Der Teufel sieht rot. Susann Teoman

Der Teufel sieht rot - Susann Teoman


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      Susann Teoman

      Der Teufel sieht rot

      Saga

      Der Teufel sieht rotCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 2008, 2019 Susann Teoman und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726255812

      1. Ebook-Auflage, 2019

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

      Feuer

      Rot.

      Da sitze ich nun und lasse die vergangenen drei Monate Revue passieren.

      Rot.

      Mehr fällt mir dazu nicht ein.

      Er hat sein Versprechen gebrochen, der Schweinehund! Und das ist nun das Ergebnis: Rot.

      Es ist ja nicht so, dass ich mich darauf eingestellt hätte, dass er mir bei Isabelles Betreuung hilft, vielmehr war ich darauf gefasst gewesen, mein Dasein von jetzt an als alleinerziehende Mutter zu fristen, ganz wie seinerzeit meine Mama, Jessica Teufel. Wir Teufelinnen sind starke Frauen, wir brauchen die Schweinehunde dieser Welt nicht! Wir kommen auch so klar! Jawohl! Und ich war ja auch schon bei Benny und Karl eingezogen, die mich und meine Tochter bestimmt nach Strich und Faden verwöhnt hätten. Und da kommt er in letzter Minute daher und sagt, dass er mich liebt. Und ich lasse alle Deckung fallen und werfe mich ihm erneut an den Hals, obwohl ich doch genau weiß, dass er ein Workaholic ist und sich eben nicht wirklich ändern kann, der Schweinehund.

      Tom ist wie Rauchen oder Diätpillen oder Fastfood oder Schokolade oder Alkohol. Wenn man ihn zu oft genießt, wird man süchtig nach ihm, und ich vermute, dass er das ganz genau weiß. Warum nur habe ich mich wieder auf ihn eingelassen? Warumwarumwarum?

      »Sieht schon ein wenig ungewohnt aus.« Mia betrachtet mich prüfend im Spiegel.

      Ja, genau so, wie ein Atompilz im Küchenfenster bestimmt ungewohnt wirkt.

      »Das ist der letzte Schrei, Mailänder Starfriseure haben damit auf der Internationalen Friseurmesse den ersten Platz belegt.« Begeistert turnt Mark, Mias unheimlich teurer Starfriseur, um mich herum und schnippelt hier und da noch ein wenig von meiner Löwenmähne ab.

      »Ich finde, du siehst fabelhaft aus«, lobt Mia und sieht tatsächlich begeistert aus. Ich könnte ihr den Hals umdrehen, obwohl ich genau weiß, dass das alles meine Schuld ist. Wenn ich in Extremsituationen eine Entscheidung fälle, dann kommt sie mir in diesem Moment immer total rational und richtig vor. Leider verraucht meine Wut meistens schnell, und dann bin ich mit Ergebnissen wie diesem konfrontiert.

      Rot. Und so verdammt kurz!

      Ich betrachte mich kritisch im Spiegel.

      Ich hatte dereinst wunderschöne güldene Locken, die in sanften Wellen den Rücken hinabflossen. Ich möchte weinen. Kann aber nicht. Denn in Wahrheit war es senffarbene Stahlwolle gewesen, die sich irrtümlicherweise an meiner Kopfhaut festgefressen hatte. Es ist sehr betrüblich, aber wahr: Ich habe in den vergangenen dreißig Jahren so ausgesehen wie eine verspätete Ausgabe von Tina Turner.

      Nun habe ich weiche Löckchen, die sich sanft um mein bleiches Gesicht kringeln. Sie glänzen sogar! Ich würde mich beinahe freuen, wenn sie nicht so entsetzlich rot wären.

      Als ich zu Beginn meiner Schwangerschaft, von der Tom übrigens nichts wusste, seinen Heiratsantrag erwartete und er mir stattdessen den Laufpass gab, war ich am Boden zerstört. Ich hätte ewig von Merlot und Häagen Dazs leben können, wenn ich nicht mit Isabelle schwanger gewesen wäre. Als ich auch noch meinen Job verlor, war ich an einem Tiefpunkt angelangt, aus dem mir vor allem Benny und Mia herausgeholfen haben. Benny, weil er mich ständig zum Lachen brachte, und Mia, weil sie mich bat, ihre Hochzeit zu planen, die mir unverhofft Zugang zu einem neuen Job verschaffte: Hochzeitsplanerin. Und ich bin sogar unheimlich gefragt! Wer hätte das je gedacht! Ich selbst sicher am allerwenigsten. Ich wollte bei Benny und Karl, seinem Lover, einziehen, als Tom erfuhr, dass ich von ihm schwanger war. Scheinbar wurde ihm dann klar, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt, als Karriere zu machen. Aber nur scheinbar.

      Denn wenn ihm seine verdammte Karriere nicht so wichtig gewesen wäre, dann säße ich nun nicht hier und würde mein feuerrotes Antlitz anstarren, das mich mit blassen Wangen und dunklen Ringen unter den Augen aus dem Spiegel heraus anglotzt.

      Weil er Karriere machen will, muss ich mich nicht nur um meine kleine Isabelle kümmern, sondern auch um eine völlig durchgedrehte Gertrud, die mich verstehen lässt, warum Hannibal Lecter damit begann, brutale Morde zu begehen. Ich habe mich in den vergangenen drei Monaten schon oft genug gefragt, wie es wohl wäre, Gertrud mit einer Pinzette langsam zu ermorden und ihr Stück für Stück alle Haare einzeln auszureißen. Nicht, dass ich mich von dieser Vorstellung schon verabschiedet habe. Dazu ist sie viel zu schön.

      Ich bin ganz einfach zu müde für solche Attentate.

      Im Grunde erinnere ich mich kaum daran, wann ich das letzte Mal durchgeschlafen habe. Die letzten Nächte meiner Schwangerschaft waren von ständigen Klobesuchen gezeichnet, weil Klein-Isabelle nachts auf meiner Blase Polka tanzte.

      Und als sie dann geboren war, war an Schlaf ohnehin nicht mehr zu denken. Zu Beginn hatte ich auf Toms Unterstützung gehofft, aber er hatte einen entscheidenden Nachteil: keine Brüste!

      Isa hing zu Beginn nur allzu gerne nuckelnd an meiner Brust, das war die einzige Möglichkeit, sie vom Schreien abzubringen.

      Tom hatte sich zwar in den ersten beiden Wochen nach der Geburt frei genommen, aber wirklich helfen konnte er mir dann doch nicht. Er hat sich davor gefürchtet, sie an- oder auszuziehen, weil alles an ihr so winzig war und er Angst hatte, mit seinen großen Pranken etwas zu zerquetschen oder versehentlich zu verdrehen. Aber zumindest hat er sie gebadet und hat sie Bäuerchen machen lassen.

      Ich bin so müde!

      Und immer noch viel zu dick. Mein einstmals so wunderschöner, strammer Po, der immer schon ein wenig zu groß geraten war, sieht aus, als wären es in Wirklichkeit zwei Hintern. Dafür ist meine eher zu klein geratene Brust durch die Milch enorm angeschwollen. Stolz betrachte ich meine Oberweite. Da zeichnet sich mit einem Mal ein dunkler Fleck auf meiner Bluse ab. Meine Milch quillt über, mal wieder.

      Das passiert häufig, wenn ich mehr als eine Stunde von Isa getrennt bin. Ich muss nur an sie denken oder Babygeschrei hören, und schon macht sich der Milcheinschuss mit einem leichten Ziehen bemerkbar, und die Milch fließt für ein paar Momente ganz von allein.

      Ich fühle mich wie Wackelpudding. Alles schwabbelt, wenn ich gehe. Mia sagt, dass ich übertreibe. »In neun Monaten kommt das Gewicht, und in neun Monaten erst wird es wieder verschwunden sein. Du musst eben noch ein wenig Geduld haben«, belehrte sie mich.

      An eine Diät ist natürlich nicht zu denken.

      Zum einen habe ich dafür viel zu wenig Selbstdisziplin, und zum anderen stille ich noch und bin daher stets hungrig wie ein Wolf. Aber da Stillen angeblich auch schlank macht, hoffe ich einfach das Beste und warte ab.

      Der Haarschnitt gefällt mir auf jeden Fall, und auch die Haarglättung scheint erfolgreich gewesen zu sein. Die Stahlwolle ist einer sanften, matt schimmernden Masse von Wellen gewichen. Und weil die Haare mir nun nicht mehr senkrecht vom Kopf abstehen, konnte man sie auch kürzen. Sie sind adrett, aber unauffällig gestuft und bedecken gerade einmal meinen Nacken. Aber ich hatte noch nie zuvor im Leben so rote Haare.

      »Sie sind wirklich sehr rot, nicht wahr?«, wage ich einen dezenten Einspruch.

      Mark lehnt ab. »Du hast das richtige Gesicht und die richtigen Augen dafür. Glaub mir, du siehst fabelhaft aus!«

      Lügner.


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