Nie wieder Fußball!. Stefan Tillmann

Nie wieder Fußball! - Stefan Tillmann


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      Stefan Tillmann

       Nie wieder Fußball!

      Roman

      VERLAG DIE WERKSTATT

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      Alle Rechte vorbehalten.

      Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt

      Covergestaltung: IG FORM, Talitha Müller

      ISBN 978-3-7307-0115-7

       Stefan Tillmann,

      Jahrgang 1979, wuchs in Düsseldorf auf. Nach Banklehre und Studium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule in München und war Parlamentskorrespondent bei Capital und Financial Times Deutschland. Heute ist er Textchef bei zitty, freier Autor (u.a. für Cicero) und Gründer von opinion-club.com. Er lebt in Berlin und führt eine Fernbeziehung mit Fortuna Düsseldorf.

      Inhalt

       Saisonvorbereitung

       Der Kapitän

       Mannschaftsvorstellung

       Regelkunde

       Saisonauftakt

       Die erste Auswärtsfahrt

       Abwehrschlachten

       Die taktische Besprechung

       Schlimme Verletzungen und mentales Training

       Winterpause

       Wechselpoker

       Gefährliche Standards

       Junge Wilde und alte Helden

       Das Eis brechen

       Saisonfinale

       Überfall und Raumgewinn

       Bis aufs Blut

       Das Finale

       Danksagung

       „Alles, was ich über Pflicht und Moral weiß, verdanke ich dem Fußball.“

      Albert Camus, französischer Philosoph (1913–1960)

       Saisonvorbereitung

      Der Kapitän

      Das ist die Geschichte von vier Männern, von vier Fußballfans, die ihr Hobby satthatten, das längst zur Sucht geworden war; die eine Selbsthilfegruppe gründeten, weil sie mehr aus ihrem Leben machen wollten, zumindest aus ihren Samstagen. Ich war einer von ihnen.

      Ich erinnere mich noch genau an jenen Tag im August, als alles begann. Es war ein heißer Tag, und ich stand in Unterreichenbach in der prallen Sonne. 20 Minuten war ich dorthin geradelt, dorthin, wo mir keiner etwas konnte: in der ersten Reihe beim Testspiel Sportfreunde Blau-Weiß gegen den 1. FC Nürnberg, vor mir 22 Mann, Böse gegen Gut. Der Nürnberg-Schal an meinem Handgelenk war bei der Hitze keine gute Idee. Aber Fußballfans haben keine Chance, wenn es einmal so weit gekommen ist. Man muss sich ergeben. Und ich habe mich gerne ergeben.

      Unterreichenbach ist ein Ort wie Hunderte, vielleicht Tausende in Deutschland. Ein Ort mit einem Kreisligaverein. Der Sportplatz hatte keine Tribüne, sondern nur eine Planke um den Platz. Es gab Würstchen, Nürnberger, eine Hüpfburg und später noch eine Tombola. Im Hintergrund versuchte jemand, die Frau des Platzwarts zu erreichen.

      Im Vereinsheim stand ein Fernseher, der immer noch darauf wartete, mal ein Spiel der Sportfreunde übertragen zu dürfen oder zumindest eine Pokalauslosung, bei der eine abgehalfterte Nationalspielerin eine Kugel mit dem Vereinsnamen aus dem Lostopf zieht, danach den FC Bayern oder noch besser: den Club. Und dann würden sie hierher schalten, die Sportschau, Sky, einfach alle, und sie würden nichts mehr verstehen. Weil alle brüllten und fränkelten und die Welt zumindest hier auf einmal eine völlig andere wäre.

      Darauf warteten sie alle, die Clowns und Helden, die es in jedem Fußballverein gibt und die sich auch an diesem Tag wieder eingefunden hatten. Da war der verhinderte Profi, der immer noch von seinem Probetraining beim Club erzählte, von der vermeintlichen Verwechslung der Trainingsjacken, weshalb sie damals nicht ihn, sondern Marc Oechler verpflichtet hatten. Das Brüderpaar in der Abwehr, das auf dem Platz schon viele Stürmer und abseits viele Frauen abgeräumt hatte. Der Co-Trainer, der – nur weil er Abitur hatte und aus Baden-Württemberg kam – einen auf Jogi Löw machte, im weißen Hemd an der Linie stand und von halben Neunen und falschen Fuffzigern erzählte – dabei hat Jogi Löw gar kein Abitur.

      Der Mäzen, der immer nur so viel Dreck am Stecken hatte, dass es ihm nutzte. Und dessen Möbelhaus-Trikotwerbung sie nach längerer Diskussion zumindest in Anführungszeichen gesetzt hatten, nachdem die Polizei ihm wieder etwas andichten wollte, wie er sagte. Der Alte, der eher zum abdichten kam, der früher, ja früher mal im Tor gestanden hatte und nun durchs Leben irrte wie damals durch den Strafraum; der noch genau 90 Minuten gerade stehen konnte und bei Verlängerungen immer gestützt werden musste.

      Der Jugendtrainer, den vor allem die Väter fürchteten, weil er immer nach dem Aussehen der Spielermütter aufstellte, und dessen Masche, schmutzige Botschaften in die schmutzige Mannschaftswäsche zu stecken, bei den Müttern immer noch für ein Rangeln um den Wäschedienst sorgte. Die Blondine, die sie nur „Kickertisch“ nannten, weil immer vier Männer um sie herumstanden und an ihr rumschraubten. Von der es hieß, sie habe mal ein Triple mit den Abwehrbrüdern in der Kabine gehabt, die aber immer nur Augen für den schönen Stürmer hatte.

      Dazwischen ich, Daniel Hübner, gerade 27 Jahre alt geworden, aber meine Mutter sagte immer noch „Dani“ zu mir. Ich war der Typ Träumer, der auf den Rasen guckte wie andere aufs Meer,


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