mich auf eine Tour durch das Dorf. Ich wollte mir auch die anderen Viertel mal betrachten. Kaum hatte ich die Tür hinter mir zugeschlagen, ging der Irrsinn wieder los. Eine stattliche Frau lief mir genau vor die Füße und bettelte um Hilfe. Nur wenige Meter hinter ihr drückte sich ein dunkelhaariger Jüngling herum. Als er mich erblickte, verschwand er hinter einer Hütte. Atemlos redete die verfolgte Frau auf mich ein. Sie hieß Trude, war 48 und kam aus Buxtehude. Eigentlich wollte sie hier die Wunden ihrer Scheidung heilen lassen und sich etwas Abwechslung verschaffen. Für viel Geld hatte sie einen Überraschungsurlaub im erotischen Viertel gebucht. Sie hatte noch keine zwei Schritte in das Dorf gemacht, da hing ihr der liebestolle Jüngling auch schon am Rockzipfel. Wie sich herausstellte, handelte es sich um den Sprössling eines Ölscheichs aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der junge Prinz litt offenkundig unter einem gewaltigen Hormonüberschuss. Und Trude hatte es ihm angetan. Die stattliche Frau aus Buxtehude betrachtete er als seinen Acker, den es zu bearbeiten galt.

      Ich konnte ihren hilfesuchenden Augen nicht ausweichen und gewährte auch ihr Unterschlupf in meiner Hütte. Karl und Susanne nahmen sie liebevoll bei sich auf. Meine Hütte avancierte zum Zufluchtsort der Verfolgten.

      Endlich konnte ich mit der Tour durch das Dorf beginnen. Ich passierte die grünen Blockhäuser im Sportlerviertel. Kleine Trupps joggten mit ernster Miene um die Häuser, andere quälten sich mit Liegestützen oder hopsten einer Aerobic-Vortänzerin hinterher. Gelangweilt schlenderte ich weiter zu den braunen Hütten. Spiel- und Spaß-Süchtige vertrieben sich hier die Zeit. Das Ganze erinnerte mich an einen Kindergarten für Erwachsene. Selbst zum Sackhüpfen waren sich die alten Säcke nicht zu schade. Verwundert ging ich weiter. Am Dorfeingang entdeckte ich die weiße Hütte. Dort befand sich die neutrale Zone, wo sich die Bewohner der verschiedenen Viertel näherkommen sollten. In der Hoffnung, dort eine interessante Bekanntschaft zu machen, betrat ich die geräumige Hütte. Es gab dort mehrere Zimmer, die wie Aufenthaltsräume gestaltet waren. Ich blickte in die ersten beiden Zimmer, fand aber niemanden darin vor. Aber im dritten Zimmer hielt sich jemand auf. Eine Gestalt saß mit hochgezogenen Knien auf der Fensterbank. Ich grüßte höflich und ging näher heran. Die traurig wirkende Gestalt hob den Kopf und lächelte mich erleichtert an. Es war der schwarze Peter. Seine Augen wirkten verweint, er stank wie eine Kloake und schnorrte gleich eine Zigarette von mir. Gemeinsam pafften wir eine Marlboro. Ich betrachtete ihn verwundert und fragte ihn, wie es ihm ergangen sei.

      »Das ist der absolute Horror hier«, stöhnte er verächtlich.

      »Aber das hast du doch gebucht, was ist denn passiert?«, löcherte ich ihn neugierig.

      »Die haben mich heute Morgen aus meiner Hütte geholt und in den Dschungel gebracht. Auf einer wackeligen Holzbrücke haben sie mir ein Seil um die Füße gebunden und mich in einen eklig stinkenden Tümpel geschmissen. Am Ufer lagen einige Krokodile, die sich langsam in das dreckige Wasser gleiten ließen, als ich in der Brühe zappelte. Die haben gewartet, bis die Krokodile nur noch zwei Meter von mir entfernt waren, bevor sie mich an dem Seil wieder hochgezogen haben. Ich gehe keinen Meter mehr vor die Tür, den Rest der Woche bleibe ich hier in der neutralen Zone.«

      Noch einer, der seine Wahl schon bitter bereute. Ich gab ihm noch eine Zigarette und wünschte ihm viel Glück.

      Ich hätte für den Rest der Woche noch einige prickelnde Abenteuer mit Jasmin erleben können, aber ich kam nicht mehr dazu. Susanne, Karl und Trude fühlten sich nur in meiner Gegenwart vor ihren Verfolgern sicher. Schon ab dem zweiten Urlaubstag traten wir nur noch als Quartett auf. Wir gingen gemeinsam zum Strand, wir aßen gemeinsam zu Mittag und verbrachten unsere Abende zu viert in meiner Hütte. Gemeinsam gelang es uns, die Angreifer auf Abstand zu halten. Karl verjagte immer wieder den liebestollen Prinzen, Trude scheuchte im Gegenzug die unersättliche Erna mit Flüchen und Gezeter von Karl weg. Und wenn Jasmin in meiner Nähe auftauchte, ergriff Susanne Besitz von mir. Meine Verbundenheit zu Jasmin ließ auch schlagartig nach, nachdem ich beobachtet hatte, dass sie sich mindestens um eine ganze Handvoll Gäste genauso fürsorglich kümmerte, wie zuvor um mich.

      Wir entwickelten uns zu einer verschworenen Gemeinschaft und schafften es doch noch, unsere Sehnsüchte und Träume auszuleben. Karl und Trude konnten bald nicht mehr voneinander lassen und ich verschwendete keinen Gedanken mehr an Jasmin. Dafür hatte ich nur noch Augen für Susanne, die nicht mehr von meiner Seite wich.

      Die Woche auf den Seychellen ging schnell vorüber. Karl und Trude waren sich einig, den nächsten Urlaub gemeinsam im Bayrischen Wald zu verbringen. Auf dem Rückflug kam ich mit Susanne überein, dass wir unser ganzes zukünftiges Leben zusammen verbringen würden. Wo, war uns völlig egal, bloß nicht auf den Seychellen.

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