Sailing for Future. Corentin de Chatelperron
Es handelt sich um eine Kiste von einem Quadratmeter mit Glasscheibe; man schüttet Meerwasser hinein und setzt es der prallen Sonne aus. Nach und nach verdunstet das Süßwasser, kondensiert an der Scheibe, und das Salz sammelt sich am Boden der Kiste.
Für die Trinkwassergewinnung muss das verwendete Material lebensmitteltauglich, einfach und preiswert sein. Wir verwenden Plastik, das aber das Wasser belasten könnte. Daher wenden wir uns an den Töpfer Mustapha. Er überzeugt uns: Ton ist genial. Zur Ausarbeitung unserer Technik fertigen wir daher mehrere Prototypen an.
Dennoch war der Nützlichkeitsnachweis letztlich nicht schlüssig, und zwar wegen der Einschränkungen, die mit dem Ton einhergehen. Er ist recht teuer, wenig formbar, schwer und zerbrechlich – und das für einen Ertrag von nur 2,5 Liter pro Tag. Für den Moment geben wir uns mit unseren Prototypen ohne Ton zufrieden, die wir auf dem Hühnerstall montieren, um die Hühner zu tränken. Im Verlauf der folgenden Etappen werde ich jedoch unablässig an der Verbesserung unserer Entsalzungsanlage weiterarbeiten, mit deren derzeitiger Leistung von fünf Litern pro Quadratmeter/Tag ich schon recht zufrieden bin.
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Mustapha, Élaine und Corentin arbeiten gemeinsam an der Herstellung eines Tongefäßes, das das destillierte Wasser des Entsalzers aufnehmen soll.
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Das Team, sowie Younès und Mehdi unternehmen lange Untersuchungen und Tests, bevor sie mit einem Entsalzerprototyp zufrieden sind.
STRATEGIEÄNDERUNG
Nach dieser Station stellen wir fest, dass die Arbeit für den Entsalzer sehr viel Zeit gekostet hat, da wir zunächst in Nachforschung und Entwicklung investiert haben und dann vor Ort an die Ausarbeitung eines Prototyps gegangen sind. Überdies konnte unser Produkt nie der Bewährungsprobe durch die Nutznießer vor Ort unterzogen werden. Bei der Abfahrt beschließen wir, unsere Strategie zu ändern. Wir wollen uns ab jetzt nur mit Low-Tech beschäftigen, die schon erfunden ist und sich lokal bewährt hat. Wir sind nicht auf der NOMADE DES MERS, um neue Low-Tech zu erfinden, sondern um bestehende Low-Tech zu dokumentieren und schließlich zu teilen. Dennoch hat es uns diese Station ermöglicht, auf unsere ersten Erfinder zu treffen und uns bewusst zu machen, was wir schon geahnt haben: Außergewöhnliche Männer und Frauen, aus denen geniale Ideen nur so sprudeln, erfinden jeden Tag – und zwar anonym – überall auf der Welt Dinge, die eine Lösung auf Herausforderungen des Alltags liefern. Wir waren schon sehr gespannt auf die Erfinder, die wir noch entdecken würden. Am 2. April brechen wir mit unserem neuen Skipper Clément auf. Einige Tage zuvor hat uns Antoine, ein französischer Spirulina-Produzent in Marokko, ein wenig seiner Produktion für unsere schiffseigene Zucht gebracht – sie sollte uns bis Thailand erhalten bleiben.
»Im Verlauf der folgenden Etappen werde ich jedoch unablässig an der Verbesserung unserer Entsalzungsanlage weiterarbeiten, mit deren derzeitiger Leistung von fünf Litern pro Quadratmeter/Tag ich schon recht zufrieden bin.«
BEGEGNUNG MIT MEHDI BERRADA
MINIENTSALZER
Mit 31 Jahren führt Mehdi Berrada ein Unternehmen, das sich Innovationen und alternativen Ressourcen für Wasser und Energie widmet. Er begleitete unsere Herstellung des Prototyps einer Solarentsalzungsanlage bei sich in Marokko. »Tatsächlich entsalzte der Prototyp, an dem wir während des Aufenthalts der NOMADE DES MERS arbeiteten, nicht nur das Wasser. Es war gleichzeitig ein Destillator, d. h., er reinigte jedes kontaminierte Wasser, und zwar durch die Energie der Sonne«, erläutert der junge Ingenieur, der an der Technischen Hochschule von Compiègne, Frankreich, studiert hat. Als Sohn eines marokkanischen Architekten und einer französischen Lehrerin ist er in Agadir und Casablanca aufgewachsen und hat seine ganze Schulzeit an einer französischen Schule in Marokko absolviert.
Nach ersten Erfahrungen mit der Solarentsalzung in den Niederlanden kehrte er 2012 nach Marokko zurück, um sein Unternehmen ALTO Solution aufzubauen: »Sehr schnell habe ich mich der Innovation zugewandt. Ich wollte Neues machen, das sich vom bereits Vorhandenen unterschied.« Er interessierte sich insbesondere für das, was er seine »Easy-Tech«-Lösungen nennt und die sich die ganze Welt aneignen kann: »Wir haben einen Solardestillator als Prototyp für die Partikel entwickelt, aber nicht unbedingt für den marokkanischen Markt, der schon im großen Maßstab versorgt wird.
Das Land, das MITTELFRISTIG VON WASSERMANGEL BEDROHT IST, besitzt eine Hunderte Kilometer lange Küste und setzt mittlerweile auf den Bau riesiger Entsalzungsanlagen. Diese Großanlagen bedienen sich ausgeklügelter Komponenten und Techniken (wie der Umkehrosmose), die für ihren Betrieb ungeheuer viel Energie verschlingen. Wären wohl zweckmäßige Systeme im kleinen Maßstab für abgelegene Gebiete möglich? Das wollte die NOMADE DES MERS hier herausfinden.
Auf lokaler Ebene hatten wir an eine Solar-Warmluftheizung für die Gebirgsregionen gedacht, wo es sehr kalt werden kann und wo die Leute oft isoliert und abgeschnitten vom Stromnetz leben«, erinnert sich Mehdi. 2016 arbeitete er an einem zweiten Solardestillator: »Für dieses neue Modell habe ich schwarzen Ferrozement verwendet. Das ist klassischer Zement mit einem Kohlepigment. Auch hier ist die Idee, ein Material zu benutzen, das überall und ohne komplexe Formverfahren verfügbar ist, sodass die Gemeinschaften, die es benötigen, es auch selbst herstellen können.« »Der Mann, der nirgends ohne seinen Hund hingeht«, wie Corentin ihn nennt, ist leidenschaftlicher »Low-Techer«, aber ohne Sponsoren muss er sich auf einträgliche Arbeiten konzentrieren, um seine Forschung zu finanzieren. Seit 2017 ist Mehdi aus Frankreich zurück, um ein Verfahren zur Erzeugung von Solarwärme zu entwickeln und damit Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu erreichen – ein ehrgeiziges Projekt, aber er hofft, dass er sich auf diesem Weg langfristig wieder seinen Easy-Tech-Lösungen widmen kann, die allen zugänglich sind.
BEGEGNUNG MIT KAOUTAR ABBAHADDOU
DER WASSERFILTER FÜR DIE BEDÜRFTIGSTEN
Kaoutar Abbahaddou, die 25-jährige Ingenieurin aus Rabat, hat vor fünf Jahren das Projekt Vernet Access Water ins Leben gerufen. Es sucht Lösungen, die den Zugang zu Trinkwasser für die Bedürftigsten in ländlichen Regionen sicherstellen sollen. »In Marokko definiert man seine Herkunft nach der des Vaters, und mein Vater stammt aus der Sahara. Ich selbst bin zwar in Rabat geboren, aber dennoch eine Nomadin. Von Rabat bin ich nach Casablanca gegangen und dann durch meine Arbeit noch weiter herumgekommen: Tanger, Abidjan … ich bin immer in Bewegung«, lächelt die Jungunternehmerin. Kaoutar erinnert sich an diesen Tag kurz nach Beginn ihres Studiums an der Mohammedia-Ingenieurschule in Rabat –, einer der renommiertesten des Landes, an dem sich alle Studenten im Hof einfanden – in Reih und Glied und in Uniform. »Wodurch unterscheide ich mich? Welchen Auftrag habe ich, Kaoutar, hier?« Das waren die Fragen, die sich ihr hier stellten.
Um diese existenziellen Fragen beantworten